Stoffwechselkrankheiten verstehen und verhindern
Professor Rudolf Zechner erhält die Jung-Medaille für Medizin in Gold 2024 für sein Lebenswerk in der Erforschung des Lipid- und Energiestoffwechsels
It‘s what we think we know that keeps us from learning! (Claude Bernard) – Zum Glück für die humanmedizinische Forschung und viele Patient:innen hat Professor Dr. phil. Rudolf Zechner sein umfassendes Wissen in der Biochemie nie für so vollständig gehalten, dass er aufgehört hätte, weiter zu forschen. Dadurch machte er mit seinem Team bedeutende Entdeckungen, die die Lehrbücher der Biochemie und Physiologie grundlegend veränderten und vielversprechende Strategien zur Behandlung von Stoffwechselstörungen aufzeigten. Aktuell ist Rudolf Zechner emeritierter Universitätsprofessor am Institut für Molekulare Biowissenschaften der Universität Graz, Österreich. Für sein Lebenswerk, in dem er wesentliche Komponenten und Mechanismen des Fettabbaus in der menschlichen Zelle entdeckte und dessen Rolle bei der Entstehung von Stoffwechselkrankheiten beschrieb, erhält er nun die Jung-Medaille für Medizin in Gold 2024 der Hamburger Jung-Stiftung für Wissenschaft und Forschung. Damit zeichnet die Stiftung Spitzenforscher:innen aus, die die medizinische Forschung und Praxis mit ihrem Lebenswerk erheblich vorangebracht haben und auch in Zukunft weiter voranbringen.
Fette, sogenannte Triglyceride gehören zu einer großen Gruppe von Biomolekülen, die man als Lipide bezeichnet. Sie sind in fast allen Körperzellen des menschlichen Körpers vorhanden und dienen dort als wichtige Speicher für Fettsäuren, die wiederum bedeutende Energielieferanten, zentrale Bestandteile von Zellmembranen und wichtige zelluläre Botenstoffe sind. Ist der Fettstoffwechsel gestört, kann das zu schweren Erkrankungen führen: Dazu gehören „Zivilisationskrankheiten“ wie beispielsweise Adipositas, Typ II Diabetes, Arteriosklerose und Herzinfarkt. Um diesen Störungen entgegenwirken zu können, ist die Aufklärung und das Verständnis des Lipidstoffwechsels von hoher medizinischer Bedeutung.
Unter anderem mit der Entdeckung des Enzyms Adipose Triglyceridlipase (ATGL) sowie ihres wesentlichen Ko-Aktivators CGI-58 leistete und leistet Rudolf Zechner bedeutende Beiträge zum Verständnis des Triglycerid-Stoffwechsels. Auf Grundlage dieser Erkenntnisse entwickelte Zechner gemeinsam mit seinem Team und vielen Kooperationspartner:innen hochspezifische ATGL-Inhibitoren, die nun in verschiedenen Krankheitsmodellen für Fettleibigkeit, Glukoseintoleranz, Fettleber, Herzinsuffizienz und krebsassoziierten Kachexie getestet werden. Vielversprechende Ergebnisse in Mausmodellen geben Hoffnung auf eine erfolgreiche Anwendung in der Humanmedizin. Zechners Entdeckungen von ATGL und CGI-58 brachten auch Aufschluss über die Entstehung und mögliche Behandlung genetisch bedingter Lipidspeicherkrankheiten, wie der "Neutralen Lipidspeicherkrankheit mit Myopathie" (NLSDM) oder der "Neutralen Lipidspeicherkrankheit mit Ichthyose" (NLSDI).
Neugier und Beharrlichkeit verhelfen zum Durchbruch: Der Werdegang von Prof. Dr. phil. Rudolf Zechner
Sein literarisch-filmisches Vorbild verrät schon viel: Henry Fonda als Juror Nr. 8 (Davis) in "12 Angry Men" (directed by Sidney Lumet), der durch kritische Analyse, Beharrlichkeit und Neugier die anderen Jury-Mitglieder von der Unschuld eines jungen Mannes überzeugt und ihn damit vor einer fälschlichen Hinrichtung bewahrt. „Diese gründliche Herangehensweise an ein Problem hat auch mich als Wissenschaftler geprägt“, fasst Rudolf Zechner zusammen. Bereits in jungen Jahren zeigte sich bei ihm eine besondere Neugier: „Die Natur hat mich schon früh außerordentlich fasziniert, insbesondere die Funktionsweise von Lebewesen und natürlich speziell des Menschen.“ Nach seinem Abitur studierte der in Graz geborene Forscher Chemie und promovierte 1980 an der Karl-Franzens-Universität in seiner Heimatstadt als Doktor phil. Nach einer Forschungsstelle am Institut für medizinische Biochemie der Universität Graz, erhielt er 1985 die Chance, am Laboratory of Biochemical Genetics and Metabolism an der Rockefeller University in New York City zu arbeiten. Doch die Heimat ließ ihn nicht los: 1987 kehrte er nach Graz zurück. Er übernahm die Leitung des Spezialforschungsbereichs SFB Biomembranen in Graz, wurde 1998 ordentlicher Universitätsprofessor und Vorstand am Institut für Biochemie der Universität Graz. Von 2007 bis 2016 leitete er außerdem den Spezialforschungsbereich SFB LIPOTOX, an dem elf Forschungsgruppen von drei Grazer Universitäten mitarbeiten. Von 2004 bis ins Jahr 2013 war er Projektleiter des großen GEN-AU Konsortialprojektes „GOLD – Genomics of Lipid-associated Disorders“. Seit 2016 ist er Director des inter-universitäten Forschungsverbands BioTechMed-Graz.
2004 nahm ihn die Österreichische Akademie der Wissenschaften als korrespondierendes Mitglied auf, 2008 folgte die Aufnahme als wirkliches Mitglied. Bedeutende weitere Ehrungen umfassten beispielsweise den Wittgenstein Preis 2007 als wichtigsten Wissenschaftspreis Österreichs, einen ERC Advanced Award 2013, den Louis Jeantet Preis für Medizin 2015, den Rolf Luft Award der Karolinska Universität 2018 oder die Foreign Membership der National Academy of Sciences der Vereinigten Staaten von Amerika 2019. Die Begeisterung für sein Thema hat Rudolf Zechner nie verloren: „Mich fasziniert die Komplexität und Funktionalität biologischer Prozesse“, fasst er zusammen, „und ich hoffe, dass ich durch die Entdeckung grundlegender Mechanismen der Stoffwechselregulation dazu beitragen kann, neue Therapiemöglichkeiten zu entwickeln und damit Leiden zu lindern.“
Jung-Medaille in Gold 2024 für Grundlagenforschung in der Stoffwechselforschung
Sein Interesse an der Natur zeigt sich bei Rudolf Zechner in vielfältiger Weise: Wenn der emeritierte Universitätsprofessor am Institut für Molekulare Biowissenschaften der Universität Graz nicht gerade seiner aktuellen Rolle als Director von BioTechMed-Graz nachkommt, findet er Ausgleich beim Fliegenfischen, Wandern und Reisen oder beim Sammeln und Erforschen von Mineralien und der damit verbundenen Bergbaugeschichte. Neben den vielen Interessen darf aber natürlich auch die Familie nicht zu kurz kommen: Rudolf Zechner verwöhnt sie mit selbst gebackenen Broten und anderen leckeren Gerichten aus der heimischen Küche. „Ich hatte das große Glück, neben hervorragenden wissenschaftlichen ‚role models‘ auch eine Familie zu haben, die mich in meiner Forschung unterstützt hat“, resümiert er. „Mit der Jung-Medaille für Medizin in Gold verleiht mir die Jung-Stiftung nicht nur eine höchst sichtbare Anerkennung für unsere Entdeckungen in der medizinischen Grundlagenforschung – sie gibt mir außerdem die Möglichkeit, selbst zum Unterstützer zu werden und eine:n junge:n Kolleg:in zu fördern.“ Mit der Auszeichnung erhält Rudolph Zechner 30.000 Euro, die er als Stipendium an eine:n Nachwuchswissenschaftler:in seiner Wahl vergeben kann.
Die Jung-Stiftung engagiert sich seit 1975 für den Fortschritt der Humanmedizin. Mit ihren Preisen sowie verschiedenen Stipendien kommt die Stiftung so auf jährliche Förderungen im Wert von bis zu 650.000 Euro.