Erst flackert’s, dann kippt’s – Studie identifiziert Frühwarnsignale für das Ende der Afrikanischen Feuchtperiode
Kipppunkte des Klimasystems können am Ende einer langsamen, aber linearen Entwicklung stehen. Sie können aber ebenso von einem „Flackern“ begleitet werden, bei dem zwei stabile klimatische Zustände einander abwechseln, ehe es endgültig zu einem Übergang kommt – und das Klima dauerhaft kippt. Dies belegt die Studie eines Forschungsteams um den Potsdamer Geowissenschaftler Prof. Dr. Martin H. Trauth für das Ende der Afrikanischen Feuchtperiode und den Übergang zur heute typischen ausgeprägten Trockenheit.
Dafür werteten die Forschenden mehrere bis zu 280 Meter lange Sedimentkerne aus dem Chew-Bahir-Becken in Südäthiopien aus, an denen sich 620.000 Jahre ostafrikanischer Klimageschichte „ablesen“ lassen. Die Ergebnisse der Studie, die jetzt in „Nature Communications“ veröffentlicht wurden, zeigen, dass sich zum Ende der Afrikanischen Feuchtperiode über einen Zeitraum von rund 1.000 Jahren hinweg intensive Trocken- und Feuchtereignisse regelmäßig abwechselten, bevor sich das trockene Klima vor rund 5.000 Jahren durchsetzte. Ein besseres Verständnis der verschiedenen Kipppunkte und vor allem der für sie typischen Frühwarnsignale könnte für die weitere Erforschung und Modellierung des Klimawandels essenziell sein.
Der Übergang von der Afrikanischen Feuchtperiode (engl. African Humid Period, kurz AHP) zu trockenen Bedingungen in Nordafrika ist das deutlichste Beispiel für einen sogenannten Klimakipppunkt der jüngeren Erdgeschichte. Diese treten auf, wenn kleine Störungen eine große, nichtlineare Reaktion des Systems auslösen und das Klima in einen anderen zukünftigen Zustand versetzen, der im Allgemeinen mit dramatischen Folgen für die Biosphäre einhergeht. So auch in Nordafrika, wo die von Menschen bevorzugten Gras- und Waldlandschaften sowie Seen verschwanden, weshalb diese sich u.a. ins Gebirge, in Oasen und das Nildelta zurückzogen. Für die Forschung ist diese Entwicklung nicht zuletzt deshalb besonders relevant, weil sie ein eindrückliches Beispiel dafür ist, wie schnell und umfassend sich Klimaveränderungen auf menschliche Gesellschaften auswirken können.
In der Klimaforschung sind zwei Haupttypen von Kipppunkten bekannt: Beim ersten Typ werden Prozesse zunehmend langsamer und das Klima kann sich von Störungen schlechter erholen, bis es zu einem Übergang kommt. Der zweite Typ wird nahe dem Übergang von einem Flackern zwischen stabil feuchtem und trockenem Klima begleitet. „Die beiden Arten von Kipppunkten unterscheiden sich hinsichtlich der Frühwarnsignale, mit deren Hilfe sie zu erkennen sind“, erklärt Martin Trauth. „Diese zu erforschen und besser zu verstehen, ist wichtig, um mögliche zukünftige, vom Menschen verursachte Klimakipppunkte vorhersagen zu können. Während die Verlangsamung bei der ersten Art von Kipppunkten zu einer Abnahme der Variabilität, Autokorrelation und Schiefe führt, sorgt das Flackern bei der zweiten Art zu genau dem Gegenteil – und im Zweifelsfall dazu, dass der bevorstehende Kipppunkt nicht erkannt wird.“
In dem großangelegten Projekt, das von Martin Trauth gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen von den Universitäten Köln, Aberystwyth und Addis Ababa geleitet und unter anderem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanziert wird, analysieren die Forschenden Seesedimente, die mittels wissenschaftlicher Tiefbohrungen im Chew-Bahir-Becken, einem ehemaligen Süßwassersee, im östlichen Afrika gewonnen wurden. „Für die aktuelle Studie wurden sechs kürzere (9 bis 17 Meter) und zwei lange (292 Meter) Bohrkerne ausgewertet, mit denen sich die zurückliegenden 620.000 Jahre Klimageschichte der Region rekonstruieren lassen“, erklärt Dr. Verena Förster-Indenhuck von der Universität Köln.
„Am Ende der AHP beobachten wir in den kurzen Bohrkernen aus Chew Bahir mindestens 14 Trockenereignisse, die jeweils 20 bis 80 Jahre dauerten und im Abstand von 160±40 Jahren wiederkehrten“, so Trauth. „Später in der Übergangsphase, ab 6.000 vor unserer Zeit, traten zusätzlich zu den trockenen Ereignissen sieben feuchte Ereignisse auf, die ähnlich lang und häufig waren. Diese hochfrequenten Nass-Trocken-Extremereignisse stellen ein ausgeprägtes ‚Klima-Flackern‘ dar, das in Klimamodellen simuliert werden kann und auch bei früheren Klimaübergängen in der Umweltaufzeichnung von Chew Bahir zu beobachten ist. Das deutet darauf hin, dass Übergänge mit Flackern für diese Region charakteristisch sind.“
Dafür spricht ebenfalls, dass sehr ähnliche Übergänge auch in den älteren Abschnitten der Sedimentkerne zu finden sind. Vor allem der Wechsel von feuchtem zu trockenem Klima vor etwa 379.000 Jahren sieht wie eine perfekte Kopie des Übergangs am Ende der Afrikanischen Feuchtperiode aus. „Das ist deshalb interessant, weil dieser Übergang gleichsam naturbelassen ist, weil er zu einer Zeit auftritt, als der Einfluss des Menschen auf die Umwelt vernachlässigbar war“, meint Koautorin Prof. Stefanie Kaboth-Bahr von der Freien Universität Berlin. Vieles spricht also gegen eine Beschleunigung des Endes der AHP durch menschliche Aktivitäten, wie sie von amerikanischen Kollegen vorgeschlagen wurde. Umgekehrt hatte das Kippen des Klimas unbestritten Auswirkungen auf die Menschen in der Region: Die Spuren der Besiedlung des Niltals am Ende der Afrikanischen Feuchtperiode zieht jährlich Millionen von Touristen in die Regionen.
Die Studie im Internet:
Martin H. Trauth, Asfawossen Asrat, Markus L. Fischer, Peter O. Hopcroft, Verena Foerster, Stefanie Kaboth-Bahr, Karin Kindermann, Henry F. Lamb, Norbert Marwan, Mark A. Maslin, Frank Schaebitz, Paul J. Valdes, 2024, Early warning signals of the termination of the African Humid Period(s), Nature Communications, DOI: https://doi.org/10.1038/s41467-024-47921-1
Abbildungen:
Drill site 2A_credit_Verena_Foerster: Wissenschaftliche Tiefbohrung in Chew Bahir, Südäthiopien. Foto: Dr. Verena Förster-Indenhuck
Ethiopia_ChewBahir_2014_Dust Storm_credit_Verena_Foerster: Staubsturm auf der Oberfläche des abgelegenen Chew Bahir-Beckens, eine Salztonebene in Südäthiopien, in der Nähe der Bohrlokation des 620.000 Jahre umfassenden Chew Bahir Records. Foto: Dr. Verena Förster-Indenhuck
Kontakt: Martin H. Trauth, Professor für Paläoklimadynamik
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Originalpublikation:
https://doi.org/10.1038/s41467-024-47921-1