Mit Plasma hoch hinaus: Forschende setzen auf nachhaltige Landwirtschaft im urbanen Raum
Vertical-Farming-Projekt erweitert erfolgreiches Bündnis
Greifswald, 14. Mai 2024 – Mecklenburg-Vorpommern als bundesweiter Vorreiter: Für den Einsatz von Plasmatechnologien im Vertical Farming hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung einem weiteren Leitprojekt von PHYSICS FOR FOOD mehr als 520.000 Euro Fördermittel bewilligt.
Mit dem Start dieses neuen Leitprojektes „Physics for Sustainable Vertical Farming“ schlägt das Bündnis PHYSICS FOR FOOD ein weiteres Kapital auf: Denn im Hinblick einer stetig wachsenden Weltbevölkerung – die Zahl hat sich nach Angaben der Vereinten Nationen seit 1980 fast verdoppelt und liegt aktuell bei über 8 Milliarden Menschen – steigt der Bedarf an Lebensmitteln und Anbauflächen. Dabei sollen bis 2030 sogar 60 Prozent der Menschen in Städten wohnen, Tendenz steigend. Parallel nehmen extreme Wetterverhältnisse wie Hitze, Dürren und Überschwemmungen zu, die die Arbeit in der Landwirtschaft erschweren und Ernten gefährden. Hinzu kommen Vorschriften, die den Einsatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln stärker reglementieren bzw. gar verbieten. Daher gewinnen neue Anbaumethoden wie das Vertical Farming immer mehr an Bedeutung. In solchen Anlagen können Pflanzen unter kontrollierten Bedingungen und auf wenig Raum angebaut werden. Noch sind in der Weiterentwicklung der Systeme aber verschiedene Herausforderungen in Bezug auf Erhalt der Pflanzengesundheit und Ressourcenschonung zu bewältigen, für die Plasmatechnologien eine Lösung bieten können.
„Physics for Sustainable Vertical Farming“ – unter der Leitung von Prof. Dr. Jürgen F. Kolb vom Leibniz-Institut für Plasmaforschung & Technologie e.V. (INP) in Greifswald – bündelt dafür explizit die Erkenntnisse und Ergebnisse aus den laufenden Leitprojekten des Bündnisses PHYSICS FOR FOOD, das die Hochschule Neubrandenburg mit dem INP und Wirtschaftspartnern in insgesamt sieben Leitprojekten auf den Weg gebracht hat. Das Ziel: In der Landwirtschaft und bei agrartechnischen Produktionsprozessen soll weniger Chemie gebraucht bzw. die Umwelt dadurch weniger belastet werden. Es geht bei den innovativen Methoden um mehr Physik beim Klima- und Umweltschutz.
Im neuen Leitprojekt arbeiten die Forschenden dafür mit Plasmaverfahren, die sowohl beim Saatgut, bei den Pflanzen selbst wie auch für eine Wasserkreislaufführung eingesetzt werden sollen.
„Durch die Verwendung von plasmabehandeltem Saatgut kann gesundes und keimfähiges Saatgut gewährleistet werden, das ein gesundes Pflanzenwachstum ohne weitere Pflanzenschutzmittel bietet. Das Pflanzenwachstum kann durch mit Plasma behandeltem Wasser unterstützt werden, wobei auch bereits gefundenen Effekte zur Pflanzenstimulanz und Nährstoffzufuhr genutzt werden“, erläutert Prof. Dr. Jürgen F. Kolb vom INP. „Ebenso wird die Systemhygiene auch ohne Biozide in einer integrierten Wasserbehandlung möglich. Dadurch verringert sich außerdem der Frischwasserbedarf“, fügt er hinzu.
Die Vorteile einer Aufbereitung von Wasser durch eine Plasmabehandlung sind maßgebliche Resultate des Leitprojektes „Physics for Environment“ bzw. „Physics & Ecology“, in denen mit der Wasserbehandlung durch Plasma Verunreinigungen wirksam abgebaut werden, aber auch Stickstoff aus der Luft im Wasser gebunden und zur Nährstoffversorgung bereitstellt wird. Insgesamt wird dadurch die Infektion mit Pflanzenkrankheiten unterbunden, der Bedarf an zusätzlichem Dünger reduziert und es ergibt sich insgesamt die Möglichkeit einer nachhaltigen, ressourcenschonenden Kreislaufführung für die Bewässerung.
Der Vertical-Farming-Ansatz erlaubt einen von äußeren Verhältnissen unabhängigen Anbau, wodurch die experimentellen Möglichkeiten des Bündnisses erweitert werden. Innerhalb eines Jahres lassen sich mehrere Anbauzyklen realisieren. Freilandversuche hingegen sind auf eine Ernte beschränkt und dabei den jeweils in einem Anbaujahr vorherrschenden Bedingungen (Witterung, Niederschläge) unterworfen. Dagegen können in den Systemen des vertikalen Anbaus Umweltbedingungen kontrolliert und eingestellt und dadurch Stressbedingungen entweder vermieden oder gezielt untersucht werden.
Für dieses neue Leitprojekt wird in einen 40-Fuß-Schiffscontainer – eine realistische Größe für den Transfer in die Anwendung – eine komplexes Anlagensystem verbaut, das sich über 4 Etagen erstreckt. Zunächst sollen Rucola und Basilikum angebaut werden, wenngleich jede Etage unabhängig von den jeweils anderen betrieben werden kann. Dadurch lassen sich um ein Vielfaches mehr an Ergebnissen generieren und schnellere Lösungsansätze realisieren.
Über PHYSICS FOR FOOD
Die Hochschule Neubrandenburg, das Leibniz-Institut für Plasmaforschung und Technologie e.V. (INP) und Wirtschaftsunternehmen starteten im Jahr 2018 das Projekt ‚PHYSICS FOR FOOD – EINE REGION DENKT UM!‘. Das Bündnis entwickelt seitdem gemeinsam mit zahlreichen weiteren Partnern neue physikalische Technologien für die Landwirtschaft und Lebensmittelverarbeitung. Dabei kommen Atmosphärendruck-Plasma, gepulste elektrische Felder und UV-Licht zum Einsatz. Ziel ist es, Agrarrohstoffe zu optimieren und Schadstoffe in der Lebensmittelproduktion zu verringern, chemische Mittel im Saatgut-Schutz zu reduzieren und die Pflanzen gegenüber den Folgen des Klimawandels zu stärken. Es wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen der Initiative ‚WIR! – Wandel durch Innovation in der Region‘ gefördert (Förderkennzeichen 03WIR2810).
Weitere Informationen:
http://www.physicsforfood.org