Arbeitsmigration nachhaltig gestalten: Forschungsteam der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg präsentiert Lösungen
Deutschland sucht Fachkräfte. Und Fachkräfte aus dem Ausland suchen nach geeigneten Arbeitsstellen. Es könnte also ganz einfach sein. Warum es das nicht ist, damit hat sich ein Forschungsteam der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg (H-BRS) beschäftigt. Die Forschenden untersuchten dazu verschiedene Projekte geregelter Arbeitsmigration. Ihr Fazit: Es gibt gute Ansätze, aber auch erheblichen Optimierungsbedarf mit Blick auf die Bedürfnisse von Unternehmen, potenziellen Einwanderern und ihren Herkunftsländern. Zum Abschluss des Forschungsprojekts stellen sie nun ihre Ergebnisse in Berlin Vertretern aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft vor.
Wann gilt eine Migrationsgeschichte als Erfolg? Mit dieser Frage haben sich die Forschenden aus dem Fachbereich Sozialpolitik der H-BRS im Projekt „Nachhaltige Arbeitsmigration“ beschäftigt. Das Team führte dazu Interviews mit verschiedenen Akteuren, die in internationalen Pilotprojekten in Georgien, Vietnam und Kosovo organisiert waren: mit Migranten, Unternehmensvertretern sowie staatlichen Akteuren aus Deutschland und den jeweiligen Herkunftsländern. Das Ergebnis: „Wenn sich alle Partner über die Ausgestaltung des Migrationsprozesses einig sind, die Kosten und Nutzen fair verteilt sind und die Modalitäten vertraglich festgehalten werden, sprechen wir von gelungener oder auch nachhaltiger Migration”, sagt Professor Michael Sauer, Projektleiter an der Hochschule.
Damit dieses Ziel erreicht werden könne, reiche es nicht aus, nur auf die wirtschaftlichen Bedürfnisse des Ziellands zu schauen. Stattdessen sollten die Interessen und Ziele der Migrantinnen und Migranten sowie deren Herkunftsländer stärker als bisher berücksichtigt werden. Davon profitierten am Ende alle Beteiligten, ist sich Sauer sicher: „Wir haben mit vielen Migrantinnen und Migranten gesprochen. Die meisten wollen gerne langfristig in Deutschland bleiben und arbeiten. Viele können sich aber auch vorstellen, für eine bestimmte Zeit in ihr Heimatland zurückzukehren und dort etwas zurückzugeben, etwa in der beruflichen Weiterbildung. Solche Lösungen sind aber zurzeit politisch wenig opportun“, so der Wissenschaftler.
In vielen Bereichen gehe es zumeist in erster Linie darum, möglichst schnell viele Fachkräfte anzuwerben und diese so lange wie möglich in Deutschland zu halten. Doch auf lange Sicht sei nur ein Bekenntnis zu einer ethischen Form der Rekrutierung wirklich nachhaltig, auch für das Zielland. Dies sei vergleichbar mit einer Regel aus der Forstwirtschaft, nach der man nicht mehr Bäume aus dem Wald entnehmen dürfe, als nachgepflanzt werden können. „Auf die Migration übertragen heißt das, wir dürfen nur so viele Fachkräfte aus einem Land rekrutieren, dass dort keine wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Schäden entstehen“, so Sauer. Idealerweise ließen sich positive Effekte für die Herkunftsländer generieren, so dass sich Migration auch für diese auszahlt. Sauer plädiert dafür, bestehende Potenziale zu erkennen und zu nutzen. So sei es wichtig, Erkenntnisse aus erfolgreichen Pilotprojekten strukturell zu verankern. Drei solcher Leuchtturmprojekte hatten die Forschenden bei ihrer Arbeit in den Fokus genommen. Außerdem gelte es, bereits etablierte Werkzeuge weiterzuentwickeln. So definiert das Siegel „Faire Anwerbung Pflege Deutschland“ konkrete Standards für die Anwerbung von Pflegekräften aus Nicht-EU-Staaten. Bislang können allerdings nur deutsche Organisationen im Gesundheitswesen zertifiziert werden, Personalvermittler aus den Herkunftsländern bleiben ebenso außen vor wie Personalvermittler aus anderen Sektoren, wie zum Beispiel aus dem Handwerk.
Am Ende müsse sich Deutschland entscheiden, welche Signale es an ausländische Fachkräfte mit seiner Migrationspolitik senden möchte. „Der Fachkräftemangel ist kein deutsches Problem, wir stehen in Konkurrenz zu anderen Ländern. Wenn wir potenziellen Arbeitsmigrantinnen und -migranten zeigen, dass wir sie wertschätzen und ihnen faire Chancen bieten, kann das ein Wettbewerbsvorteil sein“, sagt Sauer.
Am 21. Mai präsentiert der Forscher die Ergebnisse des Projekts auf der Abschlusskonferenz der Denkfabrik für transnationale Skills Partnerships vor Vertretern aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft. Im Publikum wird auch Entwicklungsministerin Svenja Schulze sitzen, wenn Professor Michael Sauer für eine nachhaltigere Arbeitsmigration wirbt.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Prof. Dr. Michael Sauer
Fachbereich Sozialpolitik und Soziale Sicherung
E-Mail: michael.sauer@h-brs.de
Telefon: 02241/865-313