IPK-Forschungsteam deckt bisher unbekannten Mechanismus der Ährenbildung bei Gerste auf
Die Architektur der Blütenstände und die Produktivität der Pflanzen sind bei unseren wichtigsten Getreidearten oft eng miteinander verknüpft. Die genetischen Mechanismen, die die Entwicklung von Getreideblütenständen steuern, sind jedoch noch wenig bekannt. Ein internationales Forscherteam unter Leitung des IPK-Leibniz-Instituts hat nun einen Mechanismus aufgedeckt, durch den Entwicklungssignale, die von den Meristemgrenzen ausgehen, die Ährchenentwicklung regulieren und die Blütenstandsarchitektur bei Gerste sicherstellen. Die Ergebnisse wurden in der renommierten Fachzeitschrift „Current Biology“ veröffentlicht.
Die Architektur der Blütenstände von Kulturpflanzen wie Gerste wird hauptsächlich durch zwei Faktoren bestimmt: Meristemaktivität und Differenzierung. Beide spielen eine entscheidende Rolle bei der Bestimmung der Anzahl der Blütenstrukturen für die Getreideproduktion. Ährchen sind die grundlegenden reproduktiven Einheiten von Gräserblütenständen (Infloreszenzen). Zellidentität und Differenzierung vieler Gräsermeristeme werden zum Teil durch eine Gruppe von Proteinen bestimmt, die an den Organgrenzen exprimiert werden und lokale Signalzentren bilden können. Diese wiederum regulieren die Aktivität benachbarter Meristeme.
Die Expression der entsprechenden Gene ist für die Bildung und den Erhalt von Organen von entscheidender Bedeutung. Dabei regulieren Proteine verschiedene Zellidentitäten, die Initiierung von Meristemen und die korrekte Entwicklung benachbarter Organe und Gewebe.
In ihrer aktuellen Studie charakterisierte das internationale Forschungsteam eine Mutante der Gerstenähre, extra floret-a (flo.a). flo.a produziert zusätzliche Ährchen und veränderte Hüllspelzen aufgrund fehlerhafter und damit durchlässiger Organgrenzen. Diese trennen Meristeme von sich entwickelnden Organen wie dem Blütenstandsmeristem und den sich entwickelnden Ährchenprimordien.
Das Gen HvALOG1 spielt eine entscheidende Rolle bei der Aufrechterhaltung der Blütenstandsarchitektur von Gerste. Einerseits ist das an der Organgrenze lokalisierte Protein mit Signalen assoziiert, die eine korrekte Entwicklung des Ährenmeristems ermöglichen (d.h. nicht zellautonom); andererseits steuert es die Grenzbildung zwischen den Blütenorganen (autonom). „Wir zeigen, dass Mutationen in HvALOG1 zur Bildung zusätzlicher Ährchen führen und mit der Verschmelzung von Blütenorganen verbunden sind, die aus der durchlässigen Grenzbildung resultieren“, sagt Guojing Jiang, Erstautor der Studie.
„Unsere Studie liefert neue Einblicke in die Funktion von Mitgliedern der ALOG-Proteinfamilie bei der Regulierung der Meristemaktivität und der Entwicklung der Blütenstände in Gerste“, sagt Prof. Dr. Thorsten Schnurbusch, Leiter der Arbeitsgruppe „Pflanzliche Baupläne“ am IPK. „Diese Ergebnisse können zu unserem Verständnis der molekularen Mechanismen beitragen, die der Entwicklung von Gräserblütenständen zugrunde liegen, und könnten Auswirkungen auf die Verbesserung von Kulturpflanzen haben.“
Die Identifizierung des gleichen Weizengens ALOG-1 und seine Funktion während der Ährchenentwicklung wurde in dem parallel veröffentlichten Artikel von Gauley et al. beschrieben. Dieses Forschungsteam zeigte dabei auch, dass Weizen ALOG-1 nicht im Ährchenmeristem exprimiert wird, aber in der Mutante zusätzliche Ährchen produziert. Dies deckst sich mit dem bei Gerste beobachteten Effekt. „Unsere gemeinsamen Ergebnisse zeigen einen wichtigen und konservierten Mechanismus von ALOG1 bei der Differenzierung der Ährchenbildung und der Aufrechterhaltung des charakteristischen ährenartigen Blütenstandes von Getreide in Triticeaen-Gräsern“, so Prof. Dr. Thorsten Schnurbusch.
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Originalpublikation:
Jiang et al. (2024): Non-cell Autonomous Signaling Associated with Barley ALOG1 Specifies Spikelet Meristem Determinacy. Current Biology. DOI: 10.1016/j.cub.2024.04.083