Auf dem Weg zur präzisesten Karte unseres Universums
Die Beobachtungen des Euclid-Teleskops zeigen die Entdeckung frei schwebender, neu entstandener Planeten, einer neuen Zwerggalaxie und vieles mehr. RWTH-Physiker sind an dem Projekt beteiligt.
Das Euclid-Konsortium veröffentlicht heute die ersten wissenschaftliche Arbeiten, die auf Beobachtungen des Euclid-Teleskops basieren. Forschende des Euclid-Konsortiums beobachteten und analysierten während der Early Release-Observationsphase eine Reihe wissenschaftlich interessanter Ziele. Sie geben einen Einblick in das beispiellose Potenzial des Teleskops, das die Aufgabe hat, die umfassendste und genaueste Karte unseres Universums zu erschaffen. An dem Großprojekt sind Professor Julien Lesgourgues und Dr. Santiago Casas vom Lehrstuhl für Theoretische Astroteilchenphysik und Kosmologie und Institut für Theoretische Teilchenphysik und Kosmologie (TTK) der RWTH Aachen beteiligt.
„Diese erste beeindruckende Veröffentlichung von Euclid-Bildern bestätigt, dass die Mission in den kommenden Jahren in der Lage sein wird, eines ihrer Hauptziele zu erreichen: einen riesigen Katalog von Bildern von etwa einer Milliarde Galaxien erstellen – der größten Galaxienbildkatalog, der jemals kreiert wurde. Mit einem solchen Katalog werden wir in der Lage sein, den detaillierten Entstehungsprozess großer Strukturen unseres Universums – zum Beispiel Galaxienhaufen, kosmische Filamente und riesige Leerräume – während der letzten Milliarden Jahre zu verstehen“, erklärt Professor Lesgourgues.
Einsichten in die Verteilung der dunklen Materie – und vieles mehr
Zehn wissenschaftliche Publikationen präsentieren nun spannende Ergebnisse zur Entdeckung frei schwebender, neu entstandener Planeten sowie neuer Zwerggalaxien und Galaxien mit geringer Oberflächenhelligkeit, zur Population von Kugelsternhaufen in der Nähe von Galaxien, zur Verteilung der dunklen Materie und des Lichts in Galaxienhaufen oder zu sogenannten gelinsten Galaxien mit hoher Rotverschiebung (high-redshift magnified lensed galaxies). Ebenso veröffentlicht das Konsortium heute weitere technische Informationen zur Mission, die die herausragenden Fähigkeiten von Euclid bestätigen sollen.
„Für mich als theoretischen Kosmologen ist es besonders spannend, dass wir nun in der Lage sein sollten, die Masse der leichtesten bekannten Teilchen, der Neutrinos, zu bestimmen und die Eigenschaften der beiden geheimnisvollsten Bestandteile des Universums, der dunklen Materie und der dunklen Energie, besser zu verstehen. Tatsächlich sind Neutrinos, dunkle Materie und dunkle Energie im Universum sehr häufig, und ihre Eigenschaften – wie eben die Masse von Neutrinos – bestimmen die Art und Weise, wie sich diese großen Strukturen bilden“, erläutert Lesgourgues. „Um die Masse von Neutrinos oder die Eigenschaften von dunkler Materie und dunkler Energie zu bestimmen, müssen wir die realen Daten mit vielen Computersimulationen des Universums vergleichen, die unter verschiedenen Annahmen durchgeführt wurden.“
Simulationen spielen für die Forschungsgruppe Kosmologie der RWTH Aachen eine wichtige Rolle. Die Aachener Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler entwickeln Simulationscodes und stellen diese der internationalen Forschungsgemeinde zur Verfügung. Sie zeigen, wie das großräumige Universum unter anderem von den Eigenschaften der Neutrinos, der dunklen Materie und der dunklen Energie abhängt.
„Diese Instrumente werden eine wesentliche Rolle beim Vergleich zwischen den kosmologischen Modellen und den Beobachtungen von Euclid spielen. Wir haben uns seit vielen Jahren auf die Analyse der Euclid-Daten vorbereitet und freuen uns sehr darüber, dass die Satelliteninstrumente so gut funktionieren wie erwartet“, fügt Dr. Santiago Casas hinzu. „Unsere Arbeit konzentriert sich auf die Bayes'sche Parameterschätzung, bei der wir hochentwickelte statistische Methoden einsetzen, um die Parameter unseres Modells an die Beobachtungsdaten anzupassen. Diese Methoden sind sehr rechenintensiv, so dass wir für Teile dieser Berechnungen auf das RWTH High Performance Computing Cluster zurückgreifen. Indem wir verschiedene Szenarien simulieren und unterschiedliche Annahmen untersuchen, prognostizieren wir die Leistungsfähigkeit der Euclid-Mission bei der Messung der kosmologischen Parameter unseres Universums, wie z.B. die Häufigkeit von dunkler Materie und dunkler Energie. An der RWTH Aachen haben wir zwei in der kosmologischen Gemeinschaft weithin anerkannte Codes entwickelt – CLASS und MontePython – die erheblich dazu beitragen, diese Analysen zu ermöglichen.“
Das Euclid-Konsortium
In Zusammenarbeit mit der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) ist das Euclid-Konsortium für die Durchführung der Mission verantwortlich. Das Konsortium hat die Mission des Weltraumteleskops Euclid geplant und die benötigten Instrumente gebaut. Ziel der Mission ist es, den extragalaktischen Himmel über einen Zeitraum von sechs Jahren zu kartieren und Daten zu liefern, die neue Erkenntnisse über dunkle Energie und dunkle Materie ermöglichen. Das Teleskop wurde am 1. Juli 2023 ins All gestartet und begann am 14. Februar 2024 mit der Durchmusterung des Himmels. Das Euclid-Konsortium umfasst mehr als 2.600 Mitglieder, darunter über 1.000 Forscher aus mehr als 300 Forschungseinrichtungen in 15 europäischen Ländern sowie Kanada, Japan und den Vereinigten Staaten. Die beteiligten Institute und Labore decken die verschiedenen Bereiche der Astrophysik, Kosmologie, theoretischen Physik und Teilchenphysik ab. Heute können die Arbeiten des Konsortiums durch eine erste Reihe von Publikationen nachgewiesen werden.
Während der ersten Monate von Euclid im Weltraum wurde ein Early Release-Observationsprogramm durchgeführt, das einen ersten Blick auf die Tiefe und Vielfalt der durch Euclid ermöglichten Forschung erlaubt. Hierzu nahm das Teleskop für einen Zeitraum von 24 Stunden ausgewählte Ziele in den Blick, um eindrucksvolle Bilder zu erstellen, die gleichzeitig wertvolle Erkenntnisse für die Wissenschaft liefern. Fünf dieser Bilder wurden im November 2023 veröffentlicht. Weitere fünf Bilder werden heute von der ESA publiziert. Die wissenschaftlichen Arbeiten, die einem internen Peer-Review-Prozess unterliegen, sind bei Euclid Consortium Publications erhältlich und werden als Vorabveröffentlichungen auf ArXiv erscheinen. Die Bilder und der so genannte Science-Ready Catalog stehen bei der ESA zum Download bereit.