Unternehmensgründungsgeschehen auf neuem Tiefstand
Die Zahl der Unternehmensgründungen in Deutschland ist im Jahr 2022 im Vergleich zum Vorjahr um 13 Prozent zurückgegangen. Das verarbeitende Gewerbe bricht sogar um 16 Prozent ein. Besorgniserregend sind die Werte zudem in forschungsintensiven Branchen wie Chemie, Pharmaindustrie oder Medizintechnik. Zu diesem Ergebnis kommt eine Auswertung des IAB/ZEW-Gründungspanels durch Forschende des ZEW Mannheim anhand einer repräsentativen Befragung von insgesamt rund 5.000 jungen Unternehmen.
„Nicht nur die Anzahl der innovierenden Unternehmen hat abgenommen. Auch die Innovationsprojekte der untersuchten Unternehmen sind weniger effektiv geworden: Bei gleichem Aufwand werden weniger Innovationen entwickelt“, erklärt Dr. Sandra Gottschalk, Wissenschaftlerin im ZEW-Forschungsbereich „Innovationsökonomik und Unternehmensdynamik“. „Insbesondere bei jungen Unternehmen im verarbeitenden Gewerbe zeigt sich ein Abwärtstrend hinsichtlich des Innovationsgeschehens“, ergänzt Elisa Rodepeter, Wissenschaftlerin im ZEW-Forschungsbereich „Innovationsökonomik und Unternehmensdynamik“.
Marktneuheiten werden seltener eingeführt
Während 2018 noch 25 Prozent der jungen Unternehmen im verarbeitenden Gewerbe Marktneuheiten einführten, waren es 2022 nur noch 21 Prozent. Auch die jungen Unternehmen in technologieintensiven Dienstleistungen und in der Softwareentwicklung haben im gleichen Zeitraum an Innovationskraft verloren. Bei ihnen sank der Anteil der Unternehmen mit Marktneuheiten von 19 auf 15 Prozent. Bei allen jungen Unternehmen ist dieser Trend weniger stark ausgeprägt, aber auch hier sinkt der Anteil von 11 Prozent im Jahr 2018 auf 9 Prozent im Jahr 2022.
Verarbeitendes Gewerbe: Weniger Beschäftigung und Investition
Im verarbeitenden Gewerbe wurden 2022 rund 47.000 vollzeitäquivalente Beschäftigtenstellen geschaffen. Zur Hochzeit im Jahr 2017 waren es noch gut 65.000 – eine Abnahme von 28 Prozent. Der Dienstleistungssektor konnte hingegen zulegen. Ein ähnliches Bild zeichnet sich bei den Investitionen ab, denn der Dienstleistungssektor legt im Zeittrend deutlich zu. Die Dynamik im verarbeitenden Gewerbe geht in eine gegenläufige Richtung, die Investitionsausgaben junger Unternehmen sind deutlich zurückgegangen. Im Jahr 2017 wurden 1,3 Milliarden Euro investiert, 2022 waren es nur noch 873 Millionen Euro. Auch der Anteil der Investitionsausgaben am Gesamtwert aller jungen Unternehmen ist im verarbeitenden Gewerbe auf nunmehr 11 Prozent gesunken.
Betrachtet man das Gründungsgeschehen, die Beschäftigungsentwicklung und die Investitionssummen zusammen, so wird deutlich, dass sich die Wirtschaftsstruktur junger Unternehmen kontinuierlich in Richtung Dienstleistungssektor entwickelt. Verstärkt wird dieser Prozess durch die aktuelle Wirtschaftskrise, die insbesondere im produzierenden Gewerbe durch hohe Energiekosten, Lieferkettenunterbrechungen und einen hohen Innovationsdruck gekennzeichnet ist.
Über das IAB/ZEW-Gründungspanel
Das IAB/ZEW-Gründungspanel ist eine für Deutschland repräsentative Stichprobe, die Informationen über Gründungen und junge Unternehmen in Deutschland beinhaltet. Die Daten sind geeignet, um Struktur und Entwicklung junger Unternehmen zu beschreiben und zu analysieren. Durch seinen Umfang und dem Detailgrad an Informationen stellt das IAB/ZEW-Gründungspanel eine einzigartige Datenquelle dar und es wurde bereits in einer Vielzahl von Veröffentlichungen und Projekten eingesetzt, um Hintergrundinformationen zur Geschäftssituation und Dynamik junger Unternehmen und für die Entwicklung von Förderinstrumenten für Gründungen in Deutschland bereitzustellen.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Dr. Sandra Gottschalk
Wissenschaftlerin im Forschungsbereich „Innovationsökonomik und Unternehmensdynamik“
Telefon +49 (0)621 1235-267
E-Mail sandra.gottschalk@zew.de
Originalpublikation:
https://ftp.zew.de/pub/zew-docs/gruendungspanel/IAB_ZEW_Gruendungspanel_2023.pdf