Vorstellung des Buches: „Anthroposophie und Nationalsozialismus. Die anthroposophische Ärzteschaft“
Berlin, 23. Mai 2024 - In der einzigartigen Atmosphäre der konservierten Hörsaalruine des Berliner Medizinhistorischen Museums der Charité beleuchtete eine Buchvorstellung mit anschließendem Podiumsgespräch ein bisher wenig bekanntes Kapitel der Medizingeschichte.
Kürzlich hat der renommierte Schwabe Verlag ein Werk veröffentlicht, das einen fundierten Einblick in die Geschichte der anthroposophischen Ärzteschaft während der Zeit des Nationalsozialismus ermöglicht. Das Buch mit dem Titel „Anthroposophie und Nationalsozialismus. Die anthroposophische Ärzteschaft“ beleuchtet die komplexen Dynamiken, mit denen die Ärzteschaft innerhalb des Gesundheitssystems des nationalsozialistischen Regimes konfrontiert war. Bei dem hier präsentierten Buch handelt es sich um den ersten Band einer dreibändigen Buchreihe. Band zwei und drei werden bis Ende 2025 erscheinen und gleichsam die Studie und das Projekt abschließen.
Verfasst wurde dieses Werk nach acht Jahren intensiver Forschung von Professor Dr. med. Peter Selg der Historikerin Susanne H. Gross und dem Historiker Matthias Mochner. Es bietet eine detaillierte und auf Quellen basierende Analyse, die nicht nur auf bereits veröffentlichtem Material beruht, sondern auch auf der Auswertung von Hunderten von Akten aus Duzenden Archiven. Die Recherche erfolgte mit Beratung von zwei Medizinhistorikern der Charité, Prof. Dr. Thomas Beddies und Prof. Dr. med. Heinz-Peter Schmiedebach. Sowohl die Durchführung der umfangreichen Untersuchungen als auch die teilweise überraschenden Ergebnisse wurden mit diesen diskutiert.
Das Buch zeigt die Vorgeschichte der Anthroposophischen Medizin ab 1920 sowie die Reaktionen der anthroposophischen Bewegung auf die Machtübernahme der Nationalsozialisten auf. Es wirft einen Blick auf das Verhalten des NS-Regimes gegenüber der Anthroposophischen Gesellschaft, einzelnen Berufsgruppen und Institutionen. Insbesondere wird das Verhalten der anthroposophischen Ärzteschaft in Deutschland untersucht, einschließlich ihrer Eingliederung in die "Reichsarbeitsgemeinschaft für eine Neue Deutsche Heilkunde". Die Prozentraten der Mitgliedschaften in NS-Organisationen lagen für die anthroposophische Ärzteschaft weit unter dem Durchschnitt der deutschen Ärzt:innen. Für die NSDAP z.B. betrug sie 10 Prozent, hingegen waren in der allgemeinen deutschen Ärzteschaft über 40 Prozent NSDAP-Mitglieder. Aber auch in dieser kleinen Gruppe kam es zu schwerwiegenden Verfehlungen, die detailliert beschrieben werden.
Die differenzierte Betrachtung der Jahre 1933 bis 1945 zeigt alle Schattierungen zwischen Kollaboration und Widerstand auf. Am Ende der Studie geht es um die dramatischen Fluchtwege anthroposophischer Ärzt:innen jüdischer Herkunft. "Anthroposophie und Nationalsozialismus – Die anthroposophische Ärzteschaft" bietet eine aufschlussreiche Analyse, welche die Komplexität der historischen Realität einfängt. Es ist ein wichtiges Werk für Historiker:innen, Mediziner:innen und all jene, die sich für die Geschichte der Medizin und Ethik interessieren.
Die Präsentation
Die Präsentation des Buches fand am 23. Mai 2024 im Rahmen einer Veranstaltung im Medizinhistorischen Museum der Charité statt. Das Werk wurde in Anwesenheit von Medienvertreter:innen der Fach- und Publikumspresse sowie Gästen vorgestellt. Zu Beginn hielt Peter Selg einen Vortrag zur Methodik und den wesentlichen Ergebnissen der Studie, danach gab es ein Podiumsgespräch. Peter Selg, sowie Thomas Beddies, Dr. Astrid Ley (stellvertretende Leiterin der Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen) und Prof. Dr. med. Florian Bruns (Direktor des Instituts für Geschichte der Medizin an der Medizinischen Fakultät der Technischen Universität Dresden) diskutierten auf dem Podium die Untersuchungsergebnisse und ihren Beitrag zur Erforschung der NS-Medizin. Bedauerlicherweise musste Prof. Schmiedebach aufgrund von Krankheit absagen. Nachdem die spannenden Fragen aus dem Publikum durch die Expert:innen beantwortet waren, wurde die Veranstaltung beendet. Die bekannte Medizinjournalistin Sybille Seitz moderierte die gesamte Veranstaltung.
Stiftungen halfen bei Finanzierung der Forschung
Die Unterstützung einer Reihe von Fördernden ermöglichte das Forschungsprojekt. Die Mahle-Stiftung, die Software AG – Stiftung, die Christophorus Stiftung, die Hauschka-Stiftung, der Rudolf Steiner Fonds für wissenschaftliche Forschung und eine Einzelperson trugen dazu bei, die Studie und die Publikation des Werkes zu finanzieren und so ein weiteres Kapitel der NS-Medizingeschichte aufzuarbeiten.
Das Buch
Peter Selg, Susanne H. Gross, Matthias Mochner / Anthroposophie und Nationalsozialismus / Die anthroposophische Ärzteschaft / Schwabe Verlag Basel Berlin 2024 / ISBN 978-3-7965-5028-7 / Auch als E-Book erhältlich
Pressekontakt
Michael Kyriakopoulos
Dachverband Anthroposophische Medizin in Deutschland e.V. (DAMiD)
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F: +49-30-97 89 38 69
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Der DAMiD repräsentiert die Anthroposophische Medizin in allen gesellschaftlichen Bereichen des deutschen Gesundheitswesens. Als Dachorganisation vertritt der Verband die übergeordneten Belange und Interessen seiner Mitglieder. Mitgliedsorganisationen sind Berufsverbände, Klinikverband, gemeinnützige Altenhilfe sowie Behindertenhilfe und die Hersteller Anthroposophischer Arzneimittel als Fördermitglieder.