Nachwuchswissenschaftspreise am Beutenberg Campus verliehen
Wirkstoffsuche in fossilen Überresten von Neandertalern und Forschung an Ameisenpflanzen im peruanischen Dschungel ausgezeichnet
Einmal jährlich werden am Beutenberg Campus Jena die besten Nachwuchswissenschaftler:innen mit dem Wissenschaftspreis für Lebenswissenschaften und Physik des Beutenberg-Campus Jena e.V. ausgezeichnet. Als bester Nachwuchswissenschaftler des Beutenbergs wurde in diesem Jahr Martin Klapper vom Leibniz- Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – Hans-Knöll- Institut geehrt. Gewürdigt wurde damit vor allem seine Mitwirkung an der Entdeckung der Paläofurane, die einst von steinzeitlichen Mundhöhlenbakterien gebildet wurden.
Die Ehrung für die beste Dissertation des Beutenbergs erhielt Andrea Müller vom Max-Planck- Institut für chemische Ökologie. Sie zeigte in Experimenten, dass sich die Ameisenpflanze Tococa quadrialata bei der Verteidigung gegen Feinde nicht allein auf symbiotische Ameisen verlässt. Die mit jeweils
1.000 Euro dotierten Preise wurden im Rahmen der öffentlichen Vortragsreihe „Noble Gespräche“ vom Vorsitzenden des Vereins, Prof. Dr. Peter F. Zipfel, verliehen.
Auf der Suche nach neuen Wirkstoffen, die zum Beispiel als Antibiotika dringend gebraucht werden, stoßen Forschende in immer neue Regionen vor. Bisher vor allem räumlich, indem sie bisher kaum untersuchte Lebensgemeinschaften und Habitate nach Organismen durchforsten, die neue Stoffe mit interessanten Eigenschaften bilden. Martin Klapper wagte sich als Postdoktorand in einem Team des Leibniz-Instituts für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – Hans-Knöll-Institut (Leibniz-HKI) in die zeitliche Dimension vor. So stießen die Forschenden im Zahnstein fossiler Überreste von Neandertalern und Menschen auf DNA-Bruchstücke, die auf die Biosynthese von Naturstoffen hindeuteten. Mit ausgefeilten bioinformatischen Methoden setzten sie diese Schnipsel wieder zu ganzen Genclustern zusammen und übertrugen sie in moderne Laborbakterien. Mit dieser steinzeitlichen genetischen Information ausgestattet, bildeten die Bakterien schließlich eine neue Substanzfamilie – die Paläofurane.
Dieser international stark beachtete Forschungserfolg ist der Kooperation von Forschenden aus Archäologie, Bioinformatik, Molekularbiologie und Chemie zu verdanken. Koordiniert von Martin Klapper, hat das Team technologische und disziplinäre Barrieren überwunden und wissenschaftliches Neuland betreten. Möglich wurde dies durch die großzügige Förderung der von Pierre Stallforth geleiteten Abteilung Paläobiotechnologie am Leibniz-HKI durch die Werner Siemens-Stiftung. Der Chemiker arbeitet eng mit der Archäogenetikerin Christina Warinner zusammen, sie ist Associate Professor an der Harvard University und Gruppenleiterin am Max- Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie. Weitere Unterstützung kam von der Max-Planck-Gesellschaft, der Leibniz-Gemeinschaft und der Deutschen Forschungsgemeinschaft im Rahmen des Exzellenzclusters Balance of the Microverse und des Sonder- forschungsbereichs ChemBioSys.
In diesem inspirierenden Umfeld konnte Martin Klapper seine wissenschaftliche Neugier und Kreativität sowie sein Organisationstalent voll entfalten. So hielt er die Fäden des komplexen Projektes zusammen, leistete selbst unermüdlich Laborarbeit und trug alle Daten zu einer Publikation zusammen, die im Fachjournal Science erschien und von zahlreichen internationalen Medien aufgegriffen wurde.
Mit seinen 34 Jahren hat Martin Klapper bereits eine beachtliche Liste von Publikationen in renommierten Journalen vorzuweisen, davon allein fünf Originalarbeiten als Erstautor, so auch bei der Science-Studie. Die Preisverleihung fand im feierlichen Rahmen der
„Noblen Gespräche“ am Beutenberg-Campus statt, bei der diesmal Martin Lohse, einer der führenden deutschen Pharmakologen und Toxikologen über „Arzneimittel für morgen“ referierte.
Andrea Müller vom Max-Planck-Institut für chemische Ökologie erhielt den Beutenberg-Campus-Preis für die beste Doktorarbeit.
Andrea Müllers Promotionsobjekt war die Ameisenpflanze Tococa quadrialata, die in einer engen symbiotischen Gemeinschaft mit Ameisen lebt. Beide Symbiosepartner, Pflanze und Ameise, profitieren vom Zusammenleben: Während Ameisen die Pflanze gegen Angreifer verteidigen, bietet die Pflanze den kleinen Insekten
Wohnraum und Nahrung. Andrea Müller wollte herausfinden, ob diese Pflanzen auch eigene, von den Ameisen unabhängige Verteidigungsstrategien einsetzen, oder ob diese durch die Symbiose mit den Ameisen überflüssig geworden sind. Diese Fragestellung untersuchte sie nicht nur im Labor, sondern auch direkt dort, wo die Tococa-Pflanzen in ihrem natürlichen Lebensraum wachsen: im Dschungel des Amazonastieflands im Südosten Perus.
In ihren Experimenten zur Verteidigungsstrategie von Tococa- Pflanzen konnte sie zeigen, dass Ameisenpflanzen doppelt von der Symbiose mit Ameisen profitieren: durch den Schutz, den die Ameisen bieten, und durch den Nahrungsabfall und die Ausscheidungen von Ameisen, die sich positiv auf den pflanzlichen Stoffwechsel auswirken. Trotz der Symbiose mit den Ameisen, die für die Pflanzen die Rolle der Bodyguards übernommen haben, hat die untersuchte Art Tococa quadrialata im Laufe der Evolution die Fähigkeit, eigene Abwehrmechanismen zu aktivieren, nicht verloren, auch wenn sie weniger wirkungsvoll sind als die Verteidigung durch die Ameisen. Andrea Müller entdeckte, dass zwei spezielle pflanzliche Abwehrstoffe in von Raupen angefressenen Blättern der Tococa-Pflanzen häufig vorkommen: Phenylacetaldoxim (PAOx) und das dazugehörige Glukosid (PAOx-Glc). Sie beschrieb nicht nur erstmals das bislang unbekannte PAOx-Glc und klärte seinen Biosyntheseweg auf, sie konnte auch seine biologische Funktion als Abwehrstoff, der überraschenderweise auch in vielen anderen Pflanzenarten vorkommt, entschlüsseln.
Im letzten Jahr schloss Andrea Müller ihre Promotion schließlich sehr erfolgreich ab. Die Arbeit über die physiologischen und phytochemischen Aspekte einer Symbiose zwischen Ameisen und Pflanzen (Originaltitel „Physiological and phytochemical aspects of ant-plant mutualism“) wurde mit „summa cum laude“ bewertet. Am
30. Mai 2024 wurde sie als beste Doktorarbeit mit dem Beutenberg- Campus-Preis ausgezeichnet. Unter dem Aspekt „Life Sciences meets Physics“ würdigt diese Auszeichnung in besonderem Maße den Einsatz und die Etablierung physikalischer Messmethoden in den Lebenswissenschaften.
Die junge Wissenschaftlerin hat inzwischen die Grundlagenforschung verlassen und arbeitet an der Schnittstelle zwischen Produktion und Qualitätssicherung bei einer Biotech-Firma im oberschwäbischen Laupheim.