Wird sie Chemie studieren? Oder doch lieber Physik?
Annika aus Dresden absolviert ihr FSJ am LIKAT in Rostock
Annika Queißer muss sich ziemlich strecken, um in der Glovebox ans obere Regal mit der Gerätschaft zu gelangen. Ihre Hände stecken bis zu den Oberarmen in groben schwarzen Gummihandschuhen (engl.: gloves), was das Hantieren hinter der Glasscheibe nicht gerade erleichtert. „In der Box herrscht Schutzgasatmosphäre“, erklärt Annika. Das heißt: Der Glaskasten ist hermetisch geschlossen und enthält das Gas Argon. „An normaler Luft würden die Substanzen sofort reagieren.“ Und damit verderben. Annika weiß bestens Bescheid.
Kleiner Vorteil für die Chemie
Noch bis zum August absolviert sie am Rostocker Leibniz-Institut für Katalyse ihr „Freiwilliges Soziales Jahr in Wissenschaft, Technik und Nachhaltigkeit“, wie es offiziell heißt. Es ist eine besondere Form des FSJ, koordiniert durch die Organisation „Internationale Jugendgemeinschaftsdienste“, und soll einen gründlichen Einblick in Forschung und Technologie vermitteln. „Ich hab mich immer für Naturwissenschaft interessiert“, sagt die Abiturientin. Vielleicht mit einem ganz kleinen Vorteil für die Chemie. Doch das Fach Chemie hatte es an ihrem Gymnasium in Dresden als Leistungskurs leider nicht gegeben. So hatte Annika zunächst Biologie gewählt, und als sie kurzfristig dann noch lieber zur Physik wechseln wollte, war’s zu spät. Sie lächelt. „Es ist wie es ist.“
In Rostock hatte sie nun ein knappes Jahr lang Tuchfühlung zur Chemie. Im Forschungsbereich von Torsten Beweries stellte sie u.a. Verbindungen her, aus denen Katalysatoren mit neuen Eigenschaften entstehen könnten. „Das Ziel sind sogenannte Metall-Fluorid-Komplexe, für die wir die drei Metalle Nickel, Palladium und Platin auf ihre Eignung testen“, erläutert Torsten Beweries. Und zumindest mit einem Metall klappt es schon gut.
Gesucht: Bindungsstärke der Atome
Geduldig häufelt Annika mit einem winzigen Spatel ein helles Pulver in ein Glasröhrchen. Die Probe geht heut noch zur Analyse in die Kernspinresonanzspektroskopie, kurz NMR. Charakterisiert werden soll die Bindungsstärke der Atome zueinander, wie Torsten Beweries erklärt: „Bisher verhält sich das Fluor in dieser Art von Komplexen nämlich völlig anders als erwartet.“
Von den Analysen erhofft sich der Chemiker Erkenntnisse über den Einfluss des Metalls auf die Fluoratome. Schritt für Schritt wird so die katalytische Eignung von Substanzen erkundet. Die Auswertung der NMR-Spektren obliegt Annika. Das ist astreine Grundlagenforschung.
Für Annika geht das in Ordnung. Schon in der Schule hielt sie sich lieber an die Theorie, an Stoffklassen und Formeln, als ans Experiment. Annika liebt Mathematik und liebäugelt auch deshalb ebenso mit Physik und Ingenieurwissenschaften. Auch nach diesem FSJ am LIKAT wird noch vieles noch offen sein, wie sie sagt. Allerdings lernte sie hier am LIKAT das Experiment durchaus schätzen, die praktische Arbeit im Labor.
Orientierungshilfe in sensibler Phase
Als Vater zweier Töchter kennt Torsten Beweries sensible, „ja kritische“ Phasen der beruflichen Entscheidung. Und als Chemie-Professor hält er heute vor zwei, drei jungen Leuten Spezialvorlesungen, wo vor Jahren noch zehn saßen.
„Bundesweit klagen wir über schwindendes Interesse an den sogenannten MINT-Fächern“, sagt er. Natürlich ist da die Gesellschaft gefordert. Und eben auch der einzelne. Wer sonst solle Menschen an einem offenen Punkt ihres Karriereweges zeigen: Naturwissenschaft ist etwas anderes, als ihr es in der Schule gelernt habt!
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Prof. Dr. Torsten Beweries, Bereichsleiter „Moderne Konzepte der molekularen Katalyse“
eMail: Torsten.Beweries@catalysis.de
Dr. Martha Höhne, Stabsstelle Öffentlichkeit
martha.hoehne@catalysis.de