Italienische Mütter mit drei und mehr Kindern arbeiten deutlich weniger Jahre als Väter, Gleichstand in Finnland
Eine Studie des Max-Planck-Instituts für demografische Forschung (MPIDR) zeigt, dass Mütter in Italien und den USA im Gegensatz zu Finnland deutlich kürzer arbeiten als Väter, insbesondere wenn sie mehrere Kinder haben. Die Forschenden weisen darauf hin, dass eine bessere Unterstützung von Müttern nicht nur deren Alterssicherung verbessert, sondern auch zur Stabilisierung der Rentensysteme beiträgt.
Im vergangenen Jahrhundert ist die Zahl der erwerbstätigen Frauen in den westlichen Ländern kontinuierlich gestiegen. Zahlreiche Studien zeigen jedoch, dass es immer noch überwiegend Frauen sind, die den Spagat zwischen Elternschaft und Beruf meistern müssen. Im Vergleich zu Vätern und kinderlosen Frauen haben Mütter häufig einen weniger geradlinigen Karriereverlauf und stoßen auf größere Hürden beim beruflichen Aufstieg. Wenig erforscht ist, wie sich der berufliche Werdegang von Frauen ab der Lebensmitte entwickelt, wenn der Aufwand für die Kindererziehung vermutlich geringer wird. In einer aktuellen Studie haben Angelo Lorenti vom Max-Planck-Institut für demografische Forschung, Jessica Nisén (University of Turku), Letizia Mencarini (Bocconi University) und Mikko Myrskylä (MPIDR) verglichen, wie sich das Berufsleben von Müttern, Vätern und Kinderlosen nach der Lebensmitte (ab 40 Jahren) entwickelt.
Die Forscher*innen untersuchten drei Länder: Italien, Finnland und die USA. „Alle drei Länder haben sehr unterschiedliche Bedingungen für Eltern. Während es in den USA weder Elternzeit noch Mutterschutz gibt, erhalten Eltern in Finnland volle staatliche Unterstützung, einschließlich Elternzeit und Arbeitsplatzsicherheit. Dazwischen liegt Italien, wo die Familie die staatliche Unterstützung ersetzt. Aber es gibt keine Arbeitsplatzsicherheit", sagt Angelo Lorenti. Die Studie untersuchte die Lebensphase zwischen 40 und 74 Jahren nach Geschlecht, Anzahl der Kinder und Bildung. Es wurde untersucht, wie viele Jahre in Beschäftigung, Arbeitslosigkeit und Rente verbracht wurden. Die verwendeten Daten stammen aus der italienischen Haushalts-, Einkommens- und Vermögenserhebung (SHIW), finnischen Registerdaten und der US-amerikanischen Panel Study on Income Dynamics (PSID).
Mütter arbeiten teilweise bis zu 11 Jahre weniger als Väter
Die Ergebnisse der Analyse zeigen für die drei Länder ein sehr unterschiedliches Bild. „In Finnland haben wir erwartungsgemäß nur sehr geringe Unterschiede zwischen Müttern und Vätern gefunden. Wir können feststellen, dass sowohl Männer als auch Frauen länger arbeiten als Personen ohne Kinder. Tatsächlich konnten wir aus den Daten herauslesen, dass Kinderlose in Finnland eine kürzere Lebensarbeitszeit haben, weil sie oft einen niedrigeren sozioökonomischen Status haben", erklärt der Forscher.
Ganz anders in Italien: „Je mehr Kinder eine Frau hat, desto kürzer ist ihr Arbeitsleben. Bei den Männern ist es umgekehrt. Aber die kinderlosen Frauen in Italien treffen wohl eine bewusste Entscheidung. Sie bekommen keine Kinder, um Karriere zu machen", sagt Lorenti. Die Forscher*innen stellen jedoch fest, dass die Unterschiede zwischen Müttern und Vätern in Italien mit steigendem Bildungsniveau abnehmen.
Zwischen Italien und Finnland liegen die Ergebnisse aus den USA. „Hier haben wir Unterschiede in der Erwerbstätigkeit zwischen Männern und Frauen nur bei zwei und mehr Kindern beobachtet, und die Bildung interagiert nur teilweise mit dem Geschlecht und der Anzahl der Kinder, das heißt, der Nachteil der Mütter zeigt sich nur bei den gering Gebildeten mit zwei und mehr Kindern“, sagt Lorenti.
Deutlich wird der Ländervergleich am Beispiel einer Familie mit drei Kindern. Während in Finnland der Unterschied zwischen den Geschlechtern ein Jahr beträgt, d.h. Mütter im Alter von 40 Jahren noch 17,4 Jahre und Väter 18,4 Jahre bezahlt arbeiten, ist der Unterschied in den USA größer. Hier beträgt der Unterschied zwischen den Geschlechtern etwa 4 Jahre (Mütter 16,8 Jahre und Väter 20,8 Jahre). In Italien zeigt sich ein sehr traditionelles Rollenmodell, da Mütter im Alter von 40 Jahren und älter nur 7,6 Jahre erwerbstätig sind, während Väter in diesen Familien noch 18,3 Jahre erwerbstätig sind. Das ist ein Unterschied von rund 11 Jahren.
Von einer besseren Unterstützung der Mütter profitieren alle
Auf dem Papier mag der Unterschied im Erwerbsleben von Müttern und Vätern ab der Lebensmitte insgesamt nicht so groß erscheinen, doch die Benachteiligung der Mütter ist erheblich: „Wir haben nur die Zeit nach der Geburt der Kinder betrachtet. Das bedeutet, dass die Zeit, die durch frühere Geburten und Kinderbetreuung verloren geht, hinzugerechnet werden muss. In Italien zum Beispiel haben Mütter ein viel kürzeres Erwerbsleben, was sich natürlich auf die Renten und die Pflege im Alter auswirkt. Mütter sind hier stark benachteiligt", so Lorenti. Auch im Hinblick auf die Stabilisierung der Rentensysteme lohne es sich, in Frauen zu investieren. „In Ländern wie Italien und den USA kann es sich auszahlen, Frauen auf Bevölkerungsebene zu unterstützen, um ihre Lebensarbeitszeit zu verlängern - und nicht unbedingt erst am Ende ihres Arbeitslebens. Das macht einen großen Unterschied und verbessert die Alterssicherung von Müttern."
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Angelo Lorenti
Wissenschaftlicher Mitarbeiter
lorenti@demogr.mpg.de
Originalpublikation:
Angelo Lorenti, Jessica Nisén, Letizia Mencarini, Mikko Myrskylä: Gendered Parenthood-Employment Gaps from Midlife: A Demographic Perspective Across Three Different Welfare Systems in European Journal of Population; DOI: 10.1007/s10680-024-09699-2
Weitere Informationen:
http://ww.demogr.mpg.de/go/MindtheGap