RWTH-Verkehrsexperte: Autos in der Innenstadt sind ein Problem
Professor Tobias Kuhnimhof fordert eine andere Flächenverteilung, stärkere Investitionen in den ÖPNV und eine Novellierung des Verkehrsrechts
In Aachens Innenstadt ist es eng, also ist es nicht besonders klug, viele Autos in die Innenstadt zu lassen. Klingt simpel, aber „diese unumstößliche Wahrheit ist wegen des Überthemas Treibhausgasemissionen etwas in den Hintergrund geraten“, sagt Professor Tobias Kuhnimhof. Für den Leiter des Instituts für Stadtbauwesen und Stadtverkehr an der RWTH Aachen gehören andere Verkehrsmittel in den Mittelpunkt – zumindest in den Städten.
Emissionen sind eben nicht die einzigen negativen Folgewirkungen des stetig zunehmenden Verkehrs – gerade in den Innenstädten. Autos, auch E-Autos, nehmen sehr viel Platz ein und dieser ist in den Städten rar. Daher könne die Lösung nur ein leistungsstarker Öffentlicher Nahverkehr in Kombination mit nicht-motorisierten Fortbewegungsmitteln sein, hier ist also eine Mobilitätswende vonnöten. Dabei gibt es zwei Wege, die beschritten werden können: Den Parkraum auf ausgesuchte Stellen konzentrieren und ein generelles Tempolimit einführen: „Das sind die Push-Faktoren, damit der Verkehr in den Städten zumindest nicht weiter anwächst. So banal ist das, ansonsten stehen wir alle zusammen im Stau“, so Kuhnimhof. Dazu kommt: Autofahren ist im Verhältnis zu unseren Einkommen immer günstiger geworden. In den fünf Jahren vor Corona seien wir, auch aufgrund immer sparsamerer Fahrzeuge, so billig Auto gefahren wie noch nie. Wird es dem Auto weiterhin so angenehm wie derzeit gemacht, wird es das attraktivste Verkehrsmittel bleiben und unweigerlich zum Stillstand führen. „Aus Sicht des Einzelnen mag das Auto super sein, aus Sicht des gesamten Systems ist es sehr problematisch“, sagt Kuhnimhof mit Blick auf Flächenverbrauch, Emissionen und Staus. Daran ändern übrigens auch die mitunter geforderten neuen Straßen nichts, im Gegenteil: Wer Straßen sät, wird zusätzlichen Verkehr ernten, weiß der Verkehrsexperte. Das sei im Übrigen völlig unstrittig.
Was also tun? Vielleicht einmal schauen, was die anderen machen. Internationale Leuchttürme für den ÖPNV seien Zürich und Wien, Städte, die viel Geld in Bus und Bahn investieren und gleichzeitig die Autos konsequent aus den Stadtzentren zurückdrängen. Um den ÖPNV attraktiv werden zu lassen, das meint schnell, sauber und erschwinglich, muss also investiert werden. Städte wie Utrecht, Amsterdam oder Kopenhagen setzen konsequent aufs Fahrrad, „auch in Paris verändert sich derzeit viel, es wurden mutige Schritte unternommen, um das Auto immer weiter zurückzudrängen und den zur Verfügung stehenden Platz umzuwidmen“ sagt Kuhnimhof. Und Aachen? Sei durchaus auf einem guten Weg, auch wenn die Voraussetzungen hier besonders kompliziert seien oder wie es der Experte formuliert: „Wir haben’s auch schwer.“ Durch die enge Innenstadt habe jede Baustelle direkt massive Auswirkungen. Kuhnimhof vergleicht die Situation mit Karlsruhe. Die Städte sind ähnlich groß, beide sind auch TU-Standorte, aber: Karlsruhe hat viel mehr Platz, verfügt zudem über ein Straßenbahnsystem, entsprechend geringer sind die Auswirkungen von Baustellen. Dennoch sei der in Aachen jüngst eingeschlagene Weg der richtige, „auch wenn es noch ein paar Jahre dauern wird, bis die Auswirkungen wirklich zu spüren sein werden.“
Nicht so deutlich sei die Situation hingegen im suburbanen und ländlichen Raum. Hier kann das Auto auch weiterhin das sinnvollste Verkehrsmittel sein, einen alternativen Antrieb vorausgesetzt – hier geht es folglich primär um eine Antriebswende. Dieser Umstieg auf emissionsfreie Mobilität wird indes noch lange dauern. Denn die meisten Fahrzeuge, die heute verkauft werden, haben immer noch einen Verbrennungsmotor, der mit fossilen Brennstoffen betrieben wird. „Wir wissen, dass diese Fahrzeuge 15 bis 20 Jahre auf den Straßen in Deutschland unterwegs sind, danach oft noch im Ausland“, so Kuhnimhof. Entsprechend viel Zeit wird auch die Antriebswende noch beanspruchen.
Der zweite dringend erforderliche Punkt – neben den Investitionen in den ÖPNV – ist die Novelle des Verkehrsrechts. Bislang, so Professor Kuhnimhof, kenne das Straßenverkehrsrecht nur zwei Kriterien, um regelnd einzugreifen: Die Sicherheit und die Leichtigkeit des Verkehrs. Um zeitgemäß zu sein und auch Belangen wie eben dem Klimaschutz gerecht zu werden, sei diese Novelle dringend erforderlich. Der Bundestag hatte das entsprechende Vorhaben auch bereits abgesegnet, „ehe es Ende 2023 im Bundesrat aus unerklärlichen Gründen gestoppt wurde“, so Kuhnimhof. Aktuell hätten folglich die Kommunen kaum eine Chance, Verkehrsraum neu zu gestalten.
Wie könnten unsere Städte in 20 Jahren aussehen? Experte Tobias Kuhnimhof schaut optimistisch nach vorne: „Auch wenn das System nicht massiv anders sein wird, werden wir eine andere Flächenaufteilung in den Städten haben mit mehr Grün, mehr aktiver Mobilität, mehr ÖPNV und wir werden überall mehr E-Mobilität sehen.“
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Prof. Dr.-Ing. Tobias Kuhnimhof
Lehrstuhl und Institut für Stadtbauwesen und Stadtverkehr
RWTH Aachen
kuhnimhof@isb.rwth-aachen.de