US-Ökonom Van Alstyne schlägt Zertifikatslösung gegen Falschinformationen vor
Der Wirtschaftswissenschaftler Prof. Dr. Marshall Van Alstyne von der Boston University war einer der Keynotespeaker auf der Konferenz „DPE Forum“, einer Veranstaltung des DFG-Graduiertenkollegs 2720 „Digital Platform Ecosystems“, das am 4. und 5. Juni renommierte Forschende aus der ganzen Welt an die Universität Passau holte, um die Macht der digitalen Plattformen zu diskutieren.
Um gegen Falschinformationen, Deepfakes und Propaganda vorzugehen, brauche es Prof. Dr. Marshall Van Alstyne zufolge keine staatlichen Eingriffe. Stattdessen schlug der Ökonom von der Boston University in seiner Keynote auf dem „DPE Forum“ in der Passauer Redoute eine Zertifikatslösung vor. Der Markt könne sich selbst bereinigen, wenn er denn entsprechend korrigiert würde. „Ich glaube, das wäre sogar die überlegenere Lösung und könnte bessere Plattform-Ökosysteme schaffen“, so Van Alstyne.
Bisher sei es so, dass polarisierende Nachrichten und Hetze in den sozialen Medien mit Reichweite belohnt würden und damit wertvoller seien als weniger aufregende Fakten. Er verglich die Situation mit Umweltverschmutzung: Hier funktioniere der Markt nicht, weil Verursacher nicht für die Kosten aufkommen müssten. Bei CO2-Emissionen gebe es dafür inzwischen eine Zertifikatslösung. Ähnliches sei auch bei Falschinformationen denkbar. Das heißt, derjenige, der sie verbreitet, muss zahlen. Um zu illustrieren, dass dies funktionieren könnte, zeigte Van Alstyne mehrere experimentelle Studien, die er mit seinem Team durchgeführt hatte. Das Ergebnis: Müssen die Teilnehmenden für die Verbreitung von Falschinformationen kostspielige Zertifikate erwerben, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich für eine weniger aufregende, aber wahre Nachricht entscheiden.
Während Prof. Dr. Van Alstyne den freien Markt der Ideen in den Mittelpunkt seines Vortrags stellte, sprach Prof. Dr. Martin Selmayr über die Möglichkeiten der Regulierung. Der Wissenschaftliche Direktor des Centrums für Europarecht an der Universität Passau und derzeit Gastprofessor an der Universität Wien gab Einblicke hinter die Kulissen um die Verhandlungen zur Datenschutzgrundverordnung, die in seine Zeit als Kabinettchef des ehemaligen EU-Kommissionschefs Jean-Claude Juncker fielen. Die DSGVO habe weltweit Standards gesetzt. Ein Grund sei das Marktortprinzip in Artikel 3, wonach sich auch Firmen mit Sitz außerhalb Europas an diese Regeln zu halten hätten, wenn diese die Daten Europäischer Bürgerinnen und Bürger verarbeiteten. Dieses Prinzip beinhalte auch die jüngst von den Mitgliedstaaten verabschiedete KI-Verordnung. Insofern sei hier ebenso die Grundlage für einen starken „Brüssel-Effekt“ gelegt, so Martin Selmayr.
Über das Veranstaltungsformat „DPE Forum“
Die beiden Vortragenden waren die Hauptredner auf dem „DPE Forum“, einer Veranstaltung, die das DFG-Graduiertenkolleg 2720 „Digital Platform Ecosystems“ an der Universität Passau erstmals ausrichtete. Damit solle eine Plattform entstehen für junge Nachwuchsforschende, die sich hier mit den Größen ihres Fachs austauschen könnten, erklärte der Sprecher der Gruppe, der Passauer Wirtschaftsinformatiker Prof. Dr. Jan Krämer. Bei Prof. Dr. Van Alstyne handelt es sich um eine Art Star des Fachbereichs, denn er war einer der Begründer der Theorie zur Plattform-Ökonomie, wonach Plattform-Unternehmen die Art des Wirtschaftens und Geschäftsmodelle grundlegend umwälzen würden.
Thema der ersten Ausgabe des „DPE Forum“, das am 4. und 5. Juni an der Universität Passau stattfand, war die Macht der digitalen Plattformen. Gemeinsam mit seinem Stellvertreter Prof. Dr. Andreas König bat Krämer alle Nachwuchsforschenden, beteiligte Professorinnen und Professoren sowie Gastforschende auf die Bühne, um zu untermauern, dass es sich bei der Passauer Gruppe um die größte interdisziplinäre Forschungsgruppe weltweit zum Thema digitale Plattformen handele. Die Gruppe, die inzwischen 17 Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler umfasst, hat ihren Schwerpunkt an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Passau. Sie beleuchtet die Plattform-Ökonomie aus verschiedenen Perspektiven: aus den Bereichen Wirtschaftsinformatik, Betriebswirtschaftslehre, Volkswirtschaftslehre und Kommunikationswissenschaft.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Prof. Dr. Jan Krämer
Sprecher des DFG-Graduiertenkollegs 2720 „Digital Platform Ecosystem“
Dr.-Hans-Kapfinger-Str. 12
94032 Passau
Mail: Jan.Kraemer@uni-passau.de
Website: dpe.uni-passau.de/en
https://ibusiness.uni-passau.de
Prof. Dr. Andreas König
Stellvertretender Sprecher des DFG-Graduiertenkollegs 2720 „Digital Platform Ecosystems“
Dr.-Hans-Kapfinger-Straße 14b
94032 Passau
Mail: Andreas.Koenig@uni-passau.de
https://www.wiwi.uni-passau.de/strategie-innovation
Weitere Informationen:
https://youtu.be/MEWqD01VxVU Truth is Warranted: Addressing Misinformation in Information Markets – Keynote von Prof. Dr. Marshall Van Alstyne (Englisch)
https://youtu.be/RBpgw1mYBdI From the GDPR via the DSA and the DMA to the AI Act: Are There Coherent Regulatory Principles Behind the EU’s Digital Acts? – Keynote von Prof. Dr. Martin Selmayr (Englisch)
https://www.digital.uni-passau.de/beitraege/2024/dpe-forum-2024 Nachbericht zur Konferenz im Forschungsmagazin