Jordanier wollen bei Energiewende Vorteile vor Ort sehen
Jordanien hat ein herausragendes Potenzial für erneuerbare Energien. Die Regierung hat die Energiewende bis 2019 gefördert, seitdem ist sie allerdings ins Stocken geraten. Dies ist nicht im Sinne der Bevölkerung, wie eine Haushaltsbefragung des Forschungsinstituts für Nachhaltigkeit – Helmholtz-Zentrum Potsdam (RIFS) zeigt: 91 Prozent der Befragten stehen dem Ausbau der erneuerbaren Energien positiv gegenüber. Sie erhoffen sich Jobs, Energiesicherheit und niedrigere Kosten. Besonders groß ist die Unterstützung an Orten, die heute bereits von erneuerbaren Energien profitieren.
Jordanien ist eines der am stärksten von Energieimporten abhängigen Länder der Welt: Über 93 Prozent der gesamten Energie wird in Form von Öl und Gas eingeführt. Das staatliche Energieversorgungsunternehmen hat langfristige Energieeinkaufsverträge für Öl und Gas, die den Ausbau der Erneuerbaren unattraktiv machen. Auch die kurzfristige Energiesicherheit und die Interessen geopolitischer Akteure, vor allem der USA, werden in einigen Studien als Ursachen für das Stocken der Energiewende genannt. Die Energieabhängigkeit Jordaniens gilt als ernstes politisches und wirtschaftliches Problem und trägt zu einer steigenden Verschuldung des Landes bei.
Verschiedene Orte, verschiedene Bedingungen
„Jordanien ist ein interessanter Fall, um die Einstellung der Bevölkerung zur Energiewende zu untersuchen, da das Land über ein hervorragendes Potenzial für erneuerbare Energien verfügt, aber ein illiberales politisches System hat. Die Energiewende ist ursprünglich von oben verordnet worden und stockt nun. Zu solchen nicht-demokratischen Kontexten gibt es bislang kaum Forschung. Unsere Studie ist ein Beitrag dazu, die Voraussetzungen zum Gelingen der Energiewende im Globalen Süden zu verstehen“, erläutert Erstautorin Silvia Weko (jetzt Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg).
Mit Ko-Autorin Esther Schuch (RIFS) untersuchte Weko die Einstellung zur jordanischen Energiewende mit einer Befragung von 320 Haushalten an vier verschiedenen Orten sowie mit Experteninterviews. Die ausgewählten Orte – Ost-Amman, West-Amman, Zarqa und Tafilah – haben sehr unterschiedliche soziale und wirtschaftliche Bedingungen: West-Amman ist das Regierungszentrum und Wohnsitz der einkommensstärkeren Bevölkerungsgruppen. Im einkommensschwächeren Osten von Amman befinden sich palästinensische und syrische Flüchtlingssiedlungen. Die Stadt Zarqa (700.000 Einwohner) ist eines der wichtigsten Industriezentren Jordaniens und liegt nördlich von Amman. Fossile Energie ist ein wichtiger Bestandteil der Wirtschaft der Stadt, eine Ölraffinerie ist ein wichtiger Arbeitgeber. Die Stadt Tafilah (30.000 Einwohner) liegt im Süden Jordaniens. In der Nähe befinden sich große Windkraftprojekte.
Neue Arbeitsplätze, günstiger Strom
Die Einstellung zur Energiewende war im Allgemeinen positiv. Der Aussage „Jordanien sollte Sonnen- und Windenergie anstelle von fossilen Brennstoffen nutzen“, stimmten nur 29 Befragte (9 Prozent) nicht oder überhaupt nicht zu. Das Wissen über den Klimawandel war uneinheitlich, aber nur 3 Prozent der Befragten bezweifelten, dass es den Klimawandel gibt. Etwa 40 Prozent der Befragten gaben an, dass sie oder jemand, den sie kennen, bereits persönlich vom Klimawandel betroffen waren.
83 Prozent äußerten die Erwartung, dass die Energiewende in Jordanien neue Arbeitsplätze schaffen werde. „Tatsächlich ist diese Hoffnung in Erfahrungen begründet, denn mehr als 300 Solar-PV-Unternehmen haben in Jordanien tausende von Arbeitsplätzen geschaffen. Dies ist besonders wichtig, da Jordanien eine hohe Arbeitslosigkeit hat, vor alle unter jungen Menschen“, erläutert Weko. Große Sorgen bereiteten den meisten Befragten auch hohe Energiekosten und eine unzureichende Energiesicherheit.
Erneuerbare punkten mit geringem Wasserverbrauch
Zwischen den befragten Gemeinschaften gab es große Unterschiede. Die Menschen in Tafilah, dem Ort mit dem großen Windkraftpark, befürworten die Energiewende im Durchschnitt stärker und zeigten sich besorgter über den Klimawandel als die Befragten im von der Ölindustrie geprägten Zarqa und dem strukturschwachen Ost-Amman. Die Befragten in West-Amman, einer vergleichsweise wohlhabenden und gebildeten Wohngegend, bekundeten hingegen große Unterstützung für erneuerbare Energien.
„Unsere Haushaltsbefragung zeigte, dass - entgegen der jordanischen Eliten-Meinung – Bürgerinnen und Bürger durchaus eine Meinung zu erneuerbaren Energien haben. Ein interessantes Ergebnis ist, dass für die Befragten der Nutzen der Energiewende für die Gemeinschaft gegenüber dem individuellen Nutzen Priorität hat. Sie hoffen auf die Entstehung von Arbeitsplätzen und finanzielle Vorteile. Auch lokale Umweltvorteile spielen eine Rolle, etwa der im Vergleich zu Wärmekraftwerken geringere Wasserverbrauch durch erneuerbare Energien“, erläutert Ko-Autorin Esther Schuch. Wasserknappheit ist in Jordanien ein erhebliches Problem.
Politik muss regionale Unterschiede beachten
Für jordanische Politikerinnen und Politiker bedeuten die Umfrageergebnisse, dass sie ihre Blockadehaltung in Bezug auf die Energiewende aufgeben sollten, so die Forscherinnen. Vielmehr sollten sie deutlich machen, dass erneuerbare Energien als Antwort auf lokale und nationale Herausforderungen wie hohe Energiepreise dienen können. Dabei sei die Berücksichtigung regionaler Unterschiede wichtig. Regionen, die traditionell durch Raffinerien geprägt sind, brauchen eine Politik, die mögliche negative Effekte wie Jobverluste in der Raffinerie abfängt, da sie, anders als von Wüsten geprägte Regionen, nicht so stark von Wind- und Solarenergie profitieren.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Dr. Esther Schuch
media@rifs-potsdam.de
Originalpublikation:
Weko, S., & Schuch, E. (2024). What determines local attitudes towards Jordan’s renewable energy transition? Evidence from household surveys. Climate policy, 1-16.
https://doi.org/10.1080/14693062.2024.2353146