Passauer Jurist hält Scoring-Neuregelung für europarechtswidrig
Meinhard Schröder, Professor für Öffentliches Recht, Europarecht und Informationstechnologierecht an der Universität Passau, war einer der Sachverständigen, die der Innenausschuss des Bundestages zur Neuregelung des Bundesdatenschutzgesetzes anhörte.
Mit der Neuregelung des Bundesdatenschutzgesetzes will die Regierung unter anderem die Verbraucherrechte gegenüber Wirtschaftsauskunfteien wie der Schufa stärken. So sollen dem Entwurf zufolge Unternehmen künftig nicht mehr auf Daten wie die Wohnadresse, Name oder personenbezogene Daten aus der Nutzung sozialer Netzwerke zurückgreifen dürfen, um die Kreditwürdigkeit von Kundinnen und Kunden zu bewerten.
Auf die sogenannte Scoring-Neuregelung im Gesetzentwurf ging auch Prof. Dr. Meinhard Schröder von der Universität Passau ein, der bei der öffentlichen Anhörung des Innenausschusses des Bundestags am 24. Juni per Video zugeschaltet war. Grundsätzlich sei die Neuregelung zu begrüßen, erklärte der Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, Europarecht und Informationstechnologierecht. Denn die bisherige Regelung stamme aus einer Zeit vor der europäischen Datenschutzgrundverordnung. Allerdings sei auch die Neuregelung problematisch und zumindest in Teilen nicht europarechtskonform.
Für bedenklich hält Prof. Dr. Schröder die Verwendungsverbote für bestimmte Daten. Es erscheine zweifelhaft, „ob sie in dieser Pauschalität ‚angemessen‘ im Sinne der Vorschrift sind“. Auf den ersten Blick unangemessen erscheine ihm beispielsweise der pauschale Ausschluss von Daten aus sozialen Netzwerken. „Sind diese öffentlich zugänglich, sind sie nicht per se schutzbedürftiger als sonstige Inhalte im ‚offenen Internet‘“, schreibt der Experte für das Recht der Informationstechnologien in seiner Stellungnahme. Zudem überschreite der Gesetzgeber mit der neuen Formulierung den Spielraum, dem ihn die europäische Datenschutzgrundverordnung lasse. „Hier sollte eine andere Formulierung gewählt werden, die nur den Spielraum der Öffnungsklausel ausnutzt und nicht versucht, jedwedes Scoring zu regeln“, heißt es in seiner Stellungnahme.
Fehlende Gesetzgebungskompetenz bei Datenschutzkonferenz
Auf Kritik des Juristen stieß auch die vorgesehene Institutionalisierung der bestehenden Datenschutzkonferenz (DSK), die im Zuge der Neuregelung gesetzlich verankert werden soll. Es handelt sich dabei um ein Gremium der Datenschutzaufsichtsbehörden von Bund und Ländern. Die Einschätzung von Prof. Dr. Schröder dazu: „Für die Institutionalisierung der Datenschutzkonferenz in der vorgesehenen Form besitzt der Bund keine Gesetzgebungskompetenz.“
Prof. Dr. Schröder war einer von zehn Sachverständigen, die der Innenausschuss unter dem Vorsitz der Abgeordneten Petra Pau (Linke) zum Entwurf des Gesetzes zur Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes anhörte. Die Expertinnen und Experten waren sich einig, dass es einer Neuregelung bedarf. Doch auch in den anderen Stellungnahmen waren die Punkte Scoring und Institutionalisierung der DSK immer wieder Thema.
Das Bundeskabinett hatte im Februar den Gesetzentwurf zur Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) verabschiedet, der derzeit im Innenausschuss beraten wird. Hintergrund der Reform ist unter anderem ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zum Schufa-Scoring. Dieser hatte festgestellt, dass die Prüfung der Bonität von Verbraucherinnen und Verbrauchern nur innerhalb enger Grenzen erlaubt sei.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Prof. Dr. Meinhard Schröder
Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Europarecht und Informationstechnologierecht
Innstr. 39, 94032 Passau
E-Mail: Meinhard.Schroeder@uni-passau.de
Originalpublikation:
https://www.bundestag.de/resource/blob/1009440/a519887637b438c826a10f10a21db4ce/20-4-450-D.pdf
Weitere Informationen:
https://www.bundestag.de/ausschuesse/a04_inneres/anhoerungen/1008504-1008504 Zum Live-Mitschnitt von der Anhörung im Innenausschuss des Bundestags
https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2024/kw26-pa-inneres-bundesdatenschutzgesetz-1008776 Meldung des Innenausschusses zur Anhörung