Gadopiclenol als MRT-Kontrastmittel: Erste Nutzenbewertung eines Diagnostikums
Gadopiclenol als MRT-Kontrastmittel: Erste Nutzenbewertung eines Diagnostikums
Erstmals hat das IQWiG im Rahmen des AMNOG ein Arzneimittel bewertet, das ein Diagnostikum ist. Der Hersteller legte jedoch keine geeigneten Daten vor zum Vergleich direkter oder therapievermittelter Effekte verschiedener Kontrastmittel.
Das Kontrastmittel Gadopiclenol ist für Patientinnen und Patienten ab zwei Jahren zugelassen, bei denen eine kontrastverstärkte Magnetresonanztomografie (MRT) zur Gewinnung diagnostischer Informationen notwendig ist, um krankhafte Veränderungen mit einer Störung der Blut-Hirn-Schranke oder Anomalien der Gefäße in verschiedenen Körperregionen besser erkennbar und sichtbar zu machen.
Das Element Gadolinium, das in mehreren Kontrastmitteln enthalten ist, wird zwar nach Applikation überwiegend ausgeschieden, kann sich aber zum Teil im Körper ablagern – etwa in den Knochen, der Leber oder dem Gehirn. Ob diese Ablagerungen den Betroffenen schaden, ist nicht bekannt.
Gadopiclenol kann in niedrigerer Dosis eingesetzt werden als bisher verwendete Kontrastmittel. Inwieweit es dadurch – wie vom Hersteller behauptet – eine geringere Wahrscheinlichkeit für Ablagerungen und damit einen Zusatznutzen gegenüber anderen Gadolinum-haltigen MRT-Kontrastmitteln gibt, sollte nun in einer frühen Nutzenbewertung untersucht werden. Eine höhere diagnostische Güte nimmt der Hersteller für seinen Wirkstoff dagegen nicht in Anspruch.
Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) hat nun untersucht, ob das neue Kontrastmittel den Patientinnen und Patienten tatsächlich einen Zusatznutzen bietet. Die eingereichten Studiendaten sind aber für die Ableitung eines höheren oder geringeren Nutzens nicht geeignet. Daher lautet das IQWiG-Fazit: Ein Zusatznutzen von Gadopiclenol gegenüber anderen Kontrastmitteln im Rahmen einer kontrastverstärkten MRT zur Gewinnung diagnostischer Informationen über Pathologien mit einer Störung der Blut-Hirn-Schranke oder Anomalien der Gefäße in verschiedenen Körperarealen ist nicht belegt.
Direkte und indirekte Effekte von Diagnostika unterscheiden
Im Rahmen der frühen Nutzenbewertungen neuer Arzneimittel wurde hier erstmals ein Diagnostikum bewertet. In einem solchen Fall muss zwischen direkten und indirekten (d. h. therapievermittelten) Effekten unterschieden werden: Der Wirkstoff kann den Betroffenen unmittelbare Vor- oder Nachteile bringen, etwa schwächere oder stärkere Reaktionen an der Injektionsstelle bzw. weniger allergische Reaktionen hervorrufen oder eben zu geringeren oder vermehrten Ablagerungen führen. Ein kontrastverstärktes MRT mit dem Wirkstoff kann aber auch Konsequenzen für die folgende Therapie haben, wenn die so diagnostizierten Veränderungen anders beurteilt werden als mit einem bereits etablierten Mittel und sich dadurch die therapeutischen Konsequenzen ändern. So wird bespielweise auf Basis des MRT eine Operation, Biopsie, Chemotherapie oder Bestrahlung empfohlen. Therapievermittelte Effekte auf patientenrelevante Endpunkte können nur mit randomisierten kontrollierten Studien (RCTs) untersucht werden, die die Effekte mehrerer Diagnostika über die gesamte diagnostisch-therapeutische Behandlungskette vergleichen. Daten aus derartigen Studien legt der Hersteller aber nicht vor.
Konkordanzfragestellung grundsätzlich denkbar
Der Hersteller hebt auf einen direkten Vorteil für die Patientinnen und Patienten ab, nämlich eine geringere Belastung durch eine niedrigere Dosis. Wenn ein solcher direkter patientenrelevanter Vorteil bereits belegt wurde oder unzweifelhaft ist, reicht es zur Beantwortung der Fragestellung grundsätzlich aus, die Übereinstimmung der beiden Diagnostika in einer sogenannten Konkordanzstudie nachzuweisen. Solche Studien können zeigen, ob sich aus einer Gadopiclenol-verstärkten MRT andere therapeutische Konsequenzen für die Patientin oder den Patienten ergeben würden als aus einer kontrastverstärkten MRT mit einem Wirkstoff der zweckmäßigen Vergleichstherapie.
Da ein direkter patientenrelevanter Vorteil von Gadopiclenol (weniger kurz- oder langfristige Nebenwirkungen) aus den vorliegenden Daten nicht hervorgeht, ist die Voraussetzung für das Heranziehen von Daten zur Konkordanz der beiden Kontrastmittel Gadopiclenol und Gadobutrol jedoch nicht erfüllt.
Hersteller legt Studien im Cross-over-Design vor – Zusatznutzen nicht belegt
Der Hersteller hat zwei Studien im Cross-over-Design vorgelegt, d. h. die Studienteilnehmenden haben zuerst ein MRT mit einem der Wirkstoffe enthalten, dann mit etwas Abstand mit dem anderen. Aufgrund des Designs lässt sich aus diesen Studien ein langfristiger direkter Vorteil – etwa durch eine geringere Dosis – nicht nachweisen: Da alle Teilnehmenden beide Kontrastmittel erhalten, können Effekte (abgesehen von kurzfristigen Auswirkungen wie Reaktionen auf die Injektion) nicht eindeutig einem der beiden Diagnostika zugeordnet werden. Kurzfristige Vorteile zeigten sich ebenfalls nicht.
Ein Zusatznutzen von Gadopiclenol gegenüber anderen Kontrastmitteln im Rahmen einer kontrastverstärkten MRT zur Gewinnung diagnostischer Informationen über Pathologien mit einer Störung der Blut-Hirn-Schranke oder Anomalien der Gefäße in verschiedenen Körperarealen ist daher nicht belegt.
G BA beschließt über Ausmaß des Zusatznutzens
Die Dossierbewertung ist Teil der frühen Nutzenbewertung gemäß Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG), die der G BA verantwortet. Nach Publikation der Dossierbewertung führt der G BA ein Stellungnahmeverfahren durch und fasst einen abschließenden Beschluss über das Ausmaß des Zusatznutzens.
Einen Überblick über die Ergebnisse der Nutzenbewertung des IQWiG gibt die Kurzfassung der Dossierbewertung. Auf der vom IQWiG herausgegebenen Website www.gesundheitsinformation.de finden Sie zudem allgemein verständliche Informationen.
Originalpublikation:
https://www.iqwig.de/projekte/a24-37.html
Weitere Informationen:
https://www.iqwig.de/presse/pressemitteilungen/pressemitteilungen-detailseite_121472.html