Schuldenbremse lockern? Nicht ohne klare Priorisierung
Die Diskussionen um die Schuldenbremse in Deutschland gewinnen zunehmend an Intensität. Angesichts dringend benötigter Zukunftsinvestitionen in Infrastruktur, Bildung und Digitalisierung steht eine mögliche Lockerung der Regelung im Raum. Eine Studie des ZEW Mannheim mit Unterstützung der Strube Stiftung kommt nun aber zu dem Ergebnis, dass eine Lockerung der Schuldenbremse eher zu höheren konsumtiven Ausgaben, mit Nutzen im jeweiligen Haushaltsjahr, statt zu nachhaltigen Investitionen führt.
Im Mittelpunkt der Analyse steht die Verwendung der finanziellen Spielräume im Bundeshaushalt zwischen 2010 und 2019, um Rückschlüsse auf die konsumtive und investive Verwendung zusätzlicher Haushaltsmittel zu ziehen.
„Zwischen 2015 und 2019 wurden rund 39,5 Milliarden Euro der zusätzlichen Haushaltsmittel für steigende konsumtive Ausgaben verwendet, während nur rund 13,2 Milliarden Euro für investive Ausgaben ausgegeben wurden. Dies entspricht einem Verhältnis von drei zu eins“, erklärt Friedrich Heinemann, Leiter des ZEW-Forschungsbereichs „Unternehmensbesteuerung und Öffentliche Finanzwirtschaft“. „Die Politik muss die zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel mehr priorisieren. Eine Reform der Schuldenbremse, verknüpft mit einer nachweisbaren Erhöhung der Zukunftsquote, kann hier Abhilfe schaffen und eine stärkere Zukunftsorientierung der Ausgaben im Bundeshaushalt fördern“, ergänzt Ko-Autor Paul Steger, Wissenschaftler im ZEW-Forschungsbereich „Unternehmensbesteuerung und Öffentliche Finanzwirtschaft“.
Zunächst Konsolidierung, dann Expansion
In der Konsolidierungsphase von 2010 bis 2015 wurden in Deutschland steigende Steuereinnahmen und sinkende Zinskosten genutzt, um das Haushaltsdefizit zu reduzieren. In dieser Phase wurden auch konsumtive Ausgaben wie Zuweisungen an soziale Sicherungssysteme konsolidiert, während investive Ausgaben weitgehend konstant blieben. In der Expansionsphase von 2015 bis 2019 gab es aufgrund steigender Steuereinnahmen und des bereits erzielten Haushaltsausgleichs mehr finanzielle Spielräume. In dieser Phase wuchsen konsumtive Ausgaben dreimal schneller als investive Ausgaben.
Lockerung ist keine Alternative zu soliden Haushalten
Angesichts dieser Erfahrung aus der Expansionsphase des öffentlichen Haushalts in den Jahren 2015 bis 2019 ist Vorsicht geboten, höhere Verschuldungsgrenzen zu etablieren, ohne Wege zu gewährleisten, dass dieser Spielraum tatsächlich für Zukunftsaufgaben genutzt wird. Die ZEW-Analyse legt nahe, dass die Politik einen zusätzlichen Ausgabespielraum prioritär konsumtiv einsetzen wird. „Will die Politik mehr in Zukunftsprojekte investieren, dann muss sie die ihr zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel stärker priorisieren oder für höhere Steuereinnahmen sorgen. Um sicherzustellen, dass größere finanzielle Spielräume tatsächlich für Investitionen und nicht für konsumtive Zwecke genutzt werden, sind unabhängige Prüfgremien notwendig“, erklärt Friedrich Heinemann abschließend.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Prof. Dr. Friedrich Heinemann
Leiter des Forschungsbereichs „Unternehmensbesteuerung und Öffentliche Finanzwirtschaft“
Telefon +49 (0)621 1235-149
E-Mail: friedrich.heinemann@zew.de
Paul Steger
Wissenschaftler im Forschungsbereich „Unternehmensbesteuerung und Öffentliche Finanzwirtschaft“
Telefon +49 (0)621 1235-309
E-Mail: paul.steger@zew.de
Originalpublikation:
https://ftp.zew.de/pub/zew-docs/policybrief/de/pb09-24.pdf