Wie können irregularisierte Migrant*innen im urbanen Raum teilhaben?
Kooperationsprojekt der Frankfurt UAS erforscht unter anderem in Zürich Konzepte für solidarische Städte in Europa
Wer keinen regulären Aufenthaltstitel hat, dem bleibt viel verwehrt: Von der Möglichkeit, eine Anzeige bei der Polizei aufzugeben bis zu sozialen Hilfen. Es geht aber auch anders. Ein Team aus Forschenden der Frankfurt University of Applied Sciences (Frankfurt UAS) untersucht im Kooperationsprojekt European Areas of Solidarity (EASY) zusammen mit Forschenden der Universität Innsbruck und Partner*innen aus der Praxis, wie Städte allen ihren Bewohner*innen – unabhängig von ihrem Aufenthaltstitel, ihrer Herkunft und weiteren Diversitätsdimensionen – Teilhabe im urbanen Raum ermöglichen können. Exemplarisch dafür beleuchten die beteiligten Wissenschaftler*innen seit Juni das solidarische Stadtprojekt Züri City Card vor Ort näher.
Das EASY-Forschungsprojekt, das im Frühjahr 2024 gestartet ist und bis Februar 2026 läuft, wird von der Gerda Henkel Stiftung im Rahmen des Sonderprogramms Flucht gefördert. Das Konzept der solidarischen Städte, das die Forschenden adressieren, basiert auf den „sanctuary cities“ aus Nordamerika. Sanctuary Cities haben sich in den USA und in Kanada seit den 1980er Jahren etabliert und möchten allen Menschen Zugang zu Wohnraum, sozialen Diensten, Sicherheit, Kunst und Kultur ermöglichen.
Diese Konzepte würden zunehmend auch in Europa, hier vor allem unter der Bezeichnung der solidarischen Stadt verhandelt, so Prof. Dr. Caroline Schmitt, EASY-Projektleiterin und Professorin für Ecosocial Work and Care an der Frankfurt UAS: „Solidarische Städte wollen die konstruierte Unterteilung in ‚einheimisch‘ und ‚fremd‘ durchbrechen. Sie sind Ausdruck der Idee von urban citizenship: Teilhaben soll können, wer vor Ort ist. Hiervon kann die Gesellschaft als Ganzes lernen – insbesondere in einer Zeit, in der Demokratie als gelebte Praxis brüchig wird, es massive Entsolidarisierungen gibt, und rechtsextreme Kräfte an Aufwind gewonnen haben. Die Züri City Card ist für unsere Forschung ein interessantes Beispiel, das in engmaschigen Netzwerken bestehend aus verschiedenen Vereinen, Initiativen und Engagierten eine inklusive Stadt schaffen will.“
Züri City Card als Beispiel der solidarischen Stadt
Die Züri City Card der Stadt Zürich ist als Ermäßigungs- und Eintrittskarte für kulturelle Angebote sowie als amtlicher Ausweis innerhalb der Stadt geplant. So könnten auch Menschen ohne reguläre Papiere zum Beispiel nach einem Verbrechen auch Anzeige bei der Polizei erstatten. Nach einer ersten Bewilligung von Geldern laufen derzeit die Vorbereitungsarbeiten für die Einführung des Angebots, das in ein paar Jahren nach einem weiteren Referendum innerhalb der Stadt starten könnte. Wie die Netzwerke der Akteur*innen rund um die Züri City Card funktionieren, erforscht seit Juni Johanna Hofmann, Doktorandin der Frankfurt UAS für sechs Monate vor Ort.
Im Projekt sollen weitere bestehende Konzepte erfasst und das Thema auf die D-A-CH-Region ausgeweitet werden. Die Projektverantwortlichen wollen zudem untersuchen, welche Bedürfnisse Menschen mit irregulärem Aufenthaltsstatus artikulieren und welche Wünsche sie für die Etablierung solidarischer Stadtkonzepte haben.
Als Praxispartner*innen unterstützen die Forschenden dabei der Verein Züri City Card & Sans-Papiers Anlaufstelle Zürich (SPAZ), die österreichische Initiative Kärnten andas und die Ökumenische Arbeitsstelle Migration und Asyl des Ev.-Luth. Kirchenkreises Hamburg-Ost. Prof. Dr. Marc Hill, Co-Leiter des Forschungsprojekts und Professor für postmigrantische Studien an der Universität Innsbruck betont: „Diese Zusammenarbeit ist für unsere Forschungsarbeit von zentraler Bedeutung. Die Doktorandin Songül Can führt so im Projekt Interviews mit Fachkräften, um die Bildungsmobilität von Kindern und Jugendlichen im Kontext von Fluchtmigration zu untersuchen. Von Interesse ist dabei beispielsweise, wie das Bildungssystem auf internationale Migrationsbewegungen reagiert. Durch die Solidaritätsforschung erhalten wir wertvolle Einblicke in die Praxis vor Ort und können die Chancen und Herausforderungen für die Soziale Arbeit bei der Unterstützung von Sans-Papiers analysieren.“
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Frankfurt University of Applied Sciences
Fachbereich 4: Soziale Arbeit und Gesundheit
Prof. Dr. Caroline Schmitt
Telefon: +49 69 1533-2819
E-Mail: caroline.schmitt@fb4.fra-uas.de
Weitere Informationen:
http://www.frankfurt-university.de/easy weitere Informationen zum Projekt
http://www.gerda-henkel-stiftung.de über die Gerda Henkel Stiftung