Neuronales Netzwerk ruft künstlichen Muskel
René Harmann, Absolvent der Frankfurt UAS, mit Friedrich-Dessauer-Preis des VDE Rhein-Main ausgezeichnet
René Harmann, Absolvent des Master-Studiengangs Mechatronik und Robotik an der Frankfurt University of Applied Sciences (Frankfurt UAS), hat am 5. Juli 2024 den Friedrich-Dessauer-Preis 2024 des VDE Rhein-Main (Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik) erhalten. Harmann wurde für seine Abschlussarbeit ausgezeichnet, in der er einen Prüfstand und einen Algorithmus entwickelte, um ein neuronales Netzwerk mit einem künstlichen Muskel kommunizieren zu lassen.
Der VDE Rhein-Main verleiht den mit bis zu 1.500 Euro pro Hochschule dotierten Preis einmal pro Jahr für die besten Abschlussarbeiten an mehreren Hochschulen in Hessen in den Bereichen Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik. Damit sollen hervorragende Leistungen auf technisch-wissenschaftlichem Gebiet anerkannt, der Nachwuchs motiviert und ein Zeichen für die gesellschaftliche Bedeutung von Ingenieur*innen und deren Arbeit gesetzt werden.
René Harmanns Masterarbeit entstand im Rahmen eines Promotionsvorhabens in Kooperation mit der Universidad Cádiz, in dem an der Entwicklung eines künstlichen Muskels geforscht wurde. Solche Muskeln könnten in Zukunft beispielsweise als Transplantat bei schwerwiegenden Verletzungen zum Einsatz kommen, ihre Entwicklung befindet sich aber noch am Anfang. Der Muskel wurde im Projekt mit Hilfe eines elastischen Materials simuliert, eines so genannten Dielastischen Elastomeraktuators (DEA), das bei Anlegen elektrischer Spannungen die Form verändert. Die Rolle des Gehirns, das ihn regelt und Informationen aus Sensoren verarbeitet, übernimmt ein „Spiking Neural Network (SNN)“, eine Spezialform eines künstlichen neuronales Netzes. Dieses Modell des Maschinellen Lernen imitiert in Computersystemen besonders gut die biologische Informationsverarbeitung und spart dadurch Energie.
Maßgeschneiderte elektrotechnische Lösung für Prüfstand
Harmann hatte die Aufgabe, einen Prüfstand zu entwickeln, über den das neuronale Netz sowohl den künstlichen Muskel ansteuern, als auch über eine Schnittstelle zum Rechner Daten aus Sensoren am Muskel verarbeiten konnte. Diese erfassten, wie das Material aktuell verformt war. Besondere Herausforderungen in der Arbeit waren neben der schnellen Informationsverarbeitung zum einen die haptische Verbindung zwischen Rechner, Interface und Muskel. Für den speziellen Versuchsaufbau gab es keine elektrotechnischen Standardlösungen. Zum anderen arbeiteten die Sensoren und das neuronale Netz mit unterschiedlichen Datenformatierungen. Die Sensordaten mussten also erst in entsprechende Pulse umgewandelt werden, die das Netzwerk „versteht“.
Für diese Übersetzungsarbeit programmierte Harmann ein Interface auf Basis eines so genannten „Field Programmable Gate Array (FPGA)“, ein vielfältig einsetzbarer integrierter Schaltkreis. Ein neuromorpher Chip im Prüfstand kann darüber Informationen empfangen und Befehle wieder an den Muskel weitergeben. Mit Hilfe der Daten und eines Algorithmus lernte das neuronale Netz auf dem Chip den Muskel selbständig zu steuern. Bei Tests konnten zudem alle Daten auf einem Rechner aufgezeichnet werden.
Bei der Arbeit wurde er von Prof. Dr. Fernando Pérez-Pena aus der Forschungsgruppe Robótica Aplicada der Universidad Cádiz und Prof. Dr. Karsten Schmidt, Professor für Mechatronik und Microcontrollertechnik der Frankfurt UAS betreut. Die Ergebnisse Harmanns seien von sehr hoher Qualität und stellten einen überaus wichtigen Schritt im Forschungsprojekt dar, so Schmidt. Er hob die zügige Umsetzung von Hard- und Software sowie deren gute Dokumentation hervor.
Der Namensgeber des Preises, der Biophysiker Friedrich Dessauer (1881-1963), befasste sich den größten Teil seines Lebens mit der Erforschung radioaktiver Strahlen mit besonderem Fokus auf der Anwendbarkeit in der Medizintechnik. Um finanzielle Mittel für die Fortsetzung seines Studiums zu erwerben, gründete er in Aschaffenburg, später auch in Frankfurt, ein „Elektrotechnisches Laboratorium“, das sich unter anderem der Erforschung der Röntgenstrahlen sowie dem Bau von Röntgenapparaten widmete. Dessauer bereiste das Land, nicht nur für den Verkauf seiner Apparate, sondern auch mit dem Ziel, das Wissen über deren zweckmäßige Anwendung zu verbreiten. Seine Pionierarbeit auf dem medizintechnischen Gebiet erlangte internationale Anerkennung.
Der VDE und der VDE Rhein-Main e.V.:
Preise und Ehrungen sind ein wichtiger Bestandteil der Innovations- und Nachwuchsförderung des VDE, des Verbands der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e.V., einem der großen technisch-wissenschaftlichen Verbände Europas mit rund 30.000 Mitgliedern. Der VDE-Rhein-Main ist mit rund 2.500 Mitgliedern einer der größten VDE-Bezirksvereine. Dazu zählen Ingenieurinnen und Ingenieure, Techniker*innen und Studierende sowie Unternehmen aus der Elektro- und Informationstechnik und verwandten Branchen. Weitere Informationen unter: www.vde-rhein-main.de.
Kontakt: Frankfurt University of Applied Sciences, Fachbereich 2: Informatik und Ingenieurwissenschaften, Prof. Dr. Karsten Schmidt, Telefon: +49 69 1533-2219, E-Mail: schmidtk@fb2.fra-uas.de.
Mehr zum Master-Studiengang Mechatronik und Robotik: www.frankfurt-university.de/?id=1809.