Auf dem Weg zur Entdeckung einer zweiten Erde
Ingenieure und Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Astronomie (MPIA) haben unter der Leitung von Oliver Krause zentrale optische Elemente für das Coronagraph Instrument (CGI) des Roman Space Telescope entwickelt und an das Jet Propulsion Laboratory (JPL) in den USA übergeben. Kürzlich traf das vollständig aufgebaute und getestete CGI am NASA Goddard Space Flight Center (GSFC) ein, wo es in das Teleskop integriert wird. Mit dem CGI wird ein innovatives Kameradesign getestet, das die direkte Abbildung und Spektroskopie von Exoplaneten auf engen Umlaufbahnen um ferne Sterne ermöglicht. Dieses Design birgt das Potenzial für den ersten direkten Nachweis einer zweiten Erde.
Das Weltraumteleskop Nancy Grace Roman (ehemals WFIRST) wird seit etwa einem Jahrzehnt unter der Leitung der NASA entwickelt. Der Durchmesser des Hauptspiegels beträgt 2,4 Meter und ist eine Kopie des Spiegels des Hubble-Weltraumteleskops. Für eines der beiden wissenschaftlichen Instrumente, das Coronagraph Instrument (CGI), baute das Max-Planck-Institut für Astronomie (MPIA) in Heidelberg zentrale opto-mechanische Komponenten. Das CGI stellt eine Technikstudie zur Erprobung eines neuen Messdesigns zum Nachweis von Exoplaneten durch direkte Abbildung dar. Sollte es wie erwartet zuverlässig Gasplaneten ähnlich dem Jupiter nahe ihrer Muttersterne in Form eines Lichtpunkts abbilden, könnte die Messmethode mit zukünftigen Weltraumteleskopen Gesteinsplaneten wie die Erde nachweisen und erforschen.
Der Beitrag des MPIA zum CGI
Das MPIA lieferte sechs Flugmodelle und weitere sechs Ingenieurmodelle der Precision Alignment Mechanisms (PAM), die optische Komponenten wie Spiegel und Filter des CGI für die Beobachtungen ausrichten und stabilisieren. Ingenieurinnen und Ingenieure des MPIA haben diese Elemente entworfen. Gefertigt und getestet wurden sie in den Werkstätten und Laboren des MPIA. Die Firma von Hoerner & Sulger aus Schwetzingen hat den Bau unterstützt.
Oliver Krause, Leiter der Forschungsgruppe für Infrarot-Weltraumastronomie, und sein Team haben diese Kernelemente des CGI seit dem Frühjahr 2022 nach und nach an das Jet Propulsion Laboratory (JPL) am California Institute for Technology (CalTech) in Pasadena, USA, ausgeliefert. Das JPL gehört zur NASA und beschäftigt sich mit der technischen Entwicklung von Weltraumsonden.
Das MPIA ist direkter Partner der NASA und des JPL im CGI-Projekt. Nicht zuletzt die herausragenden Leistungen bei der Konzeption und Fertigung der Mechanismen für NIRSpec und MIRI, die zentralen Messinstrumente des Weltraumteleskops James Webb, haben NASA und JPL überzeugt. NIRSpec und MIRI liefern seit Mitte 2022 spektakuläre Bilder und Daten.
Die PAM-Flugmodelle wurden bereits für den Weltraumeinsatz in das CGI eingebaut und ausführlich getestet. Die baugleichen Ingenieurmodelle dienen der Überprüfung der Spezifikationen am Boden. Darunter befindet sich ein Lebensdauermodell, das bereits über 27 000 Bewegungen durchgeführt hat. Das entspricht in etwa der doppelten Belastung eines Flugmodells während der Bodentests und der Mission im All. Ein weiterer Meilenstein bestand in der Auslieferung des CGI an Goddard Space Flight Center der NASA am 19. Mai 2024. Dort wird das Instrument in das Teleskop eingebaut und weiteren ausführlichen Funktions- und Belastungstests unterzogen.
Ein Kameradesign für die Suche nach einer zweiten Erde
Das CGI kombiniert erstmals zwei gängige Beobachtungstechniken für die Anwendung im All, die Koronografie und die adaptive Optik. Koronografen werden eingesetzt, um mit speziellen Masken helle Objekte auszublenden, um so schwächere Himmelskörper in ihrer Nähe sichtbar zu machen. Diese Methode wird auch heute schon genutzt, um Exoplaneten durch direkte Abbildung nachzuweisen. Allerdings führen die eingesetzten Masken rund um die abgeblendeten Sterne zu teils starken Bildartefakten. Dadurch werden mögliche Exoplaneten, die das Licht ihres Muttersterns reflektieren, zuverlässig nur in relativ großen Abständen nachgewiesen. So finden Astronominnen und Astronomen mit dieser Methode fast ausschließlich Riesenplaneten aus Gas, ähnlich dem Jupiter, die in einer relativ großen Entfernung vom Zentralstern ihre Bahnen ziehen.
Für kleinere Planeten mit engeren Bahnen müssen die Artefakte verringert werden. Aus diesem Grund verfügt das CGI zusätzlich über eine adaptive Optik, die einen höheren Helligkeitskontrast zwischen dem Stern und dem Planeten ermöglicht. Diese Technik finden wir üblicherweise in Teleskopen am Erdboden. Dort hilft sie dabei, Störungen in der Abbildung durch die Luftunruhe der Erdatmosphäre zu verringern
Im CGI minimiert die Technologie Störeffekte durch das optische System des Teleskops. Die dafür benötigte Rechenleistung ist allerdings eine neue Herausforderung für Weltraumkameras. Insgesamt sollte es den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern so gelingen, Exoplaneten so nah wie nie zuvor in der Nähe von hellen Muttersternen durch einen hellen Lichtpunkt im Bild sichtbar zu machen. Das CGI ist so konstruiert, dass es einen Planeten nachweisen kann, dessen naher Mutterstern eine Milliarde Mal so hell ist, was in etwa dem Unterschied zwischen Jupiter und der Sonne entspricht. Gegenüber heutigen Fähigkeiten entspricht das einer bis zu tausendfachen Verbesserung. Ein eingebauter Spektrograf ermöglicht sodann, die Zusammensetzung der Atmosphäre dieser Planeten zu erforschen.
Technik mit höchster Präzision
Damit das gelingt, müssen die vom MPIA gefertigten PAMs eine außerordentlich hohe Genauigkeit und Stabilität bei der Positionierung der optischen Elemente wie Filter, Koronografen und Spiegel über mehrere Stunden gewährleisten. Im Betrieb dürfen die PAMs über acht Stunden hinweg maximal um einen Winkel von 40 Millibogensekunden verkippen (3,6 Millionen Millibogensekunden ergeben ein Winkelgrad). Das entspricht einem Winkel, den man erhält, wann man von Heidelberg aus die Größe eines Menschen in Los Angeles wahrnehmen könnte.
Diese Anforderungen und die Komplexität des CGI machen es zum aufwendigsten und teuersten wissenschaftlichen Instrument, das je im All stationiert werden wird. Sollten die ersten Tests im All gelingen, wird das CGI Astronominnen und Astronomen zur Erforschung von Exoplaneten zur Verfügung gestellt.
Eine Blaupause für weitere Generationen
Bei einem erfolgreichen Abschluss der CGI-Mission könnte die verwendete Technologie für zukünftige Weltraumteleskope wie etwa dem Habitable Worlds Observatory weiter optimiert werden. Die direkte Abbildung einer zweiten Erde wäre dann in greifbarer Nähe.
Das Roman-Weltraumteleskop, das zunächst WFIRST (Wide-Field Infrared Survey Telescope) hieß, ist nach der Astronomin Nancy Grace Roman benannt, die jahrzehntelang astronomische Forschungsprogramme der NASA leitete. Unter anderem war sie für die wissenschaftliche Planung des Weltraumteleskops Hubble verantwortlich. Der Start des Roman-Teleskops ist für 2027 vorgesehen.
Hintergrundinformationen
Das CGI-Team am MPIA besteht aus Oliver Krause (Projektleitung PAM), Friedrich Müller (Systemingenieur und Leitung Zusammenbau), Monica Ebert (Konstruktion und Zusammenbau), Ralf-Rainer Rohloff (Konstruktion und Komponentenauswahl), Christopher Ritz (Konstruktion und Zusammenbau), Armin Böhm (Leitung Feinmechanikwerkstatt), Tobias Stadler und Kolleg*innen der Feinmechanikwerkstatt (Fertigung mechanischer Teile), Lars Mohr und Frank Whrel (Elektronikwerkstatt – Bau PAM EGSE), Ulrich Klaas (stellv. Projektmanager und Dokumentation), Clemens Plank (Projektmanager 2021 und 2022), Christopher Lee (Projektmanager 2020), Theodoros Anagnos (Testingenieur und Testautomatisierung) und Arnim Wolf (Einkauf und Versand).
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Referent für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
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Oliver Krause
Leitung Infrarot-Weltraumastronomie
Max-Planck-Institut für Astronomie
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Ulrich Klaas
Wissenschaftler Infrarot-Weltraumastronomie
Max-Planck-Institut für Astronomie
Heidelberg, Deutschland
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Weitere Informationen:
https://www.mpia.de/mpia-news/2024-roman-cgi-de - Originalpressemitteilung des MPIA mit weiteren Bildern und Videos