Wenn man nicht alles selber macht: Wie die Abhängigkeit von Wirtsproteinen Parasiten zum Verhängnis werden kann
Internationales Forschungsteam entdeckt gemeinsame Achillesferse der gefährlichen Erreger von Malaria und der Rinderkrankheit Theileriose – Neuer Ansatzpunkt für Therapien
Einzellige Parasiten können zahlreiche lebensbedrohliche Krankheiten bei Mensch und Tier verursachen. Weltweit bedeutsam sind vor allem die Erreger der Malaria und der Rinderkrankheit Theileriose, die schwerwiegende Auswirkungen haben, insbesondere in Ländern des globalen Südens. Ein internationales Forschungsteam unter Federführung der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) und der Universität Bern in der Schweiz hat nun eine gemeinsame Achillesferse dieser beiden Parasiten entdeckt, die für neue Therapien genutzt werden könnte: Stoffwechselprodukte der Wirtszellen, die für die Parasiten lebensnotwendig sind. Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht worden.
Im Fokus der Studie stehen der Malaria-Erreger Plasmodium falciparum sowie Rinderparasiten der Gattung Theileria. „Zwischen so nah verwandten Parasiten muss es etwas geben, das sie beide nutzen“, schildert Prof. Dr. Philipp Olias die Überlegungen. Er forscht am Institut für Veterinär-Pathologie der JLU und ist einer der Seniorautoren der Studie. „Wir wollten eine gemeinsame Schwachstelle finden, die man perspektivisch auch bei anderen einzelligen Parasiten ausnutzen kann.“ Dazu richteten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihr Augenmerk auf Stoffwechselproteine des Wirts, die für die Parasiten essenziell sind. Denn sowohl der Malaria-Erreger Plasmodium falciparum als auch die verschiedenen Theileria-Arten können bestimmte Nährstoffe nicht selbst herstellen und sind dafür auf die Wirtszellen angewiesen.
Die Wechselwirkungen der Parasiten mit der Wirtszelle sind hochkomplex und bislang noch nicht umfassend aufgeklärt. Trotz jüngster Fortschritte ist die Identifizierung von Stoffwechselproteinen des Wirts, die für diese Krankheitserreger essenziell sind, nach wie vor eine Herausforderung. Die Forschenden untersuchten nun die gemeinsamen Abhängigkeiten der Parasitengattungen Plasmodium und Theileria von Stoffwechselproteinen des Wirts auf genomischer Ebene. Dazu identifizierten sie mit Hilfe eines computergestützten neuartigen Stoffwechselmodells menschlicher Leberzellen und mit gentechnischen Methoden wie einem Hochdurchsatz-Screening mit der Genschere CRISPR/Cas9 die wichtigsten Stoffwechsel-Wirtsgene, die für das Überleben sowohl von Plasmodium- als auch von Theileria-Parasiten notwendig sind.
„Von den Stoffwechselproteinen, die durch unseren Ansatz identifiziert wurden, sind bestimmte Biosyntheseenzyme für das intrazelluläre Überleben der beiden tödlichen Parasiten essenziell, während andere Wirtsenzyme nur unter bestimmten Stoffwechselbedingungen wichtig für die Parasiten sind“, erklärt Koautorin Dr. Marina Maurizio, ehemalige Doktorandin in Olias‘ Arbeitsgruppe. „Diese Erkenntnis erklärt die Anpassungsfähigkeit von Plasmodium falciparum und seine Fähigkeit, selektiv Nährstoffe abzufangen.“ Die in der Studie identifizierten Schwachstellen der Parasiten Plasmodium und Theileria eröffnen neue Wege für die Entwicklung wirksamerer Therapien gegen die oft tödlichen Krankheiten Malaria und Theileriose. „Möglicherweise können sie auch für die Bekämpfung von Infektionen mit weiteren ähnlichen Parasiten eingesetzt werden“, so Prof. Olias.
Die Forschenden verfolgten in ihrer Studie den ganzheitlichen One-Health-Ansatz, der darauf abzielt, die miteinander verbundene Gesundheit von Menschen, Tieren und Ökosystemen ins Gleichgewicht zu bringen und zu optimieren. Der Malariaerreger Plasmodium falciparum ist mit jährlich mehr als 245 Millionen Malariaerkrankungen und mehr als 600.000 Todesfällen der wichtigste Parasit beim Menschen. Die verwandten tropischen Rinderparasiten der Gattung Theileria sind für den Tod von mehr als einer Million Rindern pro Jahr verantwortlich – für die kleinbäuerliche Viehzucht im globalen Süden eine Katastrophe.
Beteiligt an der Studie waren neben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der JLU und der Universität Bern auch Forschende der École Polytechnique Fédérale de Lausanne (Schweiz) und des Broad Institute of MIT and Harvard in Cambridge, Massachusetts (USA).
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Prof. Dr. Philipp Olias
Institut für Veterinär-Pathologie
Telefon: 0641 99-38200
E-Mail: philipp.olias@vetmed.uni-giessen.de
Originalpublikation:
Maurizio, M., Masid, M., Woods, K. et al. Host cell CRISPR genomics and modelling reveal shared metabolic vulnerabilities in the intracellular development of Plasmodium falciparum and related hemoparasites. Nat Commun 15, 6145 (2024).
https://doi.org/10.1038/s41467-024-50405-x