Broker statt Bollywood: Indische Professoren besuchen Coburger Campus
Eine Professorin und ein Professor aus Indien geben ihr Finanz-Know-how an Studierende der Hochschule Coburg weiter: Erstmals hat der englischsprachige MBA-Studiengang Financial Management hat im Sommersemester 2024 zwei Experten der BIM Trichy, einer Universität in Südindien, als Gastprofessoren eingeladen, um unterschiedliche Ansätze zur Unternehmensbewertung unter Einbeziehung von Bloomberg-Anwendungen zu lehren.
Krieg, Störungen auf der Angebotsseite, rasante technologische Entwicklungen: Viele Faktoren beeinflussen die Entwicklung der Finanzmärkte. Die Bewertung von Investitionen kann komplex sein. Für Unternehmens, für Optionen, Dividenden oder geistiges Eigentum wie Patente gibt es unterschiedliche theoretischen Ansätze. Und wie sieht es mit der Bewertung eines Start-ups aus? „Als Investor musst du wissen, wann du einen Vermögenswert kaufen, behalten oder verkaufen solltest“, sagt Suraj Jadhav. Der 37-Jährige studiert den englischsprachigen Master Financial Management an der Hochschule Coburg und vertieft sein Verständnis der Finanzwelt. Die Bewertung von Unternehmen in unterschiedlichen Settings hat er gerade mit einem neuen Wahlfach abgedeckt: „Investment Valuation with Bloomberg Applications“, das im Sommersemester 2024 erstmals von zwei Gastprofessoren des Bharathidasan Institute of Management (BIM Trichy) an der Hochschule Coburg gelehrt wird.
Internationale Runde im Bloomberg Lab in Coburg
Für Prof. Dr. V.P. Sriraman und Prof. Dr. Sadrita Deb ist es ihr erster Besuch in Deutschland. Aber wie kamen sie von Tiruchirappalli in Tamil Nadu ins fränkische Coburg? Eigentlich ist es ganz einfach: „Vor einem Jahr habe ich sie auf einer Konferenz in London kennengelernt“, erklärt Prof. Dr. Victor Randall, Leiter des MBA Financial Management Studiengangs in Coburg. „Ihr Vortrag hat mich so inspiriert, dass ich dachte: Wir brauchen diese Professoren in Coburg, um einen Kurs zur Investmentbewertung mit Bloomberg-Anwendungen zu unterrichten.“ Und jetzt stehen sie alle vor zwei großen Monitoren im neuen Bloomberg Lab (International Common Room (ICR) im Raum 10 des Gebäudes 9) und analysieren Charts, Grafiken und Zahlen, die auf großen Monitoren angezeigt werden. Bloomberg ist ein globaler Informationsdienst, das Finanzsoftware-Tools wie Analytics und Statistiken mit Echtzeit-Marktpreisen und Live-Finanzdaten kombiniert. Die Gastprofessoren lehren Corporate Finance und Valuation in Indien – und sind Bloomberg-Experten.
„Alle Finanzunternehmen haben in der Regel Bloomberg-Terminals“, sagt Prof. Dr. Sriraman. „Bloomberg hat viele, viele Funktionen.“ Wenn die Studierenden beispielsweise eine Karriere als Investmentbanker beginnen, können sie dieses wichtige Tool sofort nutzen. Der indische Professor lächelt. „Ich hoffe, dass dieser Kurs ihnen in ihrer weiteren Karriere wirklich von Nutzen sein wird.“ Prof. Deb fügt hinzu: „Wenn sie in ihrem Lebenslauf erwähnen, dass sie Bloomberg-zertifiziert sind, dann verschafft ihnen das definitiv einen Vorteil.“ Die Professorin erklärt, dass ihr Kurs theoretisches Wissen über die verschiedenen Bewertungskonzepte, -methoden und -herausforderungen mit praktischem learning by doing kombiniert. Bloomberg-Anwendungen ermöglichen es den Studierenden, Echtzeitdaten zu interpretieren.
Internationale Expertise, fränkische Lebenskompetenz
Die Fähigkeit, eine Bewertung von Investitionen vorzunehmen, ist äußerst nützlich: Shrenik Chowdhari berichtet: „Vermögenswerte einzuschätzen hilft mir nicht nur bei der Arbeit, sondern auch in meinem Privatleben, wo ich fundierte Anlageentscheidungen treffen muss.“ Der 27-jährige FM-Student ist auch gespannt, wie er sein Wissen während seines Praktikums bei der Allianz anwenden kann. Und es wird ihm bei seiner Masterarbeit helfen, in der er sich mit dem Zusammenbruch der Silicon Valley Bank beschäftigt. Wie sein Kommilitone Suraj Jadhav, der sich auf sein Praxissemester bei BMW freut, kam er aus Indien nach Coburg, um FM zu studieren. Suraj schreibt derzeit ebenfalls seine Masterarbeit. „Das Studium in Coburg war für mich ein echter Wendepunkt, ein Game Changer, weil ich die Natur mag und es eine ruhige Umgebung bietet, in der man einfach an sich selbst denken, sich auf sein Studium konzentrieren und die Natur genießen kann. Und ich habe ziemlich viele einheimische Familien kennengelernt. Sie sind wirklich gastfreundlich.“
Prof. Dr. Parthasarathy Sriraman bestätigt, der Ort sei „bildschön“. Es gibt weniger Studierende und die Kurse sind kleiner. Aus Sriramans Sicht ein klarer Vorteil. Er empfiehlt das Studium hier aber auch aus einem anderen Grund: „Die Studierenden werden unabhängiger und selbstständiger, weil sie sich um ihre Ernährung kümmern müssen, sie müssen sich um ihre Arbeit und auch um ihr Studium und viele andere Dinge gleichzeitig kümmern.“ Für deutsche Studis völlig normal – aber Prof. Dr. Sadrita Deb sieht das ebenfalls als besonderen Pluspunkt: „Studierende aus Indien und anderen Kulturen sollten hierherkommen, weil sie nicht nur interessante Fächer lernen, sondern wichtige Lebenskompetenzen erwerben.“
Text: Natalie Schalk