International renommierter Pflanzenvirenforscher Dr. Stephan Winter geht in den Ruhestand
Nach fast 30jähriger Tätigkeit geht der Leiter der Abteilung für Pflanzenviren des Leibniz-Institut DSMZ in Braunschweig in den Ruhestand
Das Leibniz-Institut DSMZ-Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen GmbH verfügt über die weltweit umfangreichste Pflanzenviren-Sammlung. Der Leiter der Abteilung für Pflanzenviren Dr. Stephan Winter geht jetzt in den wohlverdienten Ruhestand. Doktor Winter studierte Landwirtschaft in Gießen und Bonn wobei er sich zunächst auf Pflanzenproduktion und später auf Pflanzenkrankheiten spezialisierte. Nach seiner Promotion im Bereich Pflanzenvirologie absolvierte er einen Postdoc-Aufenthalt in Vancouver. Nach seiner Zeit in Kanada beschäftigte er sich mit tropischen Pflanzen. Daher setzte er seine Forschung zwei Jahre lang in Nigeria für die Weltbank fort, bevor er 1995 als Abteilungsleiter an die DSMZ wechselte. Jetzt ist Stephan Winter nach fast 30 Jahren Tätigkeit in den Ruhestand gegangen. Im Interview mit der DSMZ-Stabsstelle Presse und Kommunikation berichtet der Wissenschaftler über seine Tätigkeit.
Internationale Bedeutung der Abteilung für Pflanzenviren der DSMZ
Die Nähe zum Julius-Kühn-Institut, in dem sich die Forschungsgewächshäuser und ein Teil der Labore der Abteilung für Pflanzenviren der DSMZ befinden, sowie die Möglichkeit, die Abteilung weiter auszubauen und neue Forschungsschwerpunkte zu setzen, waren ausschlaggebend für Dr. Stephan Winter, die Rolle als Abteilungsleiter anzunehmen. Es war ihm ein großes Anliegen, die Abteilung und ihre Mitarbeiter in eine neue, internationale Richtung zu lenken. „Zusammen mit meinem Team gelang es mir, die Abteilung Pflanzenviren der DSMZ zu einem bedeutenden Forschungsstandort auszubauen und die weltweit größte Sammlung von Pflanzenviren aufzubauen“, so Dr. Winter. Die Strukturierung der Abteilung erforderte viel konzeptionelles Engagement, doch der Aufwand hat sich für Dr. Winter und sein Team gelohnt. „Viele Dinge sind bis heute meine ureigenen Aktivitäten“, erklärt er. Dazu zählt der Aufbau von Datenbanken, die Erforschung neuartiger Viren, die Entwicklung innovativer Virusdiagnostik und die Erweiterung der Pflanzenvirensammlung. Doktor Winter war die treibende Kraft hinter diesen Projekten, betont jedoch, dass dies ohne die tatkräftige Unterstützung der wissenschaftlichen und technischen Mitarbeitenden nicht möglich gewesen wäre. Alle bringen besondere Fähigkeiten mit, wodurch eine interessante, familienähnliche Struktur entstanden ist. Die Abteilung international ins Zentrum zu rücken, war eines der Highlights seiner beruflichen Laufbahn. Durch die Ausbildung von fast 50 Personen, von Masterstudierenden bis hin zu Promovierenden aus verschiedenen Ländern, wurden viele internationale Eindrücke in die Abteilung eingebracht, was zur Internationalisierung des Fachgebiets bei der DSMZ beigetragen hat.
Global anerkannt: Cassava-Forschung bei der DSMZ
Nicht nur die Tätigkeit als Abteilungsleiter, sondern auch die Forschung spielte eine zentrale Rolle in der Laufbahn von Dr. Stephan Winter. Besonders am Herzen liegt ihm die Erforschung von Viruskrankheiten tropischer Pflanzen, da sich diese Viren allmählich auch auf heimische Anbaugebiete ausbreiten. Eines der bedeutendsten Projekte seiner Laufbahn befasst sich mit der Cassava, einer wichtigen Nahrungspflanze, die in tropischen und subtropischen Regionen, insbesondere in Afrika südlich der Sahara, gedeiht. Cassava ist als Nahrungspflanze für viele hundert Millionen Menschen überlebenswichtig. Virusepidemien in afrikanischen Cassava-Anbaugebieten, besonders in Ost- und Zentralafrika in den 80er und 90er Jahren, wurden zur zentralen Forschungsaufgabe, da zunächst wenig über die Viren bekannt war und es keine resistenten Pflanzen für die Züchtung gab. Stephan Winter wurde schnell klar, dass er sich dieser Thematik widmen und seine Erfahrungen einbringen muss. Das begann zunächst mit der Charakterisierung der Viren und entsprechender Diagnostik. In den Jahren 2004 und 2005 gelang es ihm, Cassava-Pflanzen zu identifizieren, die gegen das Virus resistent waren. Diese wurden anschließend für die weitere Züchtung ausgewählt. Etwa zur gleichen Zeit brachen jedoch neuartige Cassavaviren aus, die Dr. Winter bereits in früheren Forschungen auffielen. Zunächst zögerlich begann er, mit Unterstützung der DSMZ, an diesen neuen Viren zu forschen. Nach einem amerikanischen NSF-Grant im Jahr 2009 wurde die Bill & Melinda Gates Stiftung auf dieses Projekt aufmerksam und unterstützte es finanziell. Dank dieser Unterstützung konnten die Forschenden das Virus intensiver untersuchen. Da in Afrika keine natürliche Resistenz gegen das Virus gefunden werden konnte, setzten die Forschenden der DSMZ ihre Suche in Südamerika fort und wurden dort fündig. In Deutschland führten die Pflanzenvirenforscher weitere Resistenztests mit den südamerikanischen Cassava-Pflanzen durch, unterstützt von der damaligen Doktorandin Dr. Samar Sheat und einem Team technischer Assistentinnen, die viel Erfahrung im Umgang mit der Cassava-Pflanze hatten. In relativ kurzer Zeit konnten sie eine resistente Cassava-Sorte identifizieren und im Feld anpflanzen. Doktor Winter betont: „Mein großes Glück ist, dass ich etwas angefangen habe, etwas entdeckt habe und nun dabei bin, es zum Erfolg zu bringen.“ Doktorin Sheat, inzwischen Postdoc an der DSMZ, wird die Cassava-Forschung von Dr. Winter fortsetzen. Auch Dr. Winter möchte nach seinem Eintritt in den Ruhestand weiter eine unterstützende Rolle einnehmen. Seine umfangreichen internationalen Erfahrungen können weiterhin von großer Bedeutung sein. Ob er seine Forschung im Kongo fortsetzt oder sich neuen Herausforderungen an einem anderen Ort widmet – der Pflanzenvirologe ist entschlossen, weiterhin seine Expertise einzubringen und wird nicht von der Pflanzenviren-Forschungslandschaft verschwinden.
Pflanzengesundheit ist Ernährungssicherheit
Zum Ende des Interviews betont Dr. Stephan Winter die immense Bedeutung der Pflanzengesundheit. Für ihn erstreckt sich dieses Thema weit über die Bekämpfung von Viren hinaus und umfasst ein breites Spektrum an Aspekten. Besonders hervorzuheben ist dabei die Rolle der Pflanzengesundheit für die Ernährungssicherheit der Weltbevölkerung und die Auswirkungen der Pflanzengesundheit auf die Umwelt. Die aktuelle Renaissance in der Pflanzenforschung sieht er als eine wertvolle Chance für die Bewältigung zukünftiger Herausforderungen. Diese umfassen die Anpassung von Pflanzen an neue Klimabedingungen, die Steigerung der Ernteerträge, die Reduzierung des Einsatzes von Pestiziden sowie die Optimierung der Nährstoffnutzung. Diese Themen seien nicht nur aktuell, sondern auch wegweisend für die Zukunft der Landwirtschaft und des Umweltschutzes. Pflanzenviren sind essenzielle Bestandteile natürlicher Ökosysteme. Doch die Viren, die Krankheiten bei Kultur- und Nutzpflanzen hervorrufen, können eine ernsthafte Bedrohung für die stabile Versorgung mit Nahrungsmitteln darstellen und somit die Lebensgrundlage großer Bevölkerungsgruppen gefährden.
DSMZ-Pressekontakt:
PhDr. Sven-David Müller, Pressesprecher des Leibniz-Instituts DSMZ-Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen GmbH
Tel.: 0531/2616-300
E-Mail: press@dsmz.de
Über das Leibniz-Institut DSMZ
Das Leibniz-Institut DSMZ-Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen GmbH ist die weltweit vielfältigste Sammlung für biologische Ressourcen (Bakterien, Archaeen, Protisten, Hefen, Pilze, Bakteriophagen, Pflanzenviren, genomische bakterielle DNA sowie menschliche und tierische Zellkulturen). An der DSMZ werden Mikroorganismen sowie Zellkulturen gesammelt, erforscht und archiviert. Als Einrichtung der Leibniz-Gemeinschaft ist die DSMZ mit ihren umfangreichen wissenschaftlichen Services und biologischen Ressourcen seit 1969 globaler Partner für Forschung, Wissenschaft und Industrie. Die DSMZ ist als gemeinnützig anerkannt, die erste registrierte Sammlung Europas (Verordnung (EU) Nr. 511/2014) und nach Qualitätsstandard ISO 9001:2015 zertifiziert. Als Patenthinterlegungsstelle bietet sie die bundesweit einzige Möglichkeit, biologisches Material nach den Anforderungen des Budapester Vertrags zu hinterlegen. Neben dem wissenschaftlichen Service bildet die Forschung das zweite Standbein der DSMZ. Das Institut mit Sitz auf dem Science Campus Braunschweig-Süd beherbergt mehr als 87.500 Bioressourcen und hat fast 230 Beschäftigte. www.dsmz.de
Über die Leibniz-Gemeinschaft
Die Leibniz-Gemeinschaft verbindet 96 selbständige Forschungseinrichtungen. Ihre Ausrichtung reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Raum- und Sozialwissenschaften bis zu den Geisteswissenschaften. Leibniz-Institute widmen sich gesellschaftlich, ökonomisch und ökologisch relevanten Fragen. Sie betreiben erkenntnis- und anwendungsorientierte Forschung, auch in den übergreifenden Leibniz-Forschungsverbünden, sind oder unterhalten wissenschaftliche Infrastrukturen und bieten forschungsbasierte Dienstleistungen an. Die Leibniz-Gemeinschaft setzt Schwerpunkte im Wissenstransfer, vor allem mit den Leibniz-Forschungsmuseen. Sie berät und informiert Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Öffentlichkeit. Leibniz-Einrichtungen pflegen enge Kooperationen mit den Hochschulen - in Form der Leibniz-WissenschaftsCampi, mit der Industrie und anderen Partnern im In- und Ausland. Sie unterliegen einem transparenten und unabhängigen Begutachtungsverfahren. Aufgrund ihrer gesamtstaatlichen Bedeutung fördern Bund und Länder die Institute der Leibniz-Gemeinschaft gemeinsam. Die Leibniz-Institute beschäftigen rund 20.500 Personen, darunter 11.500 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Der Gesamtetat der Institute liegt bei 2 Milliarden Euro. www.leibniz-gemeinschaft.de