Gezieltes Training kann Lebensqualität von Frauen mit unheilbarem Brustkrebs deutlich steigern
Frauen mit fortgeschrittenem, nicht heilbarem Brustkrebs leiden häufig unter krankheits- und behandlungsbedingten Nebenwirkungen wie Erschöpfung, verminderter körperlicher Fitness und Schmerzen. Prof. Philipp Zimmer, der den Arbeitsbereich Leistung und Gesundheit (Sportmedizin) am Institut für Sport und Sportwissenschaften der TU Dortmund leitet, hat gemeinsam mit internationalen Forscher*innen untersucht, wie sich gezielte Sporteinheiten auf das Wohlbefinden und das Nebenwirkungsprofil solcher Patient*innen auswirken. Die Ergebnisse sind nun in Nature Medicine publiziert worden.
Brustkrebs ist mit etwa 2,3 Millionen Neuerkrankungen im Jahr 2020 die weltweit am häufigsten diagnostizierte Krebsart, im selben Jahr starben fast 700.000 Menschen an der Krankheit. Bei Patient*innen, deren Krebs bereits Metastasen gebildet hat, konnte die Medizin gute Fortschritte in der Überlebenszeit erzielen. In den vergangenen zehn Jahren konnte jedoch keine substanzielle Verbesserung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität gemessen werden. Ob Bewegung sich auch bei fortgeschrittenen Krebserkrankungen positiv auswirkt, war bislang nur unzureichend untersucht worden. Hier setzt die von Prof. Zimmer mitinitiierte und von der EU geförderte internationale Studie an, an der auch Forscher*innen aus Köln, Heidelberg, den Niederlanden, Schweden, Polen, Spanien und Australien beteiligt waren.
Insgesamt nahmen 357 Personen mit fortgeschrittenem Brustkrebs über einen Zeitraum von neun Monaten an einem Sportprogramm teil. Dabei absolvierte die Hälfte zwei Mal pro Woche ein einstündiges beaufsichtigtes und individuell zugeschnittenes Training, das aus Balance-Übungen sowie Ausdauer- und Krafttraining bestand. Außerdem sollten die Teilnehmenden an den restlichen fünf Wochentagen mindestens dreißig Minuten täglich körperlich aktiv sein, was per App und Fitness-Tracker nachgehalten wurde. Die zweite Hälfte bildete die Kontrollgruppe. Auch diese Teilnehmer*innen erhielten Fitness-Tracker und einen Zugang zur Fitness-App und wurden dazu aufgefordert, in der Woche 150 Minuten Ausdauertraining und zwei- bis dreimal pro Woche Krafttraining zu absolvieren, nahmen jedoch nicht an speziellen Trainingseinheiten teil.
Bei der Gruppe, die das gezielte Training absolviert hatte, konnten die Forscher*innen eine signifikant bessere gesundheitsbezogene Lebensqualität als bei der Kontrollgruppe beobachten sowie ein deutlich geringeres Maß an Erschöpfung, die auch als Fatigue bezeichnet wird. Das Training wirkte sich unter anderem auch positiv auf die körperliche Fitness, Schmerzen und Kurzatmigkeit aus. „Es ist fantastisch zu sehen, dass man mit vergleichsweise einfachen Mitteln auch Menschen im letzten Lebensabschnitt helfen kann“, sagt Prof. Philipp Zimmer. „Unsere Ergebnisse könnten die Aufnahme detaillierterer Bewegungsempfehlungen in die aktuellen internationalen Leitlinien für fortgeschrittenen Brustkrebs erleichtern.“
Eine andere Publikation von Prof. Zimmer und seinem Team, die kürzlich im renommierten Journal Signal Transduction and Targeted Therapy erschienen ist, beschäftigt sich ebenfalls mit der Frage, warum Sport an bestimmten Stellen im Körper ähnlich wie ein Medikament wirken kann. Obwohl es zahlreiche Belege für die positiven Auswirkungen von körperlicher Betätigung auf die Prävention und Behandlung verschiedener Krankheiten gibt, sind die zugrundeliegenden biologischen Mechanismen nur rudimentär verstanden. Durch körperliche Betätigung werden zahlreiche Signalmoleküle – sogenannten Exerkine – aus verschiedenen Geweben wie der Skelettmuskulatur, dem Herzmuskel sowie dem Fett- und Lebergewebe freigesetzt. In der Publikation wird der präventive und therapeutische Wert der Exerkin-Signalübertragung bei verschiedenen Krankheiten beleuchtet, wobei die Interaktion von Organsystemen im Zentrum steht.
In diesem Kontext diskutiert ein weiterer aktueller Artikel der Forscher*innen im Journal Nature Reviews Immunology, inwieweit Sport die körpereigene Tumorabwehr stimuliert. Im Detail geht es um die Frage, warum Sport der Entstehung und dem Progress von bestimmten Tumorerkrankungen entgegenwirkt und bei anderen nicht. „An einigen Stellen im Körper wirkt Sport mechanistisch gesehen ganz ähnlich wie moderne Immuntherapien“, sagt Prof. Philipp Zimmer. „Sport ist kein Allheilmittel, kann im Kontext von Krebserkrankungen eine medizinische Therapie aber ergänzen, indem deren Wirkung verstärkt wird oder Nebenwirkungen reduziert werden.“
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Prof. Philipp Zimmer
Institut für Sport und Sportwissenschaft der TU Dortmund
Tel.: 0231 755-7436
E-Mail: philipp.zimmer@tu-dortmund.de
Originalpublikation:
Zu den Originalpublikationen:
Nature Medicine: https://doi.org/10.1038/s41591-024-03143-y
Signal Transduction and Targeted Therapy: https://doi.org/10.1038/s41392-024-01841-0
Nature Reviews Immunology: https://doi.org/10.1038/s41577-024-01001-z