Schwangerschaften nach allogener Stammzelltransplantation – Ergebnisse einer nationalen Studie
Eine neue nationale multizentrische Studie bietet durchaus Hoffnung für Frauen, die sich einer allogenen Stammzelltransplantation (alloHCT) unterzogen haben. Die Ergebnisse der Studie wurden aktuell im renommierten „Blood Journal“ publiziert und zeigen, dass erfolgreiche Schwangerschaften unter bestimmten Bedingungen möglich sind, insbesondere bei jüngeren Frauen, Patientinnen mit nicht-malignen Erkrankungen, und solchen, die keine oder nur eine niedrige Dosis an Ganzkörperbestrahlung (TBI) erhielten.
ie allogene Stammzelltransplantation (alloHCT) ist bei vielen hämatologischen Neoplasien die einzige kurative Therapieoption. Fortschritte in den Transplantationsverfahren und optimierte Supportivtherapien haben zu einem steten Anstieg von Langzeitüberlebenden geführt. Vor allem für junge Erwachsene spielt das Thema Familienplanung nach überstandener Krebserkrankung eine wichtige Rolle. Allerdings besteht nach allogener Stammzelltransplantation ein hohes Risiko für therapiebedingte Infertilität. Trotz sporadisch berichteten Schwangerschaften fehlen systematische Daten zu Schwangerschafts- und Geburtenraten bei weiblichen Transplantatempfängern.
Gemeinsam mit der Kooperativen Transplantationsstudiengruppe (KTS) wurde daher ein großes nationales Projekt zur „Erfassung von Schwangerschaften nach allogener Stammzelltransplantation in Deutschland“ unter Leitung der Medizinischen Klinik I in Kooperation mit dem Kinderwunschzentrum am Universitätsklinikum Dresden initiiert. Analysiert wurden dabei die Daten aller Frauen, die im gebärfähigen Alter (zwischen 18 und 40 Jahren) zwischen 2003 und 2018 eine allogene Stammzelltransplantation in einem deutschen Transplantationszentrum durchlaufen hatten.
Wesentliche Ergebnisse:
Insgesamt wurden 2.654 Frauen im gebärfähigen Alter zwischen 2003 und 2018 in Deutschland Stammzellen transplantiert. Schwangerschaften wurden bei 50 dieser Frauen dokumentiert, manche sind mehrfach schwanger geworden, so dass insgesamt 74 Schwangerschaften resultierten. Ein Großteil der Schwangerschaften verlief erfolgreich, mit 57 Lebendgeburten. Faktoren wie jüngeres Alter zum Zeitpunkt der Transplantation, nicht-maligne Grunderkrankung und weniger intensive Konditionierungsprotokolle sowie niedrigere Bestrahlungsdosen (<8 Gray) der Ganzkörperbestrahlung waren mit erhöhten Mutterschaftschancen assoziiert. Besonders bemerkenswert war der hohe Anteil von Spontanschwangerschaften (77%), während in den restlichen Fällen assistierte reproduktive Technologien (ART) zum Einsatz kamen. Frühgeburt und niedriges Geburtsgewicht traten häufiger auf als in der Allgemeinbevölkerung.
Die Hauptautorin der Studie Dr. Katja Sockel betont, dass diese Daten nicht nur als eine wichtige Grundlage für das alltägliche ärztliche Aufklärungsgespräch zur allogenen Stammzelltransplantation von jungen Patientinnen mit noch bestehendem Kinderwunsch genutzt werden können, sondern darüber hinaus auch wertvolle Erkenntnisse zur weiteren Optimierung des Transplantationsverfahrens bei jungen Patientinnen im Sinne einer individualisierten Patientenbetreuung liefern.
„Eine optimale Therapie ist immer auch mit der Zufriedenheit der Patientinnen verbunden. Diese Erkenntnisse ermöglichen es uns, die Behandlungsstrategien zu verfeinern und damit die Lebensqualität und Familienplanung unserer Patientinnen nachhaltig zu verbessern.“ – Prof. Dr. med. D. Michael Albrecht, Medizinischer Vorstand.
Schlussfolgerungen:
Diese Studie stellt den größten Datensatz dar, der Schwangerschaften bei erwachsenen weiblichen alloHCT-Empfängerinnen berichtet und gibt Hoffnung, dass trotz intensiver Behandlung und gesundheitlicher Herausforderungen erfolgreiche Schwangerschaften realistisch sind. Eine frühzeitige interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Onkologen und Reproduktionsmedizinern zur Planung fertilitätserhaltender Maßnahmen, wie sie am NCT/UCC Dresden in Kooperation mit dem Kinderwunschzentrum der Frauenklinik etabliert ist, stellt hierfür eine Voraussetzung dar. Prof. Dr. med. Dr. Esther Troost, Dekanin der Medizinischen Fakultät und zugleich Radioonkologin, betont: „Diese Daten bringen uns einen Schritt weiter in Richtung einer verbesserten Lebensqualität bei gleichzeitig ausgezeichnetem onkologischen Behandlungsergebnis.“
Prof. Dr. med. Martin Bornhäuser, Geschäftsführender Direktor, NCT/UCC Dresden fügt hinzu: „Junge Erwachsene mit und nach Krebserkrankungen stellen eine Patientengruppe mit besonderen Bedürfnissen dar. Das Erreichen einer normalen Lebensqualität nach überstandener Krebserkrankung ist ein zentrales Ziel für uns am NCT/UCC Dresden. Die Erkenntnisse derartiger Studien geben uns dabei wichtige Hinweise zur Verbesserung der Behandlungsstrategien, um Langzeittoxizitäten zu mindern.“
Um den besonderen Bedürfnissen junger Erwachsener Krebspatienten gerecht zu werden, bestehen am Universitätsklinikum weitere interdisziplinäre Kooperationen, wie beispielsweise die Transitionsambulanz. Hier führen die Kinderonkologie unter der Leitung von Prof. Schewe und die Medizinische Klinik I unter Prof. Bornhäuser in einer gemeinsamen interdisziplinären Sprechstunde die Langzeitnachsorge für Jugendliche und junge Erwachsene nach Krebserkrankungen durch.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Dr. med. Katja Sockel
katja.sockel@ukdd.de
Originalpublikation:
https://doi.org/10.1182/blood.2024024342