Frühe Säugetiere lebten länger: Uni Bonn untersucht Lebensspanne und Wachstumsverlauf von frühen Säugetieren
Wie wuchsen und entwickelten sich frühe Säugetiere in der Jurazeit? Dieser Frage sind Forschende der Queen Mary University of London und der Universität Bonn nachgegangen. Indem sie Wachstumsringe in versteinerten Zahnwurzeln untersuchten, konnten die Paläontologinnen und Paläontologen die Lebensspanne, die Wachstumsraten und sogar den Zeitpunkt der Geschlechtsreife dieser uralten Lebenswesen bestimmen. Die Studie ist jetzt in „Science Advances“ erschienen. ACHTUNG SPERRFRIST: Nicht vor Mittwoch, 7. August, 20 Uhr veröffentlichen!
„Das ist das erste Mal, dass wir den Wachstumsverlauf dieser frühen Säugetiere so detailliert rekonstruieren konnten“, sagt Erstautor Dr. Elis Newham, Postdoc an der Queen Mary University of London, der während der Studie bis zum 31. März 2024 als Alexander von Humboldt-Forschungsstipendiat an der Universität Bonn tätig war.
Für seine Studie nutzte das Team versteinerte Zahnwurzeln von Säugetierarten aus dem frühen bis späten Jura (200 bis 150 Millionen Jahre vor heute), die an drei verschiedenen Orten gefunden wurden: Während die Funde aus Wales einige der ältesten bekannten Vorläufer der Säugetiere aus der frühen Jurazeit umfassen, weisen die Fossilien aus Oxfordshire, UK, eine besonders breite Diversität von zusammenlebenden frühen Säugetieren auf. Die Fossilien aus der dritten Fundstätte in Portugal stammen aus dem späten Jura.
Fossile Zahnwurzeln im Röntgengerät
Diese Fossilien untersuchte das Forschungsteam mithilfe der sogenannten Synchrotron-Röntgentomographie. Im Gegensatz zur herkömmlichen Röntgenbildgebung werden bei dieser Technik die Elektronen auf nahezu Lichtgeschwindigkeit beschleunigt. Das bringt mehrere Vorteile mit sich: Die zu untersuchenden Fossilien müssen nicht mehr präpariert, also in Scheiben geschnitten werden; sie können in ihrer Gesamtheit untersucht werden. Gleichzeitig sind die Bildaufnahmen mit der Synchrotron-Röntgentomographie von höherer Qualität als mit herkömmlicher Mikro-Computertomographie.
Mit diesen Fossilien gelang es den Forschenden, winzige Wachstumsringe in fossilem Wurzelzement, dem Knochengewebe, das die Zähne am Kiefer befestigt, abzubilden. „Diese Ringe ähneln denen von Bäumen, allerdings auf mikroskopischer Ebene“, erklärt Prof. Thomas Martin von der Arbeitsgruppe „Vertebraten – Säugetiere“ am Bonner Institut für Organismische Biologie der Universität Bonn und einer der Seniorautoren der Studie. „Durch das Zählen der Ringe und die Analyse ihrer Dicke und Beschaffenheit konnten wir die Wachstumsmuster und Lebensspannen der ausgestorbenen Tiere rekonstruieren.“
Die Forschenden fanden heraus, dass die ersten Anzeichen von Wachstumsmustern wie sie bei heutigen Säugetieren auftreten, wie zum Beispiel der Wachstumsschub in der Pubertät, vor rund 150 Millionen Jahren entstanden. Dennoch wuchsen die frühen Säugetiere deutlich langsamer, lebten dafür aber wesentlich länger als heutige Kleinsäugetiere: Statt ein bis zwei Jahre wie beispielsweise Mäuse, lebten die Vorfahren zwischen acht und 14 Jahre. Dafür erlangten die frühen Säugetiere jedoch erst nach Jahren ihre Geschlechtsreife – im Gegensatz zu ihren heutigen Nachfahren, die bereits nach wenigen Monaten geschlechtsreif sind.
„Unsere Ergebnisse lassen vermuten, dass die einzigartigen lebensgeschichtlichen Merkmale von Säugetieren, wie beispielsweise hohe Stoffwechselraten und lange elterliche Betreuung der Jungtiere sich über Millionen von Jahren entwickelt haben. Die Jurazeit scheint eine entscheidende Zeit in dieser Entwicklung gewesen zu sein“, fasst Elis Newham zusammen.
Beteiligte Institutionen und Förderung
Neben der Queens University of London und der Universität Bonn waren an der Studie die Universität Helsinki, der Geological Survey of Finland, das Natural History Museum (UK), die University of Hull (UK), das European Synchrotron Radiation Facility (Frankreich), die University of Southampton (UK), das College of Osteopathic Medicine (USA), die University of Bristol (UK), sowie die University of Edinburgh (UK), beteiligt.
Die Studie wurde durch die folgenden Institutionen ermöglicht: das European Community's Seventh Framework Programme, Engineering and Physical Sciences Research Council Studentship sowie Alexander von Humboldt Research Forschungsstipendium für Elis Newham, Paul Scherrer Institut, Academy of Finland, Gingko Investments LTD, Versus Arthritis grant 23115.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Kontakt für die Medien:
Prof. Dr. Thomas Martin
Bonner Institut für Organismische Biologie
Universität Bonn
E-Mail: tmartin@uni-bonn.de
Telefon: +49 15168164510
Originalpublikation:
Elis Newham, et al.: The origins of mammal growth patterns during the Jurassic mammalian radiation. Science Advances 2024. DOI: 10.1126/sciadv.ado4555; https://doi.org/10.1126/sciadv.ado4555