Stress im Ökosystem: Die Wolken fliegen höher
Abholzung verschärft den Klimawandel in tropischen Bergregenwäldern wie etwa am Kilimandscharo
Die Bergwälder in Afrika stehen durch die zunehmende Entwaldung durch den Menschen deutlich unter Stress. Und der Klimawandel setzt dem noch eins drauf: Wie Marburger Geograph*innen herausgefunden haben, sind die afrikanischen Bergwälder in den letzten zwei Jahrzehnten um rund 20 Prozent geschrumpft. Dadurch stieg die durchschnittliche Lufttemperatur, und die umgebenden Wolken liegen über 230 Meter höher. In Bergregionen wie am Kilimandscharo können die Wälder dadurch deutlich weniger Wasser aus den Wolken „auskämmen“. „Das hat weitreichende Konsequenzen für den Wasserhaushalt und die Biodiversität in Afrika“, kommentiert Dr. Dirk Zeuss vom Fachbereich Geographie der Philipps-Universität Marburg die Ergebnisse einer Studie mit internationaler Forschungsbeteiligung. Die Forschenden berichten über ihre Untersuchungen im Fachmagazin „Nature Communications“.
Die tropischen Bergwälder sind einzigartig in ihrer Biodiversität und ihren sogenannten Ökosystemdienstleistungen. Zu letzteren gehört beispielsweise die Produktion von Frischwasser für die Natur und auch den Menschen. Anhand von Satellitendaten hat das Marburger Forschungsteam berechnet, dass in den Jahren 2003 bis 2022 etwa 18 Prozent des Waldes verloren gingen. Gründe dafür sind unter anderem die kleinbäuerliche Landwirtschaft und der Holzeinschlag. Infolge des Waldverlusts ändern sich auch weitere Umweltbedingungen, fanden die Forschenden durch das Zusammenführen verschiedenster Umweltdatensätze heraus. So stieg die Lufttemperatur um etwa 1,4 Grad Celsius und die untere Wolkenkante rückte 236 Meter nach oben. „Diese Verschiebung in Temperatur und Wolkenbildung kommt dabei eindeutig nicht durch den eh schon vorhandenen Klimawandel, sondern durch den Verlust der Bergwälder“, interpretiert Dr. Dirk Zeuss die Ergebnisse. „Am Kilimandscharo in Tansania wurden seit 1880 bereits über 50 Prozent der Waldfläche vernichtet“, ergänzt Dr. Andreas Hemp, Ko-Autor der Studie von der Universität Bayreuth, der seit 35 Jahren am Kilimandscharo lebt und forscht.
„Das bedeutet, dass von Menschen gemachte Eingriffe wie das Abholzen den Klimawandel verschärfen“, erläutert der Marburger Forscher Dr. Temesgen Abera. „Wir müssen also sehr viel stärker die Bergwälder in den Blick nehmen und vor Abholzung schützen, da sie Biodiversität, Frischwasserproduktion und viele andere Ökosystemleistungen in den Tropen bedroht.“ Abera ist derzeit Forschungsstipendiat der Alexander von Humboldt-Stiftung an der Uni Marburg.
Zur Publikation trugen Forschungsgruppen unter Marburger Leitung von der Universität in Helsinki, Finnland, dem finnischen Meteorologischen Institut in Helsinki, der Universität Bayreuth, der Universität in Addis Abeba, Äthiopien, der Wuhan-Universität, China, und der North-West-Universität in Südafrika bei.
Bildtext: Abholzung in tropischen Bergwäldern lässt die Lufttemperatur ansteigen. Die Wolken fliegen höher. Dadurch können die Bergwälder wie hier am Kilimandscharo deutlich weniger Wasser ‚auskämmen‘. Der Wasserhaushalt leidet. Und der Klimawandel verschärft sich, hat eine Forschungsgruppe Marburger Geograph*innen herausgefunden. Foto: Andreas Hemp
Bild zum Download: https://www.uni-marburg.de/de/aktuelles/news/2024/kilimandscharo
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Dr. Dirk Zeuss
Fachbereich Geographie
Philipps-Universität Marburg
Tel.: 06421 28 25926
E-Mail: dirk.zeuss@uni-marburg.de
Originalpublikation:
Temesgen Abera, et al, Nature Communications (2024), DOI: https://doi.org/10.1038/s41467-024-51324-7