Astronomische Gesellschaft gibt Auszeichnungen 2024 bekannt
Die Astronomische Gesellschaft (AG), die deutsche Fachgesellschaft für Astronomie und Astrophysik, hat ihre Preisträgerinnen und Preisträger für 2024 benannt: Anton Zensus wird mit der Schwarzschild-Medaille ausgezeichnet, Willem van Straten erhält den Astrophysikalischen Softwarepreis, der Ludwig-Biermann-Preis geht an Matthias Kluge, Matti Dorsch wird mit dem Promotionspreis ausgezeichnet, der Bruno-H.-Bürgel-Preis geht an Dirk Lorenzen, der Hans-Ludwig-Neumann-Preis ehrt Oliver Schwarz, und Maria Weiss erhält den Jugend-forscht-Sonderpreis.
Mit der Karl-Schwarzschild-Medaille zeichnet die Astronomische Gesellschaft Prof. Dr. Anton Zensus, Direktor am Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn, aus. Die deutschlandweit höchste Auszeichnung für Astronominnen oder Astronomen von hohem wissenschaftlichem Rang ehrt seine Führungsrolle bei der Weiterentwicklung radioastronomischer Beobachtungsmethoden mit sehr hoher Winkelauflösung und Empfindlichkeit. Nach seinem Studium in Köln, Münster und Bonn forschte und lehrte er am California Institute of Technology, am National Radio Observatory, am Max Planck Institut für Radioastronomie in Bonn und an der Universität zu Köln Die Radiointerferometrie mit sehr langen Basislinien (Very Long Baseline Interferometry; VLBI) hat sich, insbesondere durch die Einflüsse von Anton Zensus und seiner Forschungsgruppe, zu einem Schlüssel-Beobachtungsverfahren entwickelt. Sie findet heute neben der Astrophysik ebenso breite Anwendung in den Feldern Astrometrie und Geodäsie. Diese Entwicklungen und eine weltweit herausragende Kooperation ermöglichten außergewöhnliche astronomische Beobachtungen. Die einzigartigen Bilder des Event Horizon Telescope Projekts, die die supermassereichen Schwarzen Löcher in der elliptischen Galaxie M87 und im Zentrum unserer Milchstraße zeigen, sorgten weltweit für Aufsehen und öffneten neue Wege zur Erforschung von aktiven Galaxienkernen.
Prof. Dr. Willem van Straten erhält den Preis für Astrophysikalische Software der AG 2024 für seine maßgebliche Rolle bei der Entwicklung des weltweit für die Auswertung von astronomischen Pulsar-Daten federführenden Software Pakets PSRCHIVE. Die Open Source C++ Entwicklungsbibliothek implementiert eine breite Palette von Algorithmen für den Einsatz in der Pulsarzeitmessung, von Szintillationsstudien, der polarimetrischen Kalibrierung, Visualisierung usw. Seit der ersten Veröffentlichung im Jahr 2004 wurde PSRCHIVE in seiner Funktionalität erheblich weiterentwickelt und führte zu zahlreichen Publikationen. So basiert beispielsweise der von Kollaborationen aus Europa, Australien, China, Indien und Nordamerika im Sommer 2023 veröffentlichte Nachweis des Gravitationswellenhintergrunds auf der Datenanalyse mit PSRCHIVE. Van Straten studierte in Kanada und promovierte an der Swinburne University in Australien, bevor er als Postdoktorand bei ASTRON in den Niederlanden, an der University of Texas, als Senior Lecturer an der Swinburne University und als Associate Professor an der Auckland University of Technology forschte. Seit kurzem ist er bei Manly Astrophysics und Mitbegründer von Fourier Space, wo er die Softwareentwicklung zur Pulsardatenverarbeitung für das Square Kilometre Array Observatorium leitet.
Mit dem Ludwig-Biermann-Preis ehrt die AG Dr. Matthias Kluge, derzeit Postdoc am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik (MPE) in Garching. Er promovierte im Jahr 2020 mit summa cum laude an der Universitäts-Sternwarte der Ludwig-Maximilians-Universität München über Haufengalaxien und wechselte später als Postdoc in die Hochenergiegruppe des MPE. Mit seiner Forschung grenzt Kluge die Entstehungsprozesse des Intracluster-Lichts ein, einer leuchtschwachen stellaren Komponente in Galaxienhaufen. Er beschäftigt sich mit optischen Nachbeobachtungen von Galaxienhaufen und -gruppen, die mit eROSITA entdeckt wurden und parallel auch mit Euclid Early Release Daten. Kluge hat gezeigt, dass er herausragende wissenschaftliche Ergebnisse mit sehr tiefer Photometrie im Optischen und Infraroten sowie mit Integralfeld-Spektroskopie erzielt. In den zwei großen Konsortien, eROSITA und Euclid, arbeitete er an unterschiedlichen Themen und veröffentlichte jeweils als Erstautor.
Dr. Matti Dorsch erhält den Promotionspreis 2024 für seine an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg absolvierte Doktorarbeit mit dem Titel ”Tracing the diversity of hot subdwarf evolution Surface composition, magnetic fields, and populations”, die er im Jahr 2023 erfolgreich abgeschlossen hat. Darin gelang ihm erstmals der Nachweis lange gesuchter Magnetfelder einer bestimmten Klasse heißer Sterne. Er entwickelte neue Analysentechniken, die richtungsweisend für zukünftige große spektroskopische Durchmusterungen wie z.B. 4MOST sind. Seine spektroskopischen, photometrischen und kinematischen Analysen und Ergebnisse sind von hoher Genauigkeit und für die Weiterentwicklung des Forschungsfeldes von Bedeutung. Neben zahlreichen Publikationen, davon mehrere als Erstautor, warb er erfolgreich Beobachtungszeit ein, u.a. am Hubble Space Telescope.
Der Bruno-H.-Bürgel-Preis 2024 geht an den Astrophysiker und Wissenschaftsjournalisten Dirk Lorenzen, der sich seit drei Jahrzehnten für die Popularisierung von Astronomie und Raumfahrt in der breiten Öffentlichkeit engagiert. In Hörfunkbeiträgen (vor allem für "Forschung aktuell" im Deutschlandfunk), Vorträgen und etlichen Büchern deckt er ein breites Themenspektrum ab: von den Grundlagen der Astronomie, über aktuelle Beobachtungstipps und Ereignisse, bis hin zu Entwicklungen in Technik und Raumfahrt. Als Autor der täglichen Kolumne »Sternzeit« im Deutschlandfunk greift er u.a. auch immer wieder Fragen auf, die von Zuhörerinnen und Zuhörern gestellt werden. Die Möglichkeit, die Sendung so mitgestalten zu können, fördert die eigene Auseinandersetzung mit astronomischen Inhalten.
Der Hans-Ludwig-Neumann-Preis 2024 ehrt Prof. Dr. Oliver Schwarz für seine Verdienste der Vermittlung der Astronomie in Schulen. Seit 2008 leitet Oliver Schwarz das Institut für Didaktik der Physik und die Sternwarte der Universität Siegen. Dabei kombinierte er didaktische Ausbildung und Schulunterricht praxisnah sowohl mittels astronomischer Beobachtungen als auch durch Experimente. Er ist Autor mehrerer Schulbücher und verfasste zahlreiche Beiträge für »Wissenschaft in die Schulen«. Zudem ist er seit 2011 Herausgeber der Zeitschrift »Astronomie und Raumfahrt im Unterricht«, der einzigen fachdidaktischen Zeitschrift zur Astronomie in Deutschland. Er hat mit der Einrichtung des Bildungsausschusses die wichtige Bildungsarbeit der Astronomischen Gesellschaft maßgeblich mitgestaltet.
Mit Ihrer Arbeit zu Exoplaneten erlangte Anna Maria Weiss vom Einstein-Gymnasium in Neuenhagen bei Berlin den Bundessieg und 1. Preis in den Geo- und Raumwissenschaften im Wettbewerb Jugend forscht und erhielt den von der Astronomischen Gesellschaft ausgelobten Sonderpeis für eine Arbeit auf dem Gebiet der Astronomie. In ihrem Projekt zeigte Anna Maria Weiß, dass das Objekt TOI1147b ein Exoplanet ist, der in einer stark elliptischen Umlaufbahn seinen Mutterstern umkreist. Neben dem bodengebundenen Nachweis des neuen Exoplaneten mithilfe von Weltraumteleskopen charakterisierte sie auch seine inneren Eigenschaften.
Die Preisverleihungen finden während der Jahrestagung der Astronomischen Gesellschaft in Köln vom 9. bis 11. September 2024 statt.
Weitere Informationen:
https://www.astronomische-gesellschaft.de/