Kreativität lehren
Naturwissenschaftliche Ausbildung: Letter in Science
Wie kann Kreativität in den naturwissenschaftlichen Forschungsprozess von Grund auf implementiert werden? Indem kreatives Handwerkzeug schon den Studierenden vermittelt wird – dies ist die Botschaft eines prominenten Kreises von Forschenden, die sie nun in der Fachzeitschrift Science veröffentlichten. Die leitenden Autoren sind Prof. Dr. Martin Lercher, Bioinformatiker an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU) und Prof. Dr. Itai Yanai von der New York University. Ihr gemeinsames Thema istdie Bedeutung und Förderung der Kreativität in den Naturwissenschaften.
„Kreativität sollte in naturwissenschaftlichen Studiengängen gelehrt werden“ – dies ist die Kernbotschaft der Autorinnen und Autoren, die sie auf einem „Exploratory Seminar“ am Radcliffe Insititute for Advanced Study der Harvard University entwickelten. Neben den Werkzeugen für die Forschung sollten Studierenden auch die kreativen Prozesse vermittelt werden, die oft erst zu den wirklich wegweisenden neuen Entdeckungen führen.
Prof. Lercher, neben Prof. Yanai Korrespondenzautor der Studie, betont: „Es ist möglich Kreativität zu lehren, zu nähren und zu fördern. Zu den zentralen, zu vermittelnden Aspekten gehören Offenheit für neue Ideen, die Fähigkeit, neuartige Fragen zu identifizieren und die Entwicklung vieler unterschiedlicher Ideen. Hierbei helfen Analogien und Metaphern. Wichtig ist auch die Suche nach Verbindungen zwischen Disziplinen und vor allem, Widersprüche akzeptieren zu lernen.“
Prof. Yanai: „Wenn der wissenschaftliche Schaffensprozess entmystifiziert wird, kann das die Wissenschaft für viele junge Menschen zugänglicher machen. Und dies fördert auch bei den Forschenden das Vertrauen in ihre Selbstwirksamkeit und ihre Identität als Wissenschaftler.“
Verschiedene Universitäten in den USA sowie in Deutschland die HHU und die Europäische Organisation für Molekularbiologie (EMBO) haben begonnen, Kreativität in die Lehrpläne zu integrieren. Lercher: „Dies kann als ein Vorbild für andere Einrichtungen dienen. Wir sind davon überzeugt, dass eine wissenschaftliche Ausbildung, die der Komplexität der modernen Herausforderungen gerecht wird, die Wissenschaft zugänglicher und wirksamer macht und ihre Qualität verbessert.“
Day Science – Night Science
Prof. Dr. Itai Yanai und Prof. Dr. Martin Lercher befassen sich mit der kreativen Seite des wissenschaftlichen Fortschritts. Sie greifen dabei auf ein vom Nobelpreisträger François Jacob geprägtes Konzept zurück: „Day Science“ meint die moderne Naturwissenschaft als systematischen, durchgeplanten, von vorab aufgestellten Hypothesen geleiteten Prozess. „Night Science“ ist dagegen der unsystematische, kreative Teil der Wissenschaft: freies Nachdenken, das oft intuitive Spiel mit Ideen. Vor allem durch diesen kreativen Prozess entstehen qualitativ neue Fortschritte in der Wissenschaft.
Nacht der Wissenschaft 2024
Prof. Dr. Martin Lercher trägt bei der 5. Nacht der Wissenschaft am 13. September 2024 im Haus der Universität zum Thema Kreativität in der Wissenschaft vor. Sein Vortrag „Night Science – wie kommen Forschende auf neue Ideen?“ startet um 19:30 Uhr im Vortragssaal im Haus der Universität am Schadowplatz.
Informationen zum Vortrag: https://www.nachtderwissenschaft-duesseldorf.de/denken-wahrnehmen/night-science-wie-kommen-forschende-auf-neue-ideen-vortrag
Webseite der Nacht der Wissenschaft 2024: https://www.nachtderwissenschaft-duesseldorf.de/
Originalpublikation:
Itai Yanai, Oliver Bogler, Sean B. Carroll, Jennifer Couch, Maria Lund Dahlberg, Cynthia N. Fuhrmann, James C. Kaufman, Sonali Majumdar, Jennifer Oyler-Yaniv, Rodney D. Priestley, Tim Stearns, Bodo Stern, Valda Vinson, Keith R. Yamamoto, Martin J. Lercher. Tech creativity in science. Science 385, 837-837 (2024)
DOI: 10.1126/science.adr4539