Wissenschaftlicher Konsens kann für stärkere wissenschaftsfundierte Überzeugungen hinsichtlich des Klimawandels sorgen
Eine neue Studie zeigt deutlich, wie wichtig es ist, den Konsens unter Klimawissenschafter*innen zu betonen
Klimawissenschafter*innen sind sich seit langem einig, dass menschliche Aktivitäten weitgehend für den Klimawandel verantwortlich sind. In ihrer neuen Studie konnten die Studienleiterinnen Sandra Geiger von der Universität Wien und Bojana Većkalov von der Universität Amsterdam zeigen, dass die Betonung des wissenschaftlichen Konsens hinsichtlich des Klimawandels Menschen dazu bringt, den menschengemachten Klimawandel auch als solchen wahrzunehmen. Fehleinschätzungen können so reduziert und wissenschaftlich fundierte Überzeugungen hinsichtlich der Existenz und Ursache des Klimawandels gestärkt werden. Befragt wurden dabei über 10.000 Menschen aus 27 Ländern auf 6 Kontinenten. Die Studie ist aktuell im renommierten Fachmagazin Nature Human Behaviour erschienen.
Der wissenschaftliche Konsens, dass menschliche Aktivitäten überwiegend für den Klimawandel verantwortlich sind, ist nicht neu und hat sich bereits in den 1980er Jahren herausgebildet. Heute sind sich zwischen 97% und 99,9% der Klimawissenschafter*innen einig, dass der Klimawandel weitgehend durch menschliche Aktivitäten verursacht wird. In den vergangenen Jahren haben Forscher*innen untersucht, was die Vermittlung dieses überwältigenden Konsenses an die Gesellschaft bewirkt – mit vielversprechenden Ergebnissen. Bisher wurden solche Studien aber überwiegend in den USA durchgeführt. "Wie bei vielen Erkenntnissen in den Verhaltenswissenschaften wissen wir jedoch nur wenig, was die Kommunikation des wissenschaftlichen Konsenses außerhalb der USA bewirkt. Das haben wir uns jetzt sehr umfassend und genau angeschaut", so die Umweltpsychologin Sandra Geiger von der Universität Wien.
Mehr als 10.500 Menschen in 27 Ländern auf 6 Kontinenten wurden befragt. Ein internationales Forschungsteam von 46 Wissenschafter*innen zeigte den Studienteilnehmer*innen verschiedene wissenschaftliche Konsensbotschaften und befragte sie anschließend zu ihren Überzeugungen hinsichtlich des Klimawandels. "Wir konnten so zeigen, dass frühere Ergebnisse aus den USA auch in anderen Teilen der Welt zutreffen", sagt Studienleiterin Bojana Većkalov von der Universität Amsterdam. In allen 27 Ländern reagierten die Menschen in ähnlicher Weise auf den wissenschaftlichen Konsens zu der Existenz und den Ursachen des Klimawandels. "Als Reaktion auf den Konsens unter Klimawissenschafter*innen passten Menschen ihre eigene Wahrnehmung an. Denn davor schätzten die Befragten den wissenschaftlichen Konsens weit niedriger ein. Nachdem sie mit dem tatsächlichen wissenschaftlichen Konsens konfrontiert wurden, glaubten sie mehr an den menschengemachten Klimawandel und machten sich mehr Sorgen darüber. Sie gaben jedoch nicht an, öffentliche Maßnahmen gegen den Klimawandel mehr zu unterstützen", erklärt Studienleiterin Geiger von der Universität Wien.
88% der Klimawissenschafter*innen sind sich außerdem einig, dass der Klimawandel eine Krise darstellt. Wie reagieren Menschen, wenn sie zusätzlich von diesem Krisenkonsens erfahren? Da die Studienteilnehmer*innen hier mit ihrer Einschätzung schon sehr nah an der Realität lagen, hatte diese zusätzliche Information keine erheblichen Auswirkungen. Die Sozialpsychologin Većkalov erklärt: "Wir glauben, dass die Lücke zwischen dem tatsächlichen und dem wahrgenommenen Konsens eine Rolle spielen könnte. Beim Konsens hinsichtlich der Existenz und den Ursachen des Klimawandels hatten die Befragten den wissenschaftlichen Konsens niedriger eingeschätzt als er tatsächlich war und waren dann auch bereit ihre Ansicht zu korrigieren. Beim Konsens darüber, dass der Klimawandel eine Krise ist, lag der geglaubte Wert der Befragten deutlich näher am tatsächlichen Konsenswert und konnte deshalb nur gering korrigiert werden. Dieser Unterschied war vermutlich nicht groß genug, um Überzeugungen zum Klimawandel zu beeinflussen."
Diese neuen Ergebnisse zeigen, dass es wichtig ist, den Konsens unter Klimawissenschafter*innen häufiger zu betonen – sei es in den Medien oder im Alltag, wenn über den Klimawandel und dessen Ursachen gesprochen wird. "Vor allem angesichts der zunehmenden Politisierung von Wissenschaft und Fehlinformationen über den Klimawandel ist es wichtig, ein allgemeines Bewusstsein für den wissenschaftlichen Konsens zu schaffen, der zum Verständnis des Themas in der Bevölkerung beiträgt", ergänzt Koautor Sander van der Linden von der Universität Cambridge. "Über die Kommunikation zum Klimawandel hinaus unterstreichen diese Ergebnisse auch, wie wichtig es ist, Erkenntnisse der Verhaltenswissenschaften weltweit zu testen. Solche Bemühungen sind nur möglich, wenn Forscher*innen aus der ganzen Welt zusammenkommen", resümiert Studienleiterin Sandra Geiger.
Von der Universität Wien waren neben Sandra Geiger auch Mathew White und Jakob Götz an der Studie beteiligt. Das Besondere an dieser Studie ist zudem die Beteiligung von Studierenden und Nachwuchswissenschafter*innen aus dem Junior Researcher Programme (JRP https://jrp.pscholars.org) und dem Global Behavioral Science (GLOBES https://global.undergrad.columbia.edu/program/columbia-summer-research-practicum-global-behavioral-science-globes) Programm der Columbia University.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Sandra Geiger, BSc MSc
Institut für Psychologie der Kognition, Emotion und Methoden, Universität Wien
Wächtergasse 1, 1010 Wien
T +49 152 06131554 oder T +43-1-4277-47154
sandra.geiger@univie.ac.at
www.univie.ac.at
Originalpublikation:
Većkalov, B.*, Geiger, S. J.*, Bartoš, F., White, M. P., Rutjens, B. T., van Harreveld, F., ... Ruggeri, K. & van der Linden, S. (2024). A 27-country test of communicating the scientific consensus on climate change. Nature Human Behaviour.
https://www.nature.com/articles/s41562-024-01928-2
Eine vollständige Autor*innen-Liste ist im Artikel verfügbar.