Journalismus in Social Media: Zu wenig Geld für gute Inhalte
Social Media und klassische Nachrichten-Webseiten stehen in starker Konkurrenz zueinander: Einerseits werten journalistische Inhalte die sozialen Netzwerke auf und erreichen dort ein breites Publikum. Andererseits verliert der Online-Journalismus Werbeeinnahmen, weil potenzielle Leser/innen nicht mehr die News-Webseiten besuchen. Das kann für Verleger zum existenziellen Problem werden. Grundsätzlich sind geregelte höhere Ausgleichszahlungen wünschenswert: Am besten wäre es, wenn die Höhe der Kompensation von der Qualität der gelieferten Inhalte abhängt. Das zeigt eine Studie des ZEW Mannheim gemeinsam mit der Budapest University of Technology and Economics.
„Würden die Betreiber von Social-Media-Plattformen die klassischen Nachrichten-Anbieter besser bezahlen, hätten sie einen doppelten Nutzen: Erstens steigen durch solche Zahlungen die Anreize für eine bessere Nachrichtenqualität – wenn durch journalistische Inhalte die Content-Qualität steigt, nutzen auch mehr Menschen soziale Medien. Zweitens steigt dadurch der Wettbewerb im digitalen Anzeigenmarkt sowohl in Social Media als auch bei News-Websites, was wiederum Online-Journalismus zugutekommt. In unserer Studie zeigen wir, dass Soziale Medien und Nachrichten-Anbieter auch voneinander profitieren können“, erklärt Luca Sandrini, PhD, Ko-Studienautor aus dem ZEW-Forschungsbereich „Digitale Ökonomie“.
Freiwillige Zahlungen schlechter Deal
Dass die Sozialen Medien von der Arbeit von Nachrichten-Webseiten profitieren, ist ihnen offenbar bewusst. Einige soziale Netzwerke haben News-Anbieter schon auf freiwilliger Basis vergütet, bevor erste staatliche Regelungen griffen. So betreibt die Facebook-Mutter Meta das „Meta Journalism Project“ oder die größte Suchmaschine sogenannte „Google News Showcase“-Programme.
„Gäbe es gar keine Ausgleichszahlungen, würden Nachrichten-Anbieter nicht in ihr Engagement auf Social Media investieren, da es sich für sie schlicht nicht lohnen würde. Unsere Studie zeigt jedoch, dass auch die freiwilligen Zahlungen unzureichend sind. Nachrichten-Anbieter können damit nicht genug in eine Weiterentwicklung von Informationsangeboten investieren. Für sie ist das ein schlechter Deal“, erklärt Sandrini.
Mehr Geld für höhere Qualität
Die Studie zeigt, dass es einen Schwellenwert gibt: Wenn die Forderungen der Verleger zu hoch sind, werden Inhalte von Nachrichten-Webseiten insgesamt aus dem Sozialen Medium verbannt, sodass gar keine Zahlungen fällig werden. Unterhalb dieses Schwellenwertes gibt es allerdings Verhandlungsspielraum. Die Studien-Autoren schlagen deshalb verpflichtende Verhandlungen zwischen sozialen Medien und Nachrichtenanbietern vor.
„Optimal wäre ein System, das die Höhe von Geldzahlungen an die Qualität von zusätzlich erstellten Nachrichten bindet – je höher die Qualität, desto höher die Zahlung“, sagt Robert Somogyi, PhD, Ko-Autor der Studie von der Budapest University of Technology and Economics.
In diesem Konzept ist Qualität ein objektiver, messbarer Indikator, beispielsweise die Anzahl der Vollzeitäquivalente, die in einer Nachrichtenredaktion beschäftigt sind. User/innen bringen Qualität oft mit positiven Eigenschaften wie Vertrauenswürdigkeit und Informationswert in Verbindung, da die von einer Nachrichtenwebsite mit einer größeren Redaktion produzierten Inhalte in der Regel eine bessere und umfassendere Berichterstattung über lokale Nachrichten und internationale Ereignisse bieten.
„Diese Erkenntnis ist relevant für politische Versuche, den Wettbewerbsdruck zwischen Plattformen und Journalismus durch Gesetze zu entschärfen und sollte auch für den EU-Markt nach der EU-Copyright-Richtlinie von 2019 gelten“, sagt Somogyi.
Modell für optimale Zahlungen
Die ZEW-Studie untersucht in einem spieltheoretischen Modell eines zweiseitigen Marktes die Auswirkungen von politischen Regelungen, die Zahlungen von Sozialen Medien an Verleger vorschreiben. Die Forschenden betrachten die Marktumgebung, in der Verbraucher/innen Nachrichten über Soziale Medien und Nachrichten-Webseiten konsumieren können und digitale Werbeanzeigen vermarktet werden.
Aufgrund der erheblichen gesellschaftlichen Bedeutung von Journalismus ist der Schutz des Berufsstands vor dem überwältigenden Wettbewerbsdruck großer digitaler Plattformen zu einem wichtigen Ziel für Regulierungsbehörden geworden. Weltweit werden verschiedene politische Ansätze verfolgt, um Journalismus zu schützen, beispielsweise in Australien, Kanada oder Indonesien. Bemühungen gibt es aktuell im Vereinten Königreich und Neuseeland sowie in den USA auf landesweiter und auf Staatenebene. Nach der Einführung der EU-Urheberrechtsrichtlinie im Jahr 2019 hat Google begonnen, Lizenzvereinbarungen mit Nachrichtenverlagen in Deutschland und anderen europäischen Ländern zu unterzeichnen.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Luca Sandrini, PhD
Wissenschaftler im ZEW-Forschungsbereich „Digitale Ökonomie“
Tel.: +49 (0)621 1235-164
E-Mail: luca.sandrini@zew.de
Originalpublikation:
https://ftp.zew.de/pub/zew-docs/dp/dp24043.pdf