ERC Starting Grant für Wissenschaftshistoriker Dr. Christoph Sander
Forscher wird für Projekt an der Freien Universität Berlin vom Europäischen Forschungsrat mit fast 1,5 Millionen Euro gefördert
Der Wissenschaftshistoriker Dr. Christoph Sander wird vom Europäischen Forschungsrat (ERC) mit einem ERC Starting Grant für ein Forschungsprojekt an der Freien Universität Berlin unterstützt. Sein Projekt SCIGMA („Science and Dogma: Tracing Natural Knowledge within Scholastic Theology (1545-1789)“) will in den nächsten fünf Jahren den maßgeblichen Einfluss der Naturwissenschaften auf die Theologie im Europa der frühen Neuzeit untersuchen.
Die frühe Neuzeit gilt gemeinhin als Epoche tiefgreifender Veränderungen, zu denen unter anderem die sogenannte „Wissenschaftliche Revolution“ und die Reformation in der christlichen Kirchengeschichte zählen. Historiker haben diese beiden, scheinbar disparaten Umwälzungen schon häufig miteinander in Beziehung gesetzt – dabei eine Dimension aber bislang unberücksichtigt gelassen. Hier setzt das SCIGMA-Projekt von Dr. Christoph Sander nun an: Die These des Forschungsteams ist, dass die neu gewonnenen naturwissenschaftlichen Erkenntnisse maßgeblich die Theologie der frühen neuzeitlichen Universität beeinflusst haben. So befassten sich damals zum Beispiel viele theologische Universitätslehrbücher intensiv mit Themen, die mit Naturwissenschaften im Zusammenhang standen. Es ging etwa Fragen wie: Kann die Auferstehung aus einer physiologischen Perspektive verstanden werden? Welche physikalischen Gesetzmäßigkeiten gelten beim Abendmahl?
Zwar wurde schon viel über den Einfluss der Theologie auf die Naturwissenschaften geschrieben. SCIGMA wird den Blick nun aber umdrehen. Wie haben Empirie und wissenschaftliche Methoden die scholastische, dogmatische Theologie in allen westlichen christlichen Konfessionen beeinflusst – angefangen vom Konzil von Trient (also den ökumenischen Tagungen in der Zeit von 1545 bis 1563) bis zur Französischen Revolution im Jahr 1789. Das Forschungsteam will die Theologie als „scientia“ in der vormodernen Universität betrachten und somit in die Wissenschaftsgeschichte einbeziehen.
Ziel von SCIGMA ist es, die vielfältigen Formen aufzudecken, in denen die säkularen Wissenschaften in die vormoderne scholastische Theologie einflossen, um eine rationale Rekonstruktion des Glaubens zu ermöglichen. Zudem will das Forschungsteam analysieren, welche erkenntnistheoretischen Grundlagen dieses Zusammenspiel von wissenschaftlicher Empirie und christlicher Offenbarung ermöglichten. Die Forschenden werden auch zeigen, welche Rolle hierbei Bildungsinstitutionen spielten.
Diese komplexe historische Analyse soll die Bedeutung des „physikalisch-dogmatischen Wissens“ im universitären Kontext offenlegen. Dabei wird sie auch ein neues Licht darauf werfen, wie vormoderne westliche Gesellschaften die wissenschaftliche Forschung grundlegend umgestalteten und säkularisierten.
Christoph Sander hat an der Universität Freiburg und der Humboldt-Universität zu Berlin Philosophie studiert und wurde an der Technischen Universität Berlin promoviert. Danach forschte der Philosophie- und Wissenschaftshistoriker unter anderem am Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte in Berlin und arbeitet derzeit am Deutsche Historischen Institut in Rom/Italien als Knowledge und Software-Engineer. Voraussichtlich ab 2025 wird der Historiker an die Freie Universität Berlin wechseln.
Weitere Informationen:
● Mehr zum SCIGMA-Projekt: https://www.scigma.de/
● Gesamtliste aller ERC-Grants der Freien Universität Berlin: https://www.fu-berlin.de/forschung/kommunikation/preise/erc/index.html
● Mitteilungen des ERC: https://erc.europa.eu/news
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Dr. Christoph Sander, Freie Universität Berlin, Mail: scigma.academic@gmail.com, Web: https://ch-sander.github.io/