ERC Starting Grants für Maria Eichlseder und Fariba Karimi
Zwei TU Graz-Informatikerinnen erhalten den renommierten EU-Förderpreis in Höhe von je knapp 1,5 Millionen Euro für die Erforschung effizienterer Verschlüsselungssysteme und den Einfluss Künstlicher Intelligenz auf Diskriminierung in sozialen Online-Netzwerken.
Die Verbesserung schlüsselloser Verschlüsselungen und die Verstärkung von Diskriminierung und sozialer Ungleichheit in sozialen Online-Netzwerken durch den Einsatz von KI: Das sind die beiden Forschungsthemen, mit denen die Spitzenforscherinnen Maria Eichlseder und Fariba Karimi hochdotierte Starting Grants des European Research Council an die TU Graz holen. Die beiden Informatikerinnen erhalten für die kommenden fünf Jahre eine Förderung von jeweils knapp 1,5 Millionen Euro, gab der European Research Council heute bekannt.
Von den insgesamt 494 vergebenen ERC Starting Grants gehen 24 an österreichische Einrichtungen. Österreich liegt damit europaweit auf Platz acht. „Die zwei ERC Starting Grants für Maria Eichlseder und Fariba Karimi unterstreichen die Position der TU Graz als eine der führenden Universitäten Europas in den Forschungsfeldern IT-Security, Künstliche Intelligenz und Data Science. Die Vorhaben in beiden Projekten – ressourcensparende, sichere IT-Systeme und faire Algorithmen - sind zukunftsweisend“, sagt Andrea Höglinger, Vizerektorin für Forschung der TU Graz. „Dass sich mit Maria Eichlseder und Fariba Karimi zwei Forscherinnen in diesem hochkompetitiven Förderprogramm durchsetzen konnten, freut mich außerordentlich.“
Maria Eichlseder: Realistische statt idealisierte Annahmen
Maria Eichlseders ERC Starting Grant ist bereits der dritte, der seit 2016 an Forschende des Instituts für Angewandte Informationsverarbeitung und Kommunikationstechnologie der TU Graz gegangen ist. Ihr Projekt KEYLESS beschäftigt sich mit Verschlüsselung, allerdings ohne den namensgebenden Schlüssel. Der Fokus liegt auf dem Kern-Bauteil von kryptographischen Systemen, dem sogenannten Primitiv, das für die Sicherheit des ganzen Systems verantwortlich ist. Lange Zeit wurden vor allem Primitive mit Schlüssel, sogenannten Blockchiffren, genutzt und wissenschaftlich analysiert. Seit seinigen Jahren sind Primitive ohne Schlüssel aber sehr populär geworden, da diese Bauteile einige Vorteile bieten.
„Die neuesten kryptographischen Standards, beispielsweise für quantencomputer-sichere oder besonders effiziente Kryptographie, nutzen intern großteils solche schlüssellosen Bauteile“, sagt Maria Eichlseder. „Aber es gibt ein offenes Problem, nämlich die präzise Sicherheitsanalyse dieser Bauteile.“ Hier besteht noch Forschungsbedarf und Maria Eichlseders ERC-Projekt KEYLESS setzt genau da an. Die Anforderungen an die schlüssellosen Bauteile fußen derzeit noch auf idealisierten Annahmen. Diese Annahmen beeinflussen beispielsweise, wie oft eine kryptographische Funktion im Rahmen der Verschlüsselung wiederholt werden muss, bis diese nachweislich gegen Angreifer sicher ist. Die bisherige Lösung ist eine recht großzügige Anzahl an Wiederholungen, um Sicherheitsproblemen vorzubeugen. „Das kostet natürlich Ressourcen. Wenn ich etwa drei Mal so viele Runden ausführe, wie ich eigentlich bräuchte, um mich gegen Angriffe abzusichern, dann verbrauche ich drei Mal so viel Energie. Daher möchte ich mir alle Ebenen eines kryptographischen Systems ansehen, diese idealisierten Annahmen analysieren und herausfinden, ob man sie durch präzisere Annahmen, die der Realität näherkommen, ersetzen kann“, sagt Maria Eichlseder.
Fariba Karimi: Faire Algorithmen für soziale Netzwerke
Es gibt Hinweise darauf, dass der Einsatz von Künstlicher Intelligenz in sozialen Online-Netzwerken - etwa bei Empfehlungen und Timelines von Plattformen wie LinkedIn oder Google Scholar - zu Diskriminierung führt und soziale Ungleichheit verstärkt. Fariba Karimi vom Institute of Interactive Systems and Data Science will diesen Tendenzen in ihrem Projekt „NetFair – Network Fairness“ auf den Grund gehen und Methoden entwickeln, um diese neuen Mechanismen der Ungleichheit und Diskriminierung zu analysieren und zu beseitigen.
Soziale Ungleichheit und Marginalisierung basieren auf einem komplexen Zusammenspiel verschiedener sozialer Merkmale wie Geschlecht, Herkunft oder Einkommen – die Sozialwissenschaften sprechen in diesem Zusammenhang von Intersektionalität. „Bislang gibt es nur qualitative Befunde zu intersektionaler Ungleichheit in gesellschaftlichen Netzwerken,“, sagt Fariba Karimi. In ihrem ERC-Projekt will sie Intersektionalität quantitativ messbar machen und dann auf KI-basierte soziale Online-Plattformen anwenden, um so mögliche Verzerrungen in deren Algorithmen aufzuzeigen.
Dafür wird Fariba Karimi zunächst verbesserte Modelle von gesellschaftlichen Netzwerken entwickeln und durch Datenanalysen und Experimente klären, welche Faktoren bei der Ausgestaltung der Netzwerke eine Rolle spielen und sich gegenseitig beeinflussen. „Aufbauend auf diesen verbesserten Netzwerkmodellen werden wir ihre Wirkungen auf Algorithmen und soziale Online-Plattformen untersuchen und die Effekte über einen längeren Zeitraum analysieren“, sagt Fariba Karimi. Damit ist es aber nicht getan: Fariba Karimi möchte in ihrem Projekt Methoden entwickeln, die Ungleichheiten und Diskriminierungen in Online-Netzwerken nicht verstärken, sondern abbauen. „Das ist das große Ziel: faire Algorithmen für soziale Netzwerke.“
Kurzbiografie Maria Eichlseder
Geboren wurde Maria Eichlseder im Februar 1988 in Graz. Aufgewachsen ist sie in Steyr und in Bayern, ehe sie 2006 am Akademischen Gymnasium in Graz maturierte. Darauf folgten die Bachelorstudien Informatik und Technische Mathematik sowie das Masterstudium und das Doktoratsstudium Informatik an der TU Graz. 2018 promovierte sie als eine der ersten beiden Frauen an der TU Graz sub auspiciis praesidentis und ist derzeit Assistenzprofessorin für Kryptographie am Institut für Angewandte Informationsverarbeitung und Kommunikationstechnologie (IAIK) der TU Graz. Ihre Dissertation mit dem Titel „Differental Cryptanalysis of Symmetric Primitives“ wurde unter anderem mit dem Staatspreis für die besten Dissertationen 2018 des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung sowie dem Förderpreis 2019 für Dissertationen mit besonderer gesellschaftlicher Relevanz des Forum Technik und Gesellschaft ausgezeichnet. Zu ihren bisher größten Forschungserfolgen zählt die Wahl des von ihr mitentwickelten Algorithmus ASCON als neuer Standard für Lightweight Cryptography durch das National Institute of Standards and Technology (NIST) in den USA. Neben ihrer Forschungstätigkeit an der TU Graz hatte sie Gastaufenthalte an der Ruhr-Universität Bochum (2020) und der Radboud University Nijmegen (2022).
Kurzbiografie Fariba Karimi
Fariba Karimi ist seit Oktober 2023 Professorin am Institute of Interactive Systems and Data Science der TU Graz, zudem leitet sie die Arbeitsgruppe Computational Social Science am Complexity Science Hub in Wien. Geboren 1981 in Teheran, Iran, studierte sie Physik an der Universität Schiras, der Schahid-Beheschti-Universität in Teheran und in der Universität Lund in Schweden. 2015 promovierte sie in Physik und Computerwissenschaften an der schwedischen Universität Umeå und war anschließend Postdoc am Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften in Köln. Ihre Forschungsschwerpunkte sind computergestützte Sozialwissenschaften, die Analyse von Netzwerken und Algorithmen sowie die Modellierung menschlichen Verhaltens. 2023 erhielt sie den Young Scientist Award der Deutschen Physikalischen Gesellschaft für ihre Forschung über Ungleichheit in komplexen Netzwerken.
Diese Forschung ist im Field of Expertise „Information, Communication & Computing“ verankert, einem von fünf strategischen Schwerpunktfeldern der TU Graz.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Maria EICHLSEDER
Ass.Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn. BSc BSc
TU Graz | Institut für Angewandte Informationsverarbeitung und Kommunikationstechnologie
Tel.: +43 316 873 5503
maria.eichlseder@tugraz.at
Fariba KARIMI
Univ.-Prof. M.Sc. Ph.D.
TU Graz | Institute of Interactive Systems and Data Science
Tel.: +43 316 873 30682
karimi@tugraz.at