Rekord für eine lebensrettende Kinderherztherapie
Im Herz- und Diabeteszentrum NRW, Bad Oeynhausen, werden insgesamt acht Kinder zeitgleich mit einer künstlichen Herzunterstützung versorgt. Ein Behandlungsspektrum in dieser Größenordnung ist einzigartig. Die Therapie ist nur in speziellen Zentren möglich.
Dankbarkeit für eine segensreiche Therapie und klinische Rundumversorgung, welche die gesamte Familie in die Behandlung miteinbezieht: So lässt sich die Stimmung beim Treffen von Emma, Leo, Theo, Luis, Charlotte, Leni, Smaranda und Nico, ihren Eltern und den engsten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern beschreiben, die sich auf dem Spielplatz des Kinderherzzentrums im Herz- und Diabeteszentrum NRW (HDZ NRW), Bad Oeynhausen, mit dem Fotografen zu einer außergewöhnlichen Gruppenaufnahme verabredet haben.
„Das war für uns alle ein bewegender Moment“, betonen die Klinikdirektoren Prof. Univ. (assoc.) Dr. Eugen Sandica (Herzchirurgie) und Prof. Dr. Stephan Schubert (Kinderkardiologie). „Denn eine Herzunterstützungstherapie ist immer auch eine Therapie auf ungewisse Zeit. Sie kann wenige Tage dauern oder auch viele Monate oder Jahre.“ Fest steht: Auch den erfahrenen Experten ist weltweit keine andere Einrichtung bekannt, in der jemals acht Kinder gemeinsam mit einem solchen Kunstherzsystem (engl. VAD= Ventricular Assist Device) versorgt worden sind.
Herzunterstützung für alle Altersstufen
Ihren künstlichen Herzpumpen haben die acht Patientinnen und Patienten im Alter von zehn Monaten bis zu neun Jahren, die Schubert und Sandica im HDZ NRW betreuen, ihr Leben zu verdanken. Professor Sandica und sein Team haben die Systeme in jeweils mehrstündigen Operationen unter Einsatz der Herz-Lungen-Maschine direkt am Herzmuskel implantiert. Die Mehrzahl der Patienten benötigen dieses System aufgrund einer akuten Herzmuskelschwäche. Nur ein Hersteller weltweit bietet diese Medizintechnik in verschiedenen Größen und Zusammensetzungen für Kinder aller Altersstufen an. Eine Kabelverbindung führt zu einem externen, akku-betriebenem Antriebssystem (Excor® Active mobil, Berlin Heart), auf das die Kinder solange angewiesen sind, bis ein geeignetes Spenderherz zur Verfügung steht oder sich das kranke Herz dank der Entlastung wieder erholt.
Neu dazugekommen sind von Professor Sandica entwickelte Systeme für Kinder, die mit nur einer funktionsfähigen Herzkammer geboren wurden. Dank einer herzchirurgischen Korrektur dieser angeborenen Fehlbildung kann die verbleibende Herzkammer für eine gewisse Zeit die gesamte Herzarbeit übernehmen. Bei zwei Patientinnen drohte diese sogenannte Fontan-Zirkulation zu versagen. Professor Sandica setzte beiden Mädchen diese individualisierten Systeme erstmals weltweit in Bad Oeynhausen ein.
Gegenwärtig wird für die meisten der acht Kinder die Herztransplantation anvisiert. Dabei überprüfen die Herzspezialisten überprüfen regelmäßig, ob das Unterstützungssystem und eine entsprechende medikamentöse Therapie möglicherweise auch zur Erholung der kranken Herzen führen. Denn aufgrund des Mangels an Spenderorganen sollen nur diejenigen Kinder transplantiert werden, die keine Aussicht mehr auf eine Entwöhnung vom VAD-System haben.
Durch die zusätzliche Möglichkeit, jetzt auch den Fontankreislauf bei Einkammer-Herzkindern zu unterstützen, erweitert sich das klinische Versorgungsspektrum für Patienten mit VAD-Systemen im Kindesalter. Dieses ist angesichts knapper Ressourcen in der Kinderherzmedizin eine weitere Herausforderung, der sich die Kinderherzzentren stellen müssen.
„Mehr denn je benötigen wir ausreichend qualifiziertes Personal, aber auch medizinische Ressourcen im Bereich Arzneimittel und Medizinprodukte“, betonen die Klinikdirektoren, die auch aufgrund der überregionalen Patientenzuweisung in das HDZ NRW weiterhin mit Engpässen rechnen müssen.
Etwa ein bis zwei Jahre verbringen Kinder mit einem versagenden Herzen durchschnittlich in einem Krankenhaus. Für ältere Jugendliche und junge Erwachsene stehen zwar Herzunterstützungssysteme zur Verfügung, die eine Entlassung nach Hause erlauben. Kinder sind jedoch nach wie vor auf eine stationäre Versorgung angewiesen.
Wartezeit auf eine Herztransplantation
Auch wenn das mobile Excor® System, das Professor Sandica 2019 erstmals in Deutschland in den klinischen Einsatz aufnahm, eine akzeptable Lebensqualität bietet, ist die Belastung für die Familien während der Unterstützungszeit enorm, in der gesunde Kinder Zeit zuhause verbringen, in den Kindergarten oder in die Schule gehen, Freundschaften schließen, Sport treiben.
„Wir wissen, wie wichtig hier individuelle und variable Unterstützungsangebote sind, die unser Zentrum bereits bereithält, um die oft schwierige und lange Zeit gemeinsam zu meistern und zu helfen, wo wir können“, betont Professor Schubert. „Dabei arbeiten unsere Teams Hand in Hand. Viele verschiedene Berufsgruppen sind involviert, um den mit einer solchen Therapie verbundenen Risiken, aber auch den mit dem Klinikaufenthalt verbundenen Sorgen und Nöten adäquat zu begegnen.“
Insgesamt 67 Patienten unter 16 Jahren sind bisher in Bad Oeynhausen mit einem Berlin Heart Excor® System versorgt worden, davon wurden 43 transplantiert, elf entwöhnt und acht Patienten befinden sich zurzeit im stationären Aufenthalt in der Klinik. Das HDZ NRW, Bad Oeynhausen, ist seit vielen Jahren das größte Herztransplantationszentrum in Deutschland.
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Hintergrundinformation:
Das mechanische, pulsatile Herzunterstützungssystem EXCOR® Pediatric wird zur Unterstützung der links- und/oder rechtsventrikulären Pumpfunktion bei lebensbedrohlich erkrankten Kindern und Jugendlichen mit Herzversagen eingesetzt, wenn andere Therapiemöglichkeiten ausgeschöpft sind. In seltenen Fällen erholt sich das Herz wieder. Bei den meisten Betroffenen ist jedoch ein Spenderherz der letzte Ausweg, um weiterzuleben. Das speziell für die Altersgruppe von Kindern und Jugendlichen entwickelte System ist weltweit das einzige, für die pädiatrische VAD-Therapie zugelassene Herzunterstützungssystem, mit dem die Wartezeit auf eine Herztransplantation überbrückt werden kann (VAD= engl. Ventricular Assist Device).
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Als Spezialklinik zur Behandlung von Herz-, Kreislauf- und Diabeteserkrankungen zählt das Herz- und Diabeteszentrum Nordrhein-Westfalen (HDZ NRW), Bad Oeynhausen, mit 36.000 Patientinnen und Patienten pro Jahr, davon 14.500 in stationärer Behandlung, zu den größten und modernsten Zentren seiner Art in Europa.
Das Kinderherzzentrum und Zentrum für angeborene Herzfehler des HDZ NRW wird von Prof. Dr. Stephan Schubert, Direktor der Klinik für Kinderkardiologie und angeborene Herzfehler, und Prof. Univ. (assoc) Dr. Eugen Sandica, Direktor der Klinik für Kinderherzchirurgie und angeborene Herzfehler, gemeinsam geleitet. Es zählt international zu den führenden und größten Kliniken zur Behandlung von Patientinnen und Patienten mit angeborenem Herzfehler und ist zertifiziertes Zentrum für die Behandlung von Erwachsenen mit angeborenen Herzfehlern (EMAH). Zur ausgewiesenen Expertise des Zentrums zählt die Therapie des gesamten Spektrums von angeborenen Herzfehlbildungen im Neugeborenen-, Kindes-, Jugend- und Erwachsenenalter. Jährlich werden hier weit über 1.000 Patienten mit herausragenden Ergebnissen auch im internationalen Vergleich stationär sowie ca. 4.500 Patienten ambulant betreut.
Weitere Informationen:
Herz- und Diabeteszentrum Nordrhein-Westfalen
Universitätsklinik der Ruhr-Universität Bochum
Medizinische Fakultät OWL (Universität Bielefeld)
Unternehmenskommunikation
Leitung: Anna Reiss, Pressesprecherin
Georgstr. 11
32545 Bad Oeynhausen
Tel. 05731 97-1955
Fax 05731 97-2028
E-Mail: info@hdz-nrw.de
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Prof. Univ. (assoc.) Dr. med. Eugen Sandica
Univ. Prof. Dr. med. Stephan Schubert
Klinikdirektion
Zentrum für angeborene Herzfehler / Kinderherzzentrum
Herz- und Diabeteszentrum NRW
Bad Oeynhausen
Weitere Informationen:
http://www.hdz-nrw.de