Archäologische Untersuchungen am Kapellenberg erfolgreich fortgesetzt
Die archäologischen Untersuchungen am Großgrabhügel auf dem Kapellenberg bei Hofheim am Taunus wurden vom 26. August bis 6. September erfolgreich fortgesetzt. Die Erkenntnisse fließen zudem in europäische Studien zu Siedlungsdynamiken ein. Dem Forschungsteam gelang es, die Architektur des Monuments zu rekonstruieren und zu zeigen, dass die Bewohner des Kapellenbergs Konflikten wohl durch Migration auswichen. Ein Verhaltensmuster, das sich auf heutige Situationen übertragen lässt. Die Forschung wird in den kommenden Jahren auf die umliegende Region ausgeweitet.
Das Projekt ist Teil einer langjährigen Zusammenarbeit zwischen dem Leibniz-Zentrum für Archäologie (LEIZA), der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, der Abteilung hessenARCHÄOLOGIE des Landesamtes für Denkmalpflege Hessen und der Stadt Hofheim.
Der Kapellenberg, ein bedeutendes Relikt aus der Jungsteinzeit, bietet durch seine gut erhaltenen Überreste tiefe Einblicke in das Leben und die Siedlungsstrukturen dieser Epoche. Im Fokus der diesjährigen Grabungssaison stand die Erfassung der Gesamtarchitektur des Grabhügels. Dabei legten die Forscher einen 40 x 5 Meter großen Grabungsschnitt an, der vom Fuß des Hügels bis zum vermuteten Bereich der ehemaligen Grabkammer reichte. Diese Arbeiten lieferten wichtige Erkenntnisse über die Konstruktion des Hügels:
„Errichtet auf einer natürlichen Erhebung, wurde Material aus der unmittelbaren Umgebung in die Hügelmitte aufgeschüttet und mit einer Geröllschicht versehen“, erklärt Grabungsleiter Ferenc Kántor von der hessenARCHÄOLOGIE. „Auf diesen Kern wurden weitere Erdschichten aufgetragen, die jedoch vermutlich bereits im 19. Jahrhundert zerstört wurden.“ Prof. Dr. Detlef Gronenborn, Projektleiter am LEIZA, ergänzt: „Es ist sogar möglich, dass der Hügel bereits kurz nach der Errichtung gezielt zerstört wurde. Diese Zerstörung erschwert eine präzise Datierung des Baubeginns, den wir derzeit auf etwa 4100 v. Chr. schätzen.“
Zukünftige Pläne und Einbindung in europäische Studien
In den kommenden Jahren soll die Forschung auf die Umgebung des Kapellenbergs ausgeweitet werden, insbesondere auf die Region um Hattersheim. Ziel ist es, Grabungsfunde aus Baugebieten aufzuarbeiten, um Erkenntnisse darüber zu gewinnen, in welchem Verhältnis der Kapellenberg zu zeitgleich bestehenden Siedlungen der Umgebung stand. Erste Analysen deuten darauf hin, dass ab 3800 v. Chr. die Menschen bevorzugt auf dem strategisch günstig gelegenen Kapellenberg siedelten, da er sich gut verteidigen ließ.
Diese regionalen Forschungen sind eng mit europaweiten Studien zu den sozialen Dynamiken vorstaatlicher Gesellschaften verknüpft. Eine aktuelle Studie aus 2024 belegt, dass gesellschaftlicher Verfall oft zu gewaltsamen Konflikten, Flucht und Vertreibung führte. „Die Region um den Kapellenberg ist ein herausragendes Fallbeispiel“, erklärt Gronenborn, der auch Mitautor der Studie ist. „Die Befestigungsanlagen und Brandschichten am Kapellenberg, deuten auf andauernde Konflikte hin. Als Folge migrierten die Bewohner in den europäischen Norden und unsere Region war für einige Jahrhunderte kaum besiedelt.“
„Diese Ergebnisse unterstreichen, dass bereits in steinzeitlichen Gesellschaften grundlegende Verhaltensmuster entstanden sind, die bis heute relevant sind“, erklärt Gronenborn. „Themen wie Flucht und Vertreibung haben leider eine bedrückende Aktualität auf globaler Ebene. Der Kapellenberg und sein Umland sind nicht nur ein beeindruckendes archäologisches Monument, sondern auch ein einzigartiges Zeugnis historischer Prozesse, die bis heute fortdauern.“
Der Kapellenberg als archäologisches Highlight im Rhein-Main-Gebiet
Unterstützt von der Stadt Hofheim untersucht das LEIZA seit 2008 gemeinsam mit dem Arbeitsbereich Vor- und Frühgeschichte des Instituts für Altertumswissenschaften der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz in Zusammenarbeit mit der Abteilung hessenARCHÄOLOGIE des Landesamtes für Denkmalpflege Hessen die archäologische Fundstätte aus der Jungsteinzeit. Auf dem Kapellenberg in Hofheim am Taunus sind Grabhügel und eine einzigartige Wallanlage aus der Jungsteinzeit erhalten. Der Wall wurde in der Zeit zwischen 4100 und 3600 v. Chr. errichtet und bislang kaum durch menschliche Eingriffe zerstört oder überbaut. In einem Projekt mit der Stadt Hofheim und weiteren Partnern ist 2020 ein archäologischer Rundweg auf dem Kapellenberg eingeweiht worden.
Nach Angaben von Bürgermeister Christian Vogt ist die Michelsberger Kultur einer der großen Marksteine der Hofheimer Geschichte: „Als die Michelsberger Kultur auf dem Kapellenberg ihre Blütezeit erlebte, gab es noch nicht einmal die Pyramiden in Ägypten. Deshalb planen wir einen touristischen Anziehungspunkt in Form eines Spielhauses, das an die auf dem Kapellenberg angesiedelte Michelsberger Kultur erinnern wird. Ein detaillierter Konzeptentwurf wurde durch ein bereits beauftragtes Landschaftsarchitekturbüro schon erarbeitet und mit Herrn Prof. Gronenborn inhaltlich abgestimmt. Zur gesamten Neuplanung des Areals rund um den Meisterturm wurde bereits eine Bauvoranfrage eingereicht, die auch das Haus der Michelsberger Kultur beinhaltet. Mit der Stellungnahme der Bauaufsichtsbehörde wird in Kürze gerechnet, sodass danach die erforderliche Ausschreibung erfolgen kann.“
Weiterführende Links
Das LEIZA informiert über den Fortlauf der Untersuchungen unter
www.leiza.de/kapellenberg
Aktuelle Studie: Kondor D., Bennett J. S., Gronenborn D., Turchin P. (2024) – Landscape of fear: indirect effects of conflict can account for large-scale population declines in non-state societies. Journal of the Royal Society, Interface, 21, 217, p. 20240210.
https://royalsocietypublishing.org/doi/10.1098/rsif.2024.0210
Archäologischer Rundweg
https://www.hofheim.de/kultur-sport-und-tourismus/tourismus/aktivitaeten-in-hofheim/ausflugsziele/
Wissenschaftlicher Kontakt:
Prof. Dr. Detlef Gronenborn
Leibniz-Zentrum für Archäologie
Tel.: +49 (0) 6131 / 8885-0
E-Mail: detlef.gronenborn@leiza.de
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Magistrat der Stadt Hofheim am Taunus
Tel.: 06192 / 202 – 355
E-Mail: dwichmann@hofheim.de
Leibniz-Zentrum für Archäologie (LEIZA)
Das LEIZA erforscht als Leibniz-Forschungsinstitut und -museum für Archäologie den Menschen und seine Entwicklung auf Basis materieller Hinterlassenschaften aus drei Millionen Jahren zeit- und raumübergreifend. Die daraus gewonnenen grundlegenden Erkenntnisse verhelfen zum besseren Verständnis menschlichen Verhaltens und Handelns und der Entwicklung von Gesellschaften. Damit bereichert das LEIZA das Wissen zum Menschen um die archäologische Perspektive und schafft wesentliche Grundlagen für die Reflexion der Gegenwart und die Gestaltung der Zukunft. Mit der Archäologie versteht das LEIZA den Menschen in den Zusammenhängen und teilt die gewonnenen Erkenntnisse im internationalen Dialog. Das LEIZA ist weltweit tätig und betreibt bislang erfolgreich und umfassend Forschungen in verschiedenen Regionen Afrikas, Asiens und Europas. Die einzigartige Konzentration archäologischer, naturwissenschaftlicher, restauratorischer und informationstechnologischer Kompetenzen verbunden mit bedeutenden Werkstätten, Laboren und Archiven erlaubt es dabei, objektorientierte Forschung zur Archäologie der Alten Welt (Asien, Afrika, Europa) von den Anfängen der Menschheitsgeschichte bis in die Neuzeit zu betreiben. Als eines von acht Forschungsmuseen der Leibniz-Gemeinschaft verbindet das LEIZA exzellente Wissenschaft mit Ausstellungen und ist mit seinem Bildungsauftrag gleichzeitig ein Ort des Dialoges mit der Öffentlichkeit.
Bis zur Umbenennung zum 1. Januar 2023 international war das LEIZA bekannt als Römisch-Germanisches Zentralmuseum (RGZM) und wurde im Jahr 1852 auf Beschluss der deutschen Geschichts- und Altertumsvereine in Mainz gegründet. Seit 2024 ist das LEIZA an insgesamt vier Standorten in Deutschland vertreten: Mainz, Neuwied, Mayen und Schleswig. www.leiza.de
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