Erste „Niedersachsen-Professur“ geht an die Universitätsmedizin Göttingen
Prof. Dr. Urs Valentin Nägerl, seit 1. September 2024 Direktor des Instituts für Anatomie und Zellbiologie der Universitätsmedizin Göttingen (UMG), erhält die erste „Niedersachsen-Professur“. Mit der Förderlinie des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur und der VolkswagenStiftung sollen führende Wissenschaftler*innen für den Wissenschaftsstandort Niedersachsen gewonnen werden. Prof. Nägerl wird mit 3,7 Millionen Euro über einen Zeitraum von fünf Jahren gefördert.
Die erste „Niedersachsen-Professur“ im Bundesland geht an Prof. Dr. Urs Valentin Nägerl von der Universitätsmedizin Göttingen (UMG). Mit dieser Förderung unterstützen das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur und die VolkswagenStiftung aus dem Programm „zukunft.niedersachsen“ die niedersächsische Hochschulen, um exzellente, international ausgewiesene Wissenschaftler*innen für ihren Standort zu gewinnen. Prof. Nägerl war bisher als ordentlicher Professor für Neurowissenschaften und Biobildgebung an der Universität Bordeaux in Frankreich tätig und führt seine Forschung nun an der UMG weiter. Im Rahmen der Förderlinie erhält er 3,7 Millionen Euro über einen Zeitraum von fünf Jahren.
Der Neurowissenschaftler hat zudem den Ruf auf die W3-Professur Anatomie und Zellbiologie angenommen und ist seit 1. September 2024 Direktor des gleichnamigen Instituts der UMG. Er folgt damit auf Prof. Dr. Christoph Viebahn, der 2023 in den Ruhestand gegangen ist. Die Auszeichnung „Niedersachsen-Professur“ ist aufgrund ihrer hohen Anforderungen an die wissenschaftliche Exzellenz der Kandidat*innen sowie der strategischen Bedeutung dieser Berufungen für die jeweilige Hochschule auf drei Förderfälle pro Jahr begrenzt.
Prof. Nägerl forscht als weltweit angesehener Spezialist auf dem Gebiet der hochauflösenden Lebend-Mikroskopie, der „Nanoskopie“, und liefert eindrucksvolle Einblicke in die Struktur und Funktion des Nervensystems. Mit der „superaufgelösten Schattenbildgebung“ entwickelte er eine bahnbrechende neue Methode, die es erlaubt, die komplexe Mikrostruktur von lebendem Hirngewebe und dessen Dynamik in Echtzeit zu verfolgen – vom Panoramaüberblick bis hin zu den kleinsten Verästelungen der Gehirnzellen. Sie beruht – nebst ausgeklügelter Mikroskopie-Technik – auf einer einmaligen Färbelogik: Demnach wird nur der Raum außerhalb von Zellen zum Leuchten gebracht, sodass jegliche zellulären Strukturen detailgetreu im Gegenbild darstellt werden können. Diese Technologie eröffnet eine völlig neue Sichtweise auf die mikroanatomische Organisation von Organen. Sie kann in jedem Gewebe und bei jeder Spezies angewendet werden und ermöglicht damit nicht nur die Erforschung von physiologischen Prozessen im gesunden Gewebe, sondern auch von Krankheitsprozessen in pathologisch-verändertem Gewebe wie beispielsweise bei Gehirntumoren. So können perspektivisch wertvolle Aufschlüsse zu Krankheitsmechanismen und Heilungschancen gegeben werden.
„Um die Stärken und Potenziale unseres Wissenschaftsstandorts Niedersachsen weiter zu entfalten, wollen wir die besten und klügsten Köpfe: Die Berufung von Prof. Dr. Urs Valentin Nägerl ist ein erfolgreicher Praxistest für die im Programm zukunft.niedersachsen neu aufgestellte Förderung zur Gewinnung von Ausnahme-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftlern für unser Wissenschaftssystem. So kann mit Prof. Nägerl ein Forscher mit erheblicher internationaler Erfahrung und Reputation sowie bedeutsamen Beiträgen zu den Bildgebungsschwerpunkten zurück nach Göttingen geholt werden“, so Niedersachsens Minister für Wissenschaft und Kultur Falko Mohrs.
„Prof. Nägerl weist durch seine Ausbildung und Forschung in Humanmedizin, Physik und den Neurowissenschaften ein breites und zugleich einzigartiges wissenschaftliches Profil auf. Seine Forschungsaktivitäten komplementieren und stärken die Forschungsschwerpunkte am Göttingen Campus wie beispielsweise die Bildgebung. Darüber hinaus adressieren und verbindet der Ansatz von Prof. Nägerl auch die profilgebenden Schwerpunkte der UMG: Molekulare Zellbiologie, Neurowissenschaften, Herz-Kreislauf-Medizin und Onkologie“, sagt Prof. Dr. Wolfgang Brück, Sprecher des Vorstandes und Vorstand Forschung und Lehre der UMG. „Aufgrund seiner fachlichen Expertise wird er ebenfalls wichtige Impulse für die Fortführung des Exzellenzclusters MBExC im Rahmen der nächsten Förderrunde der Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder am Göttingen Campus geben und durch seine modernen Lehrkonzepte – Stichpunkt 4D-Bildgebung und Computersimulation des menschlichen Körpers – neue attraktive Angebote für unsere Studierenden generieren.“
„Die Untersuchung von menschlichem Gewebe mit der „superaufgelösten Schattenbildgebung“ bietet ein hohes Potenzial für die medizinische Diagnostik und Grundlagenforschung. Mit dieser neuen Technik lassen sich die Struktur und Funktion von Gewebe und Zellverbünden besser verstehen, um beispielsweise neue Ansatzpunkte für die Diagnose und Behandlung von Herzerkrankungen wie auch Gehirntumoren zu finden. Es ist mein Ziel, diese Technologie konsequent weiterzuentwickeln und zu optimieren. Hierzu bestehen bereits enge Verbindungen mit der Fakultät für Physik der Universität Göttingen und dem Max-Planck-Institut für Multidisziplinäre Naturwissenschaften“, sagt Prof. Nägerl. „Die Fördermittel der Niedersachsen-Professur werden dieses Vorhaben in jedem Fall beschleunigen. Sie tragen dazu bei, mein Team zu erweitern und unsere Forschung mit den besten Mikroskopen voranzubringen.“
Zur Person
Urs Valentin Nägerl, Jahrgang 1971, promovierte in den Neurowissenschaften an der University of California (UCLA) in Los Angeles, Kalifornien, USA, im Labor von Prof. Dr. Istvan Mody. Anschließend arbeitete er als Postdoc bei Prof. Dr. Tobias Bonhoeffer am Max-Planck-Institut für biologische Intelligenz (ehemalig: Neurobiologie) in Martinsried und habilitierte sich bei Prof. Dr. Arthur Konnerth an der Technischen Universität München.
In dieser Zeit konnte er als Pionier der Zwei-Photonenmikroskopie erstmals die Dynamik von Synapsen direkt im lebenden Nervengewebe verfolgen und wichtige physiologische Zusammenhänge aufklären. Synapsen sind jene winzige Kontaktstellen zwischen den Nervenzellen, die dem Informationsfluss im Gehirn zugrunde liegen. Ihre Regulierbarkeit – synaptische Plastizität genannt – spielt eine fundamentale Rolle für sämtliche Gehirnleistungen und weist folgenschwere Schäden bei Gehirnerkrankungen wie Alzheimers und Autismus auf. Während seiner anschließenden Zusammenarbeit mit dem heutigen Nobelpreisträger Prof. Dr. Stefan Hell am Max-Planck-Institut für Multidisziplinäre Naturwissenschaften in Göttingen wandte er erstmals die hochauflösende „Stimulated Emission Depletion“ (STED)-Mikroskopie im lebenden Hirngewebe an und konnte dadurch die Darstellung von Synapsen wesentlich verbessern. Seit 2009 ist er ordentlicher Professor für Neurowissenschaften und Bio-Bildgebung an der Universität Bordeaux in Frankreich. Dort hat er die Mechanismen der neuronalen Plastizität mithilfe der hochauflösenden STED-Mikroskopie untersucht, und wichtige Erkenntnisse zu ihren Erscheinungsformen und funktionellen Konsequenzen sammeln können.
Für seine Arbeiten erhielt Prof. Nägerl mehrere Preise und Auszeichnungen, u.a. „Equipe FRM“ im Jahr 2016, Mitgliedschaft im „Institut Universitaire de France“ zur Förderung der französischen Spitzenforschung im Jahr 2017, einen Forschungs-Preis der Académie des Sciences in Paris im Jahr 2018 und zuletzt den Maxime Dahan Prize. Zudem ist er ist mit einem hochdotierten Synergy Grant des European Research Council ausgezeichnet und wird diese Förderung nach Göttingen transferieren.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Universitätsmedizin Göttingen, Georg-August-Universität
Institut für Anatomie und Zellbiologie
Prof. Dr. Urs Valentin Nägerl
Kreuzbergring 36, 37073 Göttingen
Telefon 0551 / 39-67000
valentin.naegerl@med.uni-goettingen.de