Nutzfahrzeughersteller wollen Elektro-Lkw flächendeckend auf die Straße bringen
Nach dem Pkw-Verkehr ist der Straßengüterverkehr der zweitgrößte Verursacher von CO2-Emissionen im Verkehrssektor. Eine Abkehr von fossilen Kraftstoffen ist daher auch bei Lkw unerlässlich. Ein aktueller Bericht des Öko-Instituts dokumentiert die aktuellen Einschätzungen von Nutzfahrzeugherstellern und Ladeinfrastrukturexperten zum Antriebswechsel und der erforderlichen Energieversorgungsinfrastruktur. Aus deren Sicht entwickeln sich batterieelektrische Lkw zur dominierenden Technologie im Straßengüterverkehr.
Die fünf befragten Nutzfahrzeughersteller – die zusammen etwa 90 Prozent des europäischen Nutzfahrzeugmarkts abdecken – erwarten einen schnellen Markthochlauf und eine zukünftige Dominanz von batterieelektrischen Lkw im Straßengüterverkehr und rechnen bereits im Jahr 2030 mit einem Marktanteil von über 50 Prozent an den Neuzulassungen. Angesichts der Fortschritte in der Batterietechnologie wird eine schnelle Erweiterung des E-Lkw-Einsatzes vom Regional- hin zum anspruchsvollen Fernverkehr erwartet. Die Betriebskostenvorteile von batterieelektrischen Lkw begünstigen den Einsatz im Fernverkehr mit hohen Jahresfahrleistungen und machen ihn oft heute schon konkurrenzfähig zum Diesel-Lkw. Zudem können in dieser Anwendung die höchsten Einsparungen von Treibhausgasemissionen erzielt werden.
Ladeinfrastruktur stellt die zentrale Voraussetzung dar
Der Aufbau der erforderlichen Lkw-Ladeinfrastruktur wird als bestimmende Größe für die Geschwindigkeit des Markthochlaufs von E-Lkw benannt. Dieser umfasst sowohl die Elektrifizierung von Betriebshöfen der Unternehmen als auch den Aufbau eines zuverlässigen und flächendeckenden Hochleistungsladenetzes im öffentlichen Raum. Die Bereitstellung der Netzanschlusskapazitäten im erforderlichen Umfang und der notwendigen Geschwindigkeit wird in diesem Kontext als besonders kritisch eingestuft.
Ambitionierte Klimapolitik gefordert: EU CO2-Flottenzielwerte und CO2-Bepreisung als wichtigste Transformationstreiber
Laut Herstellern werden die europäischen CO2-Standards für schwere Nutzfahrzeuge sowie der ansteigende CO2-Preis bei fossilen Kraftstoffen und die CO2-basierte Lkw-Maut als die zentralen Treiber für die Dynamik bei der Entwicklung und dem Absatz von E-Lkw bewertet. Eine Abschwächung dieser zentralen Rahmenbedingungen sei demnach das größte Risiko für den Markthochlauf von E-Lkw.
„Die Nutzfahrzeugindustrie hat weitreichende Entscheidungen für den Antriebswechsel getroffen und hohe Investitionen getätigt. Daher ist es nachvollziehbar, dass sie langfristig planbare Rahmenbedingungen in dieser kritischen Transformationsphase einfordert und die fehlende politische Absicherung einer ambitionierten Klimapolitik als großes Risiko bewertet“, so Florian Hacker, stellvertretender Leiter des Bereichs Ressourcen und Mobilität beim Öko-Institut.
Wasserstoffbasierte Antriebe weiterhin in der Entwicklung
Gleichzeitig engagieren sich alle befragten Hersteller weiterhin in der Entwicklung von wasserstoffbasierten Antrieben für Lkw. Die große Mehrheit der Hersteller geht jedoch nicht von einer wirtschaftlichen Konkurrenzfähigkeit von wasserstoffbetriebenen Lkw im Massenmarkt aus, sondern sieht deren zukünftige Anwendung eher in Nischenmärkten und Spezialanwendungen. Ein einzelner Hersteller nennt ein langfristiges Marktpotenzial von wasserstoffbetriebenen Lkw in der Größenordnung von 10 bis 20 Prozent.
Die Transformation kann nur in Kooperation mit der Transportbranche gelingen
In den Gesprächen wurde auf den dringenden Bedarf hingewiesen, die Transportbranche mit ihrer heterogenen Unternehmensstruktur bei dem anstehenden Antriebswechsel zu unterstützen und deren Herausforderungen in den Blick zu nehmen.
Derzeit werden im laufenden Forschungsvorhaben, das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz im Förderprogramm „Erneuerbar mobil“ gefördert wird, über die Begleitung von Fallstudienpartner und die mehrfache standardisierte Befragung von Transportunternehmen fundierte Erkenntnisse zu den Erfahrungen und Perspektiven der Anwender mit alternativen Antrieben erfasst. Diese werden in vergleichbaren Publikationen zu einem späteren Zeitpunkt im Projekt veröffentlicht und das Bild somit um eine weitere, wichtige Perspektive auf die Transformation des Nutzfahrzeugmarkts ergänzt.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Ansprechpartner am Öko-Institut
Florian Hacker
Stv. Bereichsleiter im Institutsbereich
Ressourcen & Mobilität
Öko-Institut e.V., Büro Berlin
Telefon: +49 30 405085-373
E-Mail: f.hacker(at)oeko.de
Originalpublikation:
Bericht „Elektrifizierung von schweren Nutzfahrzeugen und Aufbau von Ladeinfrastruktur – Entwicklungsperspektiven und Handlungsempfehlungen aus Sicht von Nutzfahrzeugherstellern und Ladeinfrastrukturexperten“ des Öko-Instituts [https://www.oeko.de/publikation/elektrifizierung-von-schweren-nutzfahrzeugen-und-aufbau-von-ladeinfrastruktur-entwicklungsperspektiven-und-handlungsempfehlungen-aus-sicht-von-nutzfahrzeugherstellern-und-ladeinfrastrukturexperten/]