Archäologische Grabung im antiken Fregellae beleuchtet Ende einer Kulturlandschaft
Mainz/Arce/San Giovanni Incarico. Ein Forscherteam des Leibniz-Zentrums für Archäologie (LEIZA) und der Universität Trier hat vom 22. Juli bis 19. August 2024 die Überreste der spätrepublikanischen Stadt Fregellae im heutigen Italien untersucht, um das soziale und wirtschaftliche Gefüge der Region vor und nach ihrer Zerstörung im Jahr 125 v. Chr. besser zu verstehen. Untersuchungen an der ältesten Villa in der Umgebung sowie einem römischen Militärlager außerhalb der Stadt zeigen, dass mit der Zerstörung auch die wirtschaftliche Existenzgrundlage ihrer Bewohner vernichtet wurde. Die Region blieb daraufhin über 170 Jahre lang unbesiedelt.
In diesem Jahr konzentrierten sich die Arbeiten auf eine Villa mit landwirtschaftlicher Produktionsstätte sowie die weitere Erschließung eines römischen Militärlagers, das während der Belagerung der Stadt errichtet wurde.
Die Villa, die der lokalen Elite gehörte, ist die älteste ihrer Art, die bisher in der Region entdeckt wurde. Sie wurde etwa 80 Jahre vor der Zerstörung Fregellaes errichtet. „Es ist faszinierend, dass wir die architektonische Struktur einer so frühen Produktionsstätte freilegen konnten“, erklärt Univ.-Prof. Dr. Dominik Maschek, Projektleiter am LEIZA. „Trotz der Brandspuren und des fast vollständig abgetragenen Baumaterials bieten die Funde wertvolle Einblicke in das ländliche Leben und die wirtschaftlichen Aktivitäten der damaligen Bewohner“.
Archäobotanische Untersuchungen und Funde von Amphoren und Vorratsgefäßen belegen, dass in der Anlage Wein, Obst und Getreide produziert wurde. „Vermutlich wurde der Wein nicht nur für den lokalen Markt produziert. Es ist gut möglich, dass dieser innerhalb des mediterranen Handelsnetzwerks bis nach Spanien und Frankreich verhandelt wurde. Der Anbau von Getreide und Obst war hingegen sicherlich für den lokalen Markt bestimmt“, erklärt Maschek.
Die Zerstörung der Anlage durch das römische Heer bedeutete nicht nur das Ende dieser Produktionsstätte, sondern auch den Verlust der Lebensgrundlage ihrer Bewohner. Maschek fügt hinzu: „Durch die gewaltsame Zerstörung wurde die gesamte Wirtschaft der Region nachhaltig geschädigt. Über 170 Jahre lang blieb die Landschaft unbesiedelt, bis das Gebiet schließlich als Abfalldeponie genutzt wurde. Wir haben zahlreiche Keramikgefäße gefunden, die um 50 n. Chr. datieren.“
Neben den Arbeiten an der Villa haben die Forschenden zudem das im letzten Jahr identifizierte Militärlager weiter untersucht. Das Lager, das zur Belagerung von Fregellae errichtet wurde, erstreckte sich über eine Fläche von 90 x 143 Metern und war von einem Wall und einem Graben umschlossen. Die Untersuchungen stützen die bisherigen Ergebnisse zur römischen Militärstrategie und der Belagerungstaktik. „Diese neue Information festigt unser Bild von der römischen Belagerung im Jahr 125 v. Chr.“, erklärt Maschek.
Die landwirtschaftliche Produktionsstätte und die umliegende Kulturlandschaft geben den Archäologen wichtige Hinweise auf das Ausmaß der Zerstörungen und die Folgen des römischen Feldzugs gegen Fregellae. Die diesjährigen Funde tragen entscheidend zum Verständnis der Veränderungen innerhalb der umliegenden Kulturlandschaft nach der Zerstörung bei. Im nächsten Jahr sollen die reichen Funde der Grabungen weiter untersucht und ausgewertet werden, mit dem Ziel, von den Zerstörungen des Jahres 125 v. Chr. bis zu den Kampfhandlungen des Zweiten Weltkriegs die Auswirkungen von Krieg und Konflikt auf die Kulturlandschaft zu rekonstruieren.
Projektinformationen zu A Landscape of Conflict: Battlefield Archaeology in Territory of Ancient Fregellae / Modern Arce, Ceprano, and San Giovanni Incarico
Die archäologischen Untersuchungen an der etwa 100 km von Rom gelegenen Ausgrabungsstätte rekonstruieren den militärischen Überfall der Römer auf die einst florierende Stadt Fregellae. Überreste von Wandmalereien, Heiligtümern, Atriumhäusern, Bodenmosaiken und öffentlichen Bädern im Stadtzentrum geben eindeutige Hinweise auf vorsätzliche Zerstörung. Wie sich solche Belagerungen in der römischen Zeit auf das städtische Umland auswirkten und welchen Zerstörungsgrad die umliegende Kulturlandschaft im Fall von Fregellae erleiden musste, ist das Hauptziel des wissenschaftlichen Projekts.
Das seit 2023 von der Gerda Henkel-Stiftung geförderte Projekt wird von Univ-Prof. Dr. Dominik Maschek seit 2015 geleitet. Die archäologischen Grabungen in Fregellae finden in Kooperation mit dem Ministero della Cultura, Soprintendenza Archeologia, Belle Arti e Paesaggio per le province di Frosinone e Latina (SABAP FR LT), der Comune di Arce (Frosinone, Lazio) und der Comune di San Giovanni Incarico (Frosinone, Lazio) statt. Weitere Kooperationspartner sind die Universität Trier, Fach Klassische und Provinzialrömische Archäologie, die British School at Rome und die Universität Basel, Departement Umweltwissenschaften, Integrative Prähistorische und Naturwissenschaftliche Archäologie (IPNA).
Über Dominik Maschek
Dominik Maschek studierte Klassische Archäologie, Alte Geschichte und Ur- und Frühgeschichte an der Universität Wien und lehrte danach in Darmstadt, Birmingham und Oxford. Neben seiner Professur für Römische Archäologie an der Universität Trier, die er seit Juli 2022 innehat, leitet er den Kompetenzbereich Römische Archäologie am Leibniz-Zentrum für Archäologie (LEIZA). Er arbeitet in erster Linie zur römischen materiellen Kultur von der Republik bis in die Spätantike, wobei ein Schwerpunkt seiner Forschungen auf der Konfliktarchäologie liegt.
https://www.leiza.de/ueber-uns/team/person/dominik-maschek
Leibniz-Zentrum für Archäologie (LEIZA)
Das LEIZA erforscht als Leibniz-Forschungsinstitut und -museum für Archäologie den Menschen und seine Entwicklung auf Basis materieller Hinterlassenschaften aus drei Millionen Jahren zeit- und raumübergreifend. Die daraus gewonnenen grundlegenden Erkenntnisse verhelfen zum besseren Verständnis menschlichen Verhaltens und Handelns und der Entwicklung von Gesellschaften. Damit bereichert das LEIZA das Wissen zum Menschen um die archäologische Perspektive und schafft wesentliche Grundlagen für die Reflexion der Gegenwart und die Gestaltung der Zukunft. Mit der Archäologie versteht das LEIZA den Menschen in den Zusammenhängen und teilt die gewonnenen Erkenntnisse im internationalen Dialog. Das LEIZA ist weltweit tätig und betreibt bislang erfolgreich und umfassend Forschungen in verschiedenen Regionen Afrikas, Asiens und Europas. Die einzigartige Konzentration archäologischer, naturwissenschaftlicher, restauratorischer und informationstechnologischer Kompetenzen verbunden mit bedeutenden Werkstätten, Laboren und Archiven erlaubt es dabei, objektorientierte Forschung zur Archäologie der Alten Welt (Asien, Afrika, Europa) von den Anfängen der Menschheitsgeschichte bis in die Neuzeit zu betreiben. Als eines von acht Forschungsmuseen der Leibniz-Gemeinschaft verbindet das LEIZA exzellente Wissenschaft mit Ausstellungen und ist mit seinem Bildungsauftrag gleichzeitig ein Ort des Dialoges mit der Öffentlichkeit.
Bis zur Umbenennung zum 1. Januar 2023 international war das LEIZA bekannt als Römisch-Germanisches Zentralmuseum (RGZM) und wurde im Jahr 1852 auf Beschluss der deutschen Geschichts- und Altertumsvereine in Mainz gegründet. Seit 2024 ist das LEIZA an insgesamt vier Standorten in Deutschland vertreten: Mainz, Neuwied, Mayen und Schleswig. www.leiza.de
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Univ.-Prof. Dr. Dominik Maschek
dominik-maschek@leiza.de
Weitere Informationen:
https://www.leiza.de/presse/details-pressmeldungen/archaeologische-grabung-im-antiken-fregellae-beleuchtet-ende-einer-kulturlandschaft Pressemitteilung und weitere Pressebilder auf leiza.de
https://www.leiza.de/forschung/forschungsfelder/wechselwirkungen-zwischen-menschen-und-umwelten/agglomerationen-und-siedlungsraeume/projekt/fregellae-125-v-chr; Website des Projekts