Mit Konzert und Lesung: Wuppertaler Doktorand organisiert Kafka-Tagung in Prag
Vom 16. bis 18. Oktober widmet sich eine unter Beteiligung der Bergischen Universität organisierte Jubiläumskonferenz in Prag dem Werk von Franz Kafka: Aus philosophischer und literaturwissenschaftlicher Perspektive beleuchtet sie die Frage nach Kafkas Verhältnis zur Moderne und will zugleich die Bedeutung ihrer Antworten für unser Menschsein im Hier und Heute diskutieren.
Die deutschsprachige Konferenz „Kafkas Diagnostik der Moderne“ wartet vom 16. bis 18. Oktober mit einem vielseitigen Programm auf: Neben einem Dutzend Vorträgen wird es auch eine Lesung und ein Konzert geben.
Anmeldungen zu der Jubiläumskonferenz mit freiem Eintritt (https://kafka2024.de/programm/kafkas-diagnostik-der-moderne) sind noch möglich und werden vom Organisationsteam erbeten an: schenk@uni-wuppertal.de.
Für die Philosophie ist Kafka so bedeutsam, da er in seinen Werken Themen behandelt, die die Grundfragen der menschlichen Existenz, der Sinnsuche und der Konfrontation mit einer unbegreiflichen Welt aufgreifen. Bis heute ist sein Nachlass eine Projektionsfläche für Gedanken von Generationen, Gemeinschaften, Gruppen. „Verschiedene philosophische Positionen ab dem 20. Jahrhundert gewinnen ihr Profil auch aus der unterschiedlichen Art und Weise wie sie Kafka interpretieren“, erklärt Jan David Schenk. Der Wuppertaler Doktorand geht in seiner Forschung der Frage nach, welche jeweiligen Grundannahmen die verschiedenen Interpretationen bedingen, und prüft diese kritisch vor dem Hintergrund von Kafkas Werk. Dabei verfolgt er die Idee, die inhaltlichen Bruchlinien zwischen den Positionen aufzuzeigen: Was bedeutet Menschsein in der Moderne? Welche Antworten gibt Kafka? Und welche Grundmuster prägen seine Lektüren?
Viele Anknüpfungspunkte
In Prag will er diese und weitere Fragen mit möglichst vielen diskutieren und bringt dafür Nachwuchswissenschaftler*innen mit etablierten Kafka-Forschenden zusammen – aus der Philosophie ebenso wie aus der Literaturwissenschaft. „In der Auseinandersetzung mit Kafkas Werk verschwimmen die Grenzen zwischen Literaturwissenschaft und Philosophie. Es ist daher prädestiniert dafür, die beiden Disziplinen miteinander ins Gespräch zu bringen. Die Betrachtung über Fachgrenzen hinweg fordert uns heraus, weiter und mitunter anders zu denken. Das macht es so spannend“, so Schenk. Er selbst leistet basierend auf seiner Forschung einen Beitrag zur kritischen Rezeptionsgeschichte. „Die in der jüngeren Geschichte der Philosophie latenten wie ausgetragenen Grabenkämpfe lassen sich im Umgang mit Kafka rekonstruieren. Ich will sie verstehen und analysieren. Das geht aus meiner Perspektive nicht von den historischen Umständen losgelöst: Was Menschen aus Kafkas Werken herausnehmen, was sie davon wie verarbeiten, hat immer etwas damit zu tun, was sie für bedenkens- und hoffenswert hielten, in welcher Zeit sie selbst gelebt haben und leben“, fasst Schenk zusammen.
Anerkennende Worte
„Diese Konferenz ist in zweierlei Hinsicht etwas Besonderes“, erklärt Literaturwissenschaftler Michael Scheffel. Der Wuppertaler Professor, heute im Ruhestand, hat die Arbeiten zur Prager Konferenz unterstützt und wird im Oktober selbst als Vortragender vor Ort sein. Eher selten würden derartige Konferenzen von Promovierenden organisiert. „Es ist toll zu sehen, wie Jan David Schenk im Prager Auslandssemester geknüpfte Kontakte nutzt, um in Kafkas Geburts- und Heimatstadt eine wissenschaftliche, deutschsprachige Tagung zu organisieren“, so Scheffel anerkennend. Eine Kafka-Konferenz in Prag stehe auch immer noch vor einem besonderen historischen Hintergrund. „Kafka ist nach dem Zweiten Weltkrieg in den vormals kommunistisch geprägten Staaten Osteuropas längst nicht so beliebt gewesen, wie wir es aus westlicher Sicht kennen, er war lange Zeit sogar verboten“, ordnet Scheffel ein.
Der Literaturwissenschaftler wird sich in seinem Vortrag mit dem sozialhistorischen Kontext Kafkas und dem Autor in seiner Rolle als Außenseiter beschäftigen. Scheffel: „Wie zu Kafkas Lebzeiten sehen wir auch heute wieder eine Tendenz zur Nationalisierung und Homogenisierung von Gesellschaften. Eine der Fragen, die sich in diesem Kontext erneut stellt: Wohin gehört in solchen Zeiten die Gruppe der Jüdinnen und Juden?“ Kafkas damalige Sicht auf das Zeitgeschehen, als ein Autor und Beobachter – der selbst jüdisch war und als besonders feinfühlig und ebenso nachdenklich, wie aufmerksam beschrieben wird – liefere, so der Ansatz, wertvolle Erkenntnisse für den aktuellen Diskurs über Gesellschaftsverhältnisse und unser Zusammenleben.
Am 3. Juni 2024 jährte sich Kafkas Todestag zum 100. Mal. Anlässlich dieses Jubiläums finden das ganze Jahr über Veranstaltungen statt, die sich mit der Person Franz Kafka, seinem Leben, Wirken und Werk beschäftigen.
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Termin
16. bis 18.10.2024: „Kafkas Diagnostik der Moderne.“ Konferenzzentrum des Instituts für Philosophie der Tschechischen Akademie der Wissenschaften, Husova 4, Prag 1, Tschechische Republik. Weitere Informationen auf der Festivalwebseite „Kafka 2024“: https://kafka2024.de/programm/kafkas-diagnostik-der-moderne
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Hintergrund
Das Masterstudium an der Bergischen Universität führte Jan David Schenk für ein Semester nach Prag. Hier lernte er 2019 auch den Mitorganisator der Jubiläumskonferenz Markus Hodec kennen, der damals an der Karls-Universität Prag promovierte. Zusammen organisieren sie die Konferenz als Kooperation der Bergischen Universität Wuppertal und der Tschechischen Akademie der Wissenschaften.
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Nicht von ungefähr: Kafka und die Bergische Universität
Seit 1982 beherbergt die Wuppertaler Universitätsbibliothek die erhaltenen Bände aus Kafkas Privatbibliothek. Unter ihnen zahlreiche Werke mit Widmungen für Kafka als Empfänger der Bücher und ebenso der ein oder anderen Lesenotiz seiner selbst.
Dass die Buchsammlung hier steht, ist Verdienst von Jürgen Born. Der Anfang 2023 verstorbene Wissenschaftler prägte die deutsche Kafka-Forschung seit den 60er Jahren und kam 1974 als Professor an die damalige Gesamthochschule Wuppertal und heutige Bergische Universität. In dieser Funktion gründete er die Forschungsstelle für Prager deutsche Literatur, rekonstruierte u. a. die Bibliothek Kafkas, ehe es ihm gelang, den Bestand an die Uni zu holen, und initiierte die Arbeit an der Historisch-Kritischen Ausgabe der Schriften Franz Kafkas.
Zunächst bedeutete das, Kafkas Manuskripte, die auf der ganzen Welt verstreut waren – und es bis heute noch sind – zu orten, zu sammeln, zu dokumentieren und ihre Genese nachzuvollziehen. Die Schriftstücke also ihrer Entstehung nach verschiedenen Werken zuzuordnen, um so auch die von Kafkas Freund und Nachlassverwalter Max Brod veröffentlichte Form der Texte – beispielsweise der zum Teil von Kafka nie vollendeten Romane – gegebenenfalls zu korrigieren und zu kommentieren. Entstanden ist eine international viel geachtete Edition, deren redaktionelle Fäden in Wuppertal zusammenliefen, später vor allem unter Leitung von Hans-Gerd Koch.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Jan David Schenk
Fakultät für Geistes- und Kulturwissenschaften
E-Mail schenk@uni-wuppertal.de
Weitere Informationen:
https://kafka2024.de/programm/kafkas-diagnostik-der-moderne - Programm zur Tagung
https://kafka2024.de/ - Festival-Webseite
https://onomato.de/produkt/kafkas-bibliothek/ - "Kafkas Bibliothek", Jürgen Born
https://www.fischerverlage.de/buch/reihe/franz-kafka-schriften-tagebuecher-briefe-kritische-ausgabe - Franz Kafka, Schriften - Tagebücher - Briefe. Kritische Ausgabe, u.a. hrsg. von Hans-Gerd Koch