Ist die EU bei digitalen Gesetzen auf dem richtigen Weg?
Ein Verbund der Universität Trier untersucht, wie Europa mit einer ganz eigenen Digitalordnung die Chancen von KI & Co. zu nutzen und Gefahren zu minimieren versucht.
Viele der europäischen Gesetze für die digitale Welt sind noch recht neu. Der „AI Act“, der den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) reguliert, wurde erst im Mai verabschiedet. So sind noch viele Fragen offen, was sie in speziellen Fällen für Internetnutzer oder Unternehmen bedeuten. Diese „Vordenkarbeit“ leistet nun ein neuer Forschungsverbund der Universität Trier. Unter der Federführung der Rechtswissenschaft erforscht der interdisziplinäre Verbund „Digitale Souveränität Europas“ (DigitS EU) den Zwischenweg, den die EU mit ihrer Gesetzgebung geht: Auf der einen Seite sollen die Potenziale von digitalen Technologien genutzt werden, auf der anderen Seite sollen Risiken wie Manipulation und Fake News, die möglicherweise auch die Demokratie gefährden, reduziert werden.
„Gerade in Deutschland werden oft die Gefahren von neuen Technologien betont. Wir wollen den digitalen Wandel und die Gesetzgebung dazu konstruktiv begleiten“, steckt Prof. Dr. Antje von Ungern-Sternberg, Sprecherin des Verbundes, das Ziel ab. Bis 2028 möchte der Verbund Handlungsempfehlungen für die EU erarbeiten, aber auch Unternehmen Orientierungshilfe in der Auslegung der Gesetzgebung liefern. Durch den Digital Service Act verpflichtet der Gesetzgeber beispielsweise Online-Plattformbetreiber gegen Falschinformationen im Netz vorzugehen. Aber in welcher Form und in welchem Umfang, z. B. mit welchem Budget, sie das tun müssen, lässt die EU offen. „Solche Detailfragen werden in den nächsten Jahren auch Gerichte klären müssen. Wir leisten hierfür die Vorarbeit“, sagt die Jura-Professorin der Universität Trier.
Eine weitere Leistung, die das Forschungsteam erbringen wird, sind empirische Ergebnisse zur Online-Meinungsbildung. Seit Kurzem müssen Social-Media-Dienstleister Forschende in ihre Daten schauen lassen. Das ermöglicht Trierer Medien- und Informatikwissenschaftlern eigene Untersuchungen durchzuführen. Mithilfe von KI bauen sie Social-Media-Plattformen nach und testen mit menschlichen Probandinnen und Probanden verschiedene Szenarien. Am Ende wird es neue Erkenntnisse dazu geben, wie sich beispielsweise Filterblasen auf die Meinungsbildung auswirken oder wie anfällig Menschen für manipulierende Inhalte sind und was dies für Folgen für die Demokratie haben kann. Co-Sprecher Benjamin Raue: „Das wiederum hilft uns Juristinnen und Juristen bewerten zu können, ob die aktuellen Gesetze ausreichend Schutz bieten.“
Als eine der ersten Universitäten in Deutschland hatte man sich in Trier mit der gesetzlichen Regulierung der digitalen Welt auseinandergesetzt. Das Institut für Recht und Digitalisierung (IRDT) bündelt die Kompetenz auf diesem Gebiet. Das besondere an dem Forschungsansatz des Verbundes ist auch die Verschränkung mit einer einmaligen Expertise zu Medien- und Informationstechnologie in China. Die Forscherinnen und Forscher wollen auch der Frage nachgehen, wie sich die EU mit ihren Vorstellungen einer digitalen Ordnung gegenüber anderen Ländern behaupten kann. Während in China der digitale Wandel stark kontrolliert wird, verfolgen beispielsweise die USA eine „Laissez-Faire“-Politik. Für die EU sind Grundrechte, der Schutz der marktwirtschaftlichen Freiheit, die soziale Verantwortung und die pluralistische Meinungsbildung der maßgebliche Rahmen für die Gesetzgebung.
Mit Grundrechten und Künstlicher Intelligenz wird sich am 26. und 27. September 2024 auch eine vom IRDT veranstaltete internationale Konferenz beschäftigen, zu der Interessierte eingeladen sind.
Mehr Infos zum Forschungsverbund DigitS EU und zur Konferenz: https://irdt.uni-trier.de
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Fabian Hoffmanns
Projektkoordinator DigitS EU
Mail: hoffmannsf@uni-trier.de
Tel. +49 651 201-4588