Studie in Kooperation mit der Universität Koblenz zeigt, wie Muskelform Stärke steigert
Sprinter oder auch Radfahrer in Aktion verlassen sich stark auf die Muskeln in ihren unteren Gliedmaßen - die ausgeprägte Form ihrer Wadenmuskeln ist mehr als nur ein Zeichen von Fitness. Sie ist ein Zeugnis für einen bemerkenswerten Aspekt der Muskelarchitektur, der eine entscheidende Rolle bei der Maximierung der Kraftproduktion spielt, wie eine aktuelle Studie der Universität Koblenz in Kooperation mit Wissenschaftlern aus Deutschland und Australien (DOI: 10.1098/rsos.240037) zeigt.
Bekannt ist dieser Aspekt als Fiederung oder Pennation - „penna“ ist das lateinische Wort für „Feder“. Muskeln sind nicht nur Klumpen aus Gewebe, sie haben komplexe Designs, die optimieren, wie sie Kraft erzeugen. Eines der faszinierendsten Designs ist die gefiederte Muskelarchitektur. Bei gefiederten Muskeln sind die Muskelfasern in einem Winkel zur Sehne angeordnet, ähnlich wie die Fahne einer Feder. Diese Anordnung mag auf den ersten Blick ineffizient erscheinen, da nicht alle Muskelfasern in Richtung der gewünschten Kraftausübung ausgerichtet sind. Doch dieses Design ist eine geniale evolutionäre Lösung zur Maximierung der Stärke.
Der Hauptvorteil gefiederter Muskeln ist, dass sie mehr Fasern in einem gegebenen Muskelvolumen unterbringen können, dies allerdings auf Kosten einer geringeren Länge. Durch die Anordnung von mehr Fasern in einem Winkel können gefiederte Muskeln ihre Querschnittsfläche vergrößern, die direkt mit der Kraftproduktion zusammenhängt. Diese vergrößerte Querschnittsfläche, bekannt als physiologischer Querschnitt (PCSA), ist einer der besten Indikatoren für die Fähigkeit eines Muskels, Kraft zu erzeugen. Im Wesentlichen gilt: Je mehr Muskelfasern nebeneinander arbeiten, desto größer ist die Kraft, die der Muskel erzeugen kann.
Allerdings gibt es einen bekannten Kompromiss: Während gefiederte Muskeln in der Kraftproduktion hervorragend sind, sind sie nicht so effizient für Geschwindigkeit. Dies liegt daran, dass die geneigten Fasern sich bei der Muskelkontraktion weniger verkürzen, was die Gesamtkontraktionsgeschwindigkeit des Muskels begrenzt.
In der neuen Studie wurde nun ein zweites Gestaltungskriterium identifiziert: das Verhältnis zwischen der Länge und Dicke der Muskeln. Länger als dick zu sein, ermöglicht es, bei konstantem Volumen mehr Fasern parallel arbeiten zu lassen. Mit Hilfe mathematisch-geometrischer Modelle zeigten die Forscher, dass es bei einem gegebenen Verhältnis von Länge zu Dicke einen optimalen Fiederungswinkel gibt, um maximale Kraftproduktion zu ermöglichen. Dieses Phänomen nannten sie den mechanischen Fiederungsvorteil oder auch pennation mechanical advantage (PMA).
Der wichtige Muskel für Sprinter und Radfahrer: Musculus gastrocnemius
Da der Wadenmuskel (Musculus gastrocnemius) relativ kurz ist, ist er nicht ideal für ein gefiedertes Design, obwohl seine Fasern in einem leichten Winkel angeordnet sind. Tatsächlich fanden die Forscher heraus, dass die Extensoren des Beines, die nur ein Gelenk überkreuzen — also Knöchel (Musculus soleus), Knie (Musculus vastus lateralis und medialis) und Hüfte (Musculus gluteus maximus und medius) — Fiederungswinkel aufweisen, die dem theoretischen Optimum am nächsten kommen und somit den höchsten PMA haben. Sie sind darauf ausgelegt, innerhalb des ihnen anatomisch zugewiesenen Volumens so hohe Kräfte wie möglich zu erzeugen. Diese Muskeln verstärken ihre Kontraktionskraft auf das bis zu Sechsfache der Kraft, die sie hätten, wenn sie nicht gefiedert wären. Der Musculus gastrocnemius hingegen ist im Wesentlichen ein Zwei-Gelenk-Muskel, der mit einer langen Sehne ausgestattet ist — Merkmale, die die motorische Kontrolle und schnelle Bewegungen erleichtern.
Die Zukunft der Muskel-Forschung
Das Konzept der Pennation ist nicht nur für Biologen faszinierend — es inspiriert auch neue Ansätze in der Biomechanik und Robotik. Man könnte über bessere Trainingsmethoden für Sportler, verbesserte Rehabilitationstechniken für Verletzungen und sogar effizientere Designs für Roboter und Prothesen nachdenken, die menschliche Bewegungen nachahmen, sofern sie künstliche Muskelantriebe einsetzen. Während weiterhin über die Muskelarchitektur geforscht wird, zeigt sich, dass die Natur unsere Muskeln auf eine Weise optimiert hat, die sowohl raffiniert als auch effizient ist. Das clevere, gefiederte Design einiger der Bein-Muskeln ist ein natürliches Ingenieurkunstwerk, das über Millionen von Jahren perfektioniert wurde.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Dr. Robert Rockenfeller
Universität Koblenz
Mathematisches Institut
Universitätsstr. 1
56070 Koblenz
Tel.: 0261 287 2307
E-Mail: rrockenfeller@uni-koblenz.de
Originalpublikation:
DOI: 10.1098/rsos.240037