Ohne Mücke kein Kakao – wie die Biodiversität zu retten ist
Biodiversität ist viel mehr als die Vielfalt an Arten. Sie umfasst auch die Vielfalt an Ökosystemen und die genetische Vielfalt der Organismen. Also sind wir, die Menschen, natürlich ebenfalls Teil der Biodiversität der Erde. Allerdings verschlechtert sich der Zustand der Biodiversität zunehmend.
Über den Zustand der Biodiversität, Gründe des Artenschwundes und Ansätze für Lösungen, diese zu bewahren, spricht Judith Reise, Expertin für Biodiversität, im neuen Podcast „Wenden bitte!“ des Öko-Instituts.
Zum Podcast „Ist die Biodiversität noch zu retten?“ des Öko-Instituts [https://www.oeko.de/podcast/ist-die-biodiversitaet-noch-zu-retten]
Zahlreiche Abhängigkeiten im Ökosystem
Die Abhängigkeiten im Ökosystem sind zahlreich und mitunter auch unbekannt. „Wie wichtig der Beitrag einzelner Arten für das Ökosystem ist, zeigt sich am Beispiel der von vielen gehassten Mücke“, so Reise im Podcast, „denn ohne die Gallmücke hat es der Kakaobaum schwer. Mit ihrer geringen Größe ist sie fast die einzige Mückenart, welche die Schokoladenblüte bestäuben kann. Somit gäbe es ohne Mücke vielleicht keine Schokolade mehr.“
Die häufigsten Ursachen für den Rückgang der Biodiversität wie Landnutzungsänderungen, Verschmutzung oder Klimawandel sind menschengemacht. Hier unterscheidet die Wissenschaft direkte und indirekte Faktoren, die den Zustand der Biodiversität bedrohen.
Direkte Auswirkungen auf unsere Ökosysteme haben vor allem intensive Land-, Fisch- und Forstwirtschaft. Zum einen werden dort Stoffe wie Pestizide, Insektizide oder auch Dünger eingebracht. Daneben werden beispielsweise Wälder zugunsten von Ackerflächen gerodet und die Infrastruktur von Straßen und Siedlungen breitet sich zunehmend aus, wodurch Wälder und andere Ökosysteme verschwinden. Auch die Bejagung und Überfischung können teilweise zur Ausrottung von Tierarten führen.
Zudem belastet das Einbringen neuer, teilweise invasiver Arten bestehende Ökosysteme. Mit dem Klimawandel gehen höhere Temperaturen, steigende Wasserstände oder Wassermangel einher. Das führt dazu, dass bestimmte Arten ihren Lebensraum verlieren, ausweichen oder sich anpassen müssen oder ihre Lebensgrundlage sogar gänzlich verlieren.
Daneben gibt es indirekte Treiber wie Konsum, Politik und Wirtschaft. Wir haben in Deutschland zum Beispiel eine höhere Besteuerung von pflanzlichen im Vergleich zu tierischen Produkten. Bio-Produkte sind preisintensiv, Flugreisen in Anbetracht der verursachten Emissionen sehr günstig.
Ökosysteme aktiv schützen: Weniger ist mehr (Vielfalt)
Umso wichtiger sind geeignete Maßnahmen, um Biodiversität zu fördern und zu schützen. Landwirtschaft sollte so angepasst sein, dass sie Naturräume nicht über ihre ökologischen Grenzen hinaus beansprucht. So sollten etwa Fruchtfolgen entsprechend angepasst sein, der Fokus auf Bio-Landwirtschaft liegen, die Intensität der Tierhaltung überdacht und das Einbringen von Stoffen auf ein Minimum reduziert werden. Kleinräumige Strukturen wie Hecken sowie Blühstreifen, Brachen und Gewässer sind als Lebensräume schützens- und wünschenswert. Verbraucher*innen können in ihrer Ernährung verstärkt auf pflanzliche statt auf tierische Produkte setzen. Eine gute Orientierung beim Lebensmitteleinkauf bieten regionale Produkte und die Biosiegel-Kennzeichnung, da beim Bioanbau auf Pestizide verzichtet wird. In der Forstwirtschaft bedarf es eines aktiven Waldumbaus. Strukturen wie Baumhöhlen und Totholz sind empfehlenswert. Hier ist eine langfristig angelegte Planung im Waldmanagement notwendig, da Änderungen im Wald viel Zeit benötigen.
Politische Rahmenbedingungen für den Biodiversitätsschutz
„Wir brauchen aktiveren Arten-, Land- sowie Meeresschutz, der seitens der Politik gefördert werden und beteiligte Gruppen wie Landwirt*innen mitnehmen muss“, fordert Judith Reise, Senior Researcher im Bereich Energie & Klimaschutz am Öko-Institut. „Hier braucht es unter anderem mehr zielgerichtete Förderung und Personal, um entsprechende Maßnahmen auf- und umzusetzen.“
Ein konkretes Beispiel auf EU-Ebene ist das sogenannte Nature Restoration Law, welches diesen Sommer verabschiedet wurde. Damit verpflichten sich die Mitgliedstaaten bis 2030 zur Renaturierung von 20 Prozent der aktuell geschädigten Ökosysteme; bis 2050 sollen alle betroffenen Land- und Meeresökosysteme mit entsprechenden Maßnahmen versehen sein, die zu ihrer Erholung führen. Zu den Maßnahmen gehören unter anderem die Wiedervernässung von Mooren, das Wiederherstellen von Flussauen, der Umbau von monotonen und strukturarmen Wäldern hin zu vielfältigeren Mischwäldern.
Wissen statt Alltagsberatung
Der Podcast „Wenden bitte!“ des Öko-Instituts richtet sich an alle mit politischem und ökologischem Interesse aus Politik, Wissenschaft, Medien, NGOs und Öffentlichkeit. Den Podcast moderieren Mandy Schoßig, Leiterin Öffentlichkeit & Kommunikation, und Hannah Oldenburg, Referentin für digitale Kommunikation & Social Media am Öko-Institut. Rund eine Stunde lang sprechen sie mit einem Experten beziehungsweise einer Expertin aus dem Öko-Institut über anstehende Nachhaltigkeitstransformationen – genug Zeit für die „Langstrecke der Umweltpodcasts“. Die Spezial-Folgen greifen tagesaktuelle politische und gesellschaftliche Themen auf.
Alle Staffeln und Episoden des Podcasts auf www.oeko.de/podcast
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Ansprechpartnerin am Öko-Institut
Judith Reise
Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Institutsbereich
Energie & Klimaschutz
Öko-Institut e.V., Büro Berlin
Telefon: +49 30 405085-310
E-Mail: j.reise(at)oeko.de
Weitere Informationen:
https://www.oeko.de/podcast/ist-die-biodiversitaet-noch-zu-retten Podcast-Episode 6 „Ist die Biodiversität noch zu retten?“ mit Judith Reise