Triptane sind zur Therapie akuter Migräneattacken am effektivsten
Die aktuelle Metaanalyse eines internationalen Netzwerks, an dem auch die Universität Duisburg-Essen beteiligt ist, zeigt, dass Triptane am effektivsten gegen akute Migräneattacken wirken. Auch neuere Migränemedikamente waren nicht überlegen. Dennoch nehmen nur gut sieben Prozent der Betroffenen Triptane ein – trotz hoher Wirksamkeit, allgemein guter Verträglichkeit und relativ geringer Therapiekosten. Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie appelliert an Ärztinnen und Ärzte, Betroffene adäquat zu informieren und diese Substanzklasse breiter einzusetzen.
Die Migräne ist die mit Abstand häufigste neurologische Erkrankung. Nach Erhebungen des Robert Koch-Instituts leiden 14,8 % der Frauen und 6 % der Männer in Deutschland unter einer Migräne [1]. Bei Migräne kommt es zu Attacken von heftigen, meist halbseitigen, pulsierenden und pochenden Kopfschmerzen. Oft werden diese von Übelkeit, Erbrechen, Licht-, Lärm- und Geruchsüberempfindlichkeit und einem allgemeinen Krankheitsgefühl begleitet. Die Migräneattacken können zwischen vier und 72 Stunden anhalten. Viele Betroffene erleiden mehrmals im Monat Migräneattacken, die Erkrankung ist daher mit einem hohen Leidensdruck verbunden. Für die Lebensqualität ist es daher von hoher Wichtigkeit, dass die Attacken schnell und wirksam bekämpft werden können.
Es gibt eine Reihe von Medikamenten zur Behandlung von akuten Migräneattacken. Dazu gehören einfache, freiverkäufliche Schmerzmittel wie Acetylsalicylsäure oder Paracetamol oder nichtsteroidale Antirheumatika wie Ibuprofen, Diclofenac oder Naproxen. Es gibt aber auch spezielle Migränemittel, die gezielt zur Behandlung akuter Migräneattacken entwickelt wurden. Dazu gehören die sogenannten Triptane, eine Wirkstoffgruppe, von der sieben verschiedene Substanzen in Europa zur Behandlung akuter Migräneattacken zugelassen und verfügbar sind (Almotriptan, Eletriptan, Frovatriptan, Naratriptan, Rizatriptan, Sumatriptan und Zolmitriptan). In den letzten Jahren wurden zusätzlich neue Migränemittel entwickelt: Lasmiditan wirkt ebenfalls bei Migräneattacken und hat gegenüber Triptanen den Vorteil, dass es keine gefäßverengenden Nebenwirkungen hat. Neu entwickelt wurden auch die sogenannten Gepante (Rimegepant, Ubrogepant), die gezielt an einem Rezeptor (CGRP) andocken, der im Bereich des Gesichtsnervs (Nervus trigeminus) und im Gehirn bei der Entstehung von Migräneattacken eine wichtige Rolle spielt.
Es gibt eine Vielzahl von Studien, bei denen Schmerz- und Migränemittel mit Placebos (Scheinmedikamenten) oder anderen Schmerz- und Migränemitteln verglichen wurden. Eine Arbeitsgruppe von Wissenschaftlerinnen/Wissenschaftlern und Klinikerinnen/Klinikern der Universitäten in Oxford (UK), der Universität Kopenhagen (Dänemark), Harvard Medical School, Boston (USA) und der Universität Duisburg-Essen hat jetzt erstmalig einen großen Vergleich der Schmerz- und Migränemittel zur Behandlung akuter Migräneattacken durchgeführt. Die Studie [2] wurde aktuell in der renommierten Zeitschrift British Medical Journal (BMJ) publiziert.
Die Netzwerk-Metaanalyse hat die Ergebnisse von 137 randomisierten und kontrollierten Studien mit insgesamt 89.445 Patientinnen und Patienten ausgewertet, in denen 17 verschiedene Medikamente oder Placebos zur Therapie von akuten Migräneattacken eingesetzt wurden. Für die Wirksamkeit wurde herangezogen, wie viele Patientinnen und Patienten zwei Stunden nach Einnahme des entsprechenden Medikaments vollständig schmerzfrei waren. Ein weiteres Erfolgskriterium war der Prozentsatz derjenigen, bei denen sich die Kopfschmerzen in den zwei Stunden nach Einnahme deutlich besserten. Die Besserung war definiert als ein Rückgang von schweren oder mittelschweren Kopfschmerzen zu leichten oder keinen Kopfschmerzen. Daneben wurden auch unerwünschte Arzneimittelwirkungen erfasst.
Als Referenzsubstanz für diese große Metaanalyse diente Sumatriptan, das Triptan, das in der Gruppe der Triptane in Deutschland mit großem Abstand am häufigsten verschrieben wird. Für den Endpunkt „schmerzfrei nach zwei Stunden“ war das wirksamste Medikament Eletripan, gefolgt von Rizatriptan, Zolmitriptan und Sumatriptan. Die neueren Migränemittel Lasmiditan und Gepante waren diesbezüglich weniger wirksam als die Triptane. Ihre Wirksamkeit war vergleichbar mit Acetylsalicylsäure oder nichtsteroidalen Antirheumatika. Am wenigsten wirksam war Paracetamol. Im Hinblick auf den Endpunkt „Besserung der Kopfschmerzen nach zwei Stunden“ waren Triptane ebenfalls überlegen. Sie waren wirksamer als die neuen Migränemittel und die traditionellen Schmerzmittel.
Die herkömmlichen Schmerzmedikamente schnitten in dieser Erhebung bezüglich der Nebenwirkungen etwas besser ab. „Allerdings muss bei den Nebenwirkungen berücksichtigt werden, dass Symptome wie Übelkeit, Müdigkeit oder Benommenheit auch Beschwerden im Rahmen der eigentlichen Migräneattacke sein können, die manchmal nur dann von den Betroffenen wahrgenommen werden, wenn sich die Kopfschmerzen durch die Behandlung verbessert haben“, erklärt Migräne-Experte und Ko-Autor der Studie Prof. Dr. Hans Christoph Diener. „Einzige wirkliche Limitation stellt die gefäßverengende Eigenschaft von Triptanen dar. Die Verschreibung ist daher bei arteriellen Gefäßerkrankungen kontraindiziert.“
Was sind nun die praktischen Konsequenzen für die Behandlung von Migränepatientinnen und -patienten in Deutschland?
Die Daten einer repräsentativen bevölkerungsbezogenen Studie in Deutschland des Robert Koch-Instituts aus dem Jahr 2020 [1] zeigten, dass lediglich 7,3 % der Betroffenen bei Migräneattacken die wirksamsten Medikamente einnahmen, nämlich ein Triptan. Die meisten (46 %) behandeln ihre Migräneattacken mit Ibuprofen, 17 % mit Paracetamol und 10 % mit Acetylsalicylsäure. „Die Tatsache, dass Triptane so selten eingesetzt werden, kann auch nicht mehr darauf beruhen, dass sie teuer sind. In der Zwischenzeit sind alle Triptane nach Ablauf des Patentschutzes als Generika erhältlich, einige sogar ohne Rezept“, erklärt Prof. Diener.
„Die wichtigste Erkenntnis aus dieser Metaanalyse ist, dass wir in Deutschland deutlich mehr Migränepatientinnen und -patienten mit den sehr wirksamen und sicheren Triptanen behandeln sollten. Dies gilt insbesondere für die, bei denen Schmerzmittel wie Paracetamol oder nicht-steroidale Antirheumatika nicht oder nicht ausreichend wirksam sind. Eine Information, die für Betroffene, aber auch die Ärzteschaft relevant ist,“ erklärt DGN-Generalsekretär Prof. Dr. Peter Berlit.
[1] Porst M, Wengler A, Leddin J, Neuhauser H, Katsarava Z, von der Lippe E, et al. Migraine and tension-type headache in Germany. Prevalence and disease severity from the BURDEN 2020 Burden of Disease Study. Journal of Health Monitoring. 2020; 5(S6): 2–24.
[2] Karlsson WK, Ostinelli EG, Zhuang ZA et al. Comparative effects of drug interventions for the acute management of migraine episodes in adults: systematic review and network meta-analysis. BMJ 2024 Sep 18; 386: e080107. doi: 10.1136/bmj-2024-080107. PMID: 39293828.
https://www.bmj.com/content/bmj/386/bmj-2024-080107.full.pdf
Pressekontakt
Pressestelle der Deutschen Gesellschaft für Neurologie
Pressesprecher: Prof. Dr. med. Peter Berlit
Leiterin der DGN-Pressestelle: Dr. Bettina Albers
Tel.: +49(0)30 531 437 959
E-Mail: presse@dgn.org
Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V. (DGN)
sieht sich als wissenschaftliche Fachgesellschaft in der gesellschaftlichen Verantwortung, mit ihren mehr als 12.300 Mitgliedern die neurologische Krankenversorgung in Deutschland zu sichern und zu verbessern. Dafür fördert die DGN Wissenschaft und Forschung sowie Lehre, Fort- und Weiterbildung in der Neurologie. Sie beteiligt sich an der gesundheitspolitischen Diskussion. Die DGN wurde im Jahr 1907 in Dresden gegründet. Sitz der Geschäftsstelle ist Berlin. www.dgn.org
Präsident: Prof. Dr. med. Lars Timmermann
Stellvertretende Präsidentin: Prof. Dr. med. Daniela Berg
Past-Präsident: Prof. Dr. med. Christian Gerloff
Generalsekretär: Prof. Dr. med. Peter Berlit
Geschäftsführer: David Friedrich-Schmidt
Geschäftsstelle: Friedrichstraße 88, 10117 Berlin, Tel.: +49 (0)30 531437930, E-Mail: info@dgn.org
Originalpublikation:
doi: 10.1136/bmj-2024-080107