Paddel, Fischspeere und Steinbeile – Neue Erkenntnisse aus der Steinzeitsiedlung im Duvenseer Moor
Um Einblicke in die Lebensweise und Mobilität der Menschen zu gewinnen, die vor etwa 10.500 Jahren am Rand des Duvenseer Moors lebten, wurden die archäologischen Untersuchungen an der mittelsteinzeitlichen Fundstelle Lüchow LA 11 im Kreis Herzogtum Lauenburg, Schleswig-Holstein, erfolgreich fortgesetzt. Vom 29. Juli bis 20. September 2024 erforschte ein Team des Leibniz-Zentrums für Archäologie (LEIZA) erneut das Gelände, das seit dem Fund der ältesten Bestattung Norddeutschlands vor zwei Jahren zu einer der wichtigsten Forschungsregionen im nördlichen Europa zählt. Ein Highlight der diesjährigen Kampagne war der Fund eines Paddelbruchstücks, das auf frühe Mobilität auf Gewässern hinweist.
Lüchow LA 11 war einst eine Siedlung am Ufer eines Sees im Duvenseer Moor, wo sich Gruppen von Jägern, Fischern und Sammlern nach der letzten Eiszeit niederließen. „Vor 10.500 Jahren veränderte sich die Landschaft hier dramatisch“, erklärt Dr. Harald Lübke, Projekt- und Grabungsleiter am LEIZA. „Zunächst breiteten sich Birken- und Kiefernwälder aus, die später von Haselnussbüschen verdrängt wurden. Die Jäger und Sammler lebten in dieser Zeit von der Jagd auf Rothirsche, Rehe und Wildschweine, vom Fischfang und dem Sammeln von Haselnüssen. Diese Lebensweise belegen zahlreiche Funde, darunter Tierknochen und Haselnüsse, die während der Ausgrabungen gefunden wurden.“
Die Forschenden entdeckten zudem zahlreiche Werkzeuge wie Knochenspitzen und Flintabschläge, die das handwerkliche Können der damaligen Menschen dokumentieren. Besonders herausragend ist der Fund eines Paddelbruchstücks, das auf eine frühe Mobilität hinweist. „Nach dem berühmten Fund des Paddels von Duvensee im Jahr 1925 ist dies das zweite Fundstück dieser Art. Diese Paddel sind wichtige Belege für frühe Mobilität auf dem Wasser. Einen vergleichbaren Fund gibt es nur noch an der Fundstelle Star Carr im Norden Englands, dessen Paddel etwas älter ist“, erklärt Dr. Lübke.
Brandbestattung von internationaler Bedeutung
Von großer Bedeutung bleibt auch die 2022 entdeckte Brandbestattung, die älteste ihrer Art in Norddeutschland. Sie bietet einzigartige Einblicke in die Totenrituale der Mittelsteinzeit. Nur an zwei weiteren Orten in Nordeuropa gibt es Bestattungen aus dieser Zeit, jedoch sind dort nur die Gruben mit den verbrannten Knochen erhalten. „In Lüchow ist dagegen auch die Oberfläche und das Grabumfeld außergewöhnlich gut erhalten, was uns tiefere Erkenntnisse über die Rituale und die Lebenswelt der damaligen Menschen ermöglicht“, erläutert Lübke. Auch in diesem Jahr legte das Team weitere Teile der Grabstätte frei.
Zukünftige Forschungen sollen weitere Erkenntnisse zur Mobilität der Menschen liefern
Die diesjährigen Ausgrabungen fanden als Lehrgrabungen mit Studentinnen und Studenten der Freien Universität Berlin und der Universität Rostock statt. In enger Zusammenarbeit mit dem Archäologischen Landesamt Schleswig-Holstein und dem Museum für Archäologie Schloss Gottorf tragen die Arbeiten nicht nur zu einem besseren Verständnis der Lebensweise der frühen Jäger und Sammler bei, sondern versprechen auch weitere spannende Entdeckungen.
„Vielleicht finden wir eines Tages Reste eines Bootes“, hofft Dr. Lübke. „Die Frage, ob die Menschen damals einfache Einbäume oder sogar mit Birkenrinde oder Tierfellen bespannte Spantenboote nutzten, ist in der Archäologie nämlich seit langem offen. Das Duvenseer Moor könnte uns hier wichtige Antworten liefern.“
Ein entscheidender Faktor für den Erfolg der langjährigen Grabungen im Duvenseer Moor ist die enge Unterstützung der lokalen Bevölkerung durch den Verein „Duvenseer Moor“. Besonders hervorzuheben ist auch die Familie von Landwirt Paul Petersen, Lüchow, auf deren Grund und Boden bereits seit Jahren archäologische Untersuchungen stattfinden.
Die erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Institutionen wird auch in den kommenden Jahren fortgeführt. Unter der Leitung des Archäologischen Landesamtes Schleswig-Holstein und in enger Kooperation mit dem LEIZA bleibt das Duvenseer Moor ein zentraler Ort für die Erforschung der frühen Menschheitsgeschichte.
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Leibniz-Zentrum für Archäologie (LEIZA)
Das LEIZA erforscht als Leibniz-Forschungsinstitut und -museum für Archäologie den Menschen und seine Entwicklung auf Basis materieller Hinterlassenschaften aus drei Millionen Jahren zeit- und raumübergreifend. Die daraus gewonnenen grundlegenden Erkenntnisse verhelfen zum besseren Verständnis menschlichen Verhaltens und Handelns und der Entwicklung von Gesellschaften. Damit bereichert das LEIZA das Wissen zum Menschen um die archäologische Perspektive und schafft wesentliche Grundlagen für die Reflexion der Gegenwart und die Gestaltung der Zukunft. Mit der Archäologie versteht das LEIZA den Menschen in den Zusammenhängen und teilt die gewonnenen Erkenntnisse im internationalen Dialog. Das LEIZA ist weltweit tätig und betreibt bislang erfolgreich und umfassend Forschungen in verschiedenen Regionen Afrikas, Asiens und Europas. Die einzigartige Konzentration archäologischer, naturwissenschaftlicher, restauratorischer und informationstechnologischer Kompetenzen verbunden mit bedeutenden Werkstätten, Laboren und Archiven erlaubt es dabei, objektorientierte Forschung zur Archäologie der Alten Welt (Asien, Afrika, Europa) von den Anfängen der Menschheitsgeschichte bis in die Neuzeit zu betreiben. Als eines von acht Forschungsmuseen der Leibniz-Gemeinschaft verbindet das LEIZA exzellente Wissenschaft mit Ausstellungen und ist mit seinem Bildungsauftrag gleichzeitig ein Ort des Dialoges mit der Öffentlichkeit.
Bis zur Umbenennung zum 1. Januar 2023 international war das LEIZA bekannt als Römisch-Germanisches Zentralmuseum (RGZM) und wurde im Jahr 1852 auf Beschluss der deutschen Geschichts- und Altertumsvereine in Mainz gegründet. Seit 2024 ist das LEIZA an insgesamt vier Standorten in Deutschland vertreten: Mainz, Neuwied, Mayen und Schleswig.
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