Der 3D-Sensor, der den Crashtest überlebt: Neue Messtechnik ermöglicht Hochgeschwindigkeits-3D-Aufnahmen bei Crashtests
Am Fraunhofer-Institut für Angewandte Optik und Feinmechanik IOF werden seit vielen Jahren Systeme für die Hochgeschwindigkeitserfassung von 3D-Daten entwickelt. Mit goCRASH3D präsentiert das Jenaer Team jetzt ein neues System, das 3D-Daten bei Crashtests im Inneren des Versuchsfahrzeugs aufnimmt. Es zeigt die Verformung und Bewegung von Fahrzeugkomponenten während eines Aufpralls, wie es bisher nicht oder nur eingeschränkt möglich war. goCRASH3D wird auf den Messen VISION und IZB ausgestellt.
Schon seit mehr als zehn Jahren wird am Jenaer Fraunhofer IOF an der Erfassung von 3D-Daten mit Hochgeschwindigkeitskameras gearbeitet. Im Wesentlichen besteht so ein System aus zwei Kameras, einer Beleuchtung und einem Computer. »Der Knackpunkt dabei ist eigentlich nicht die Kamera, sondern die Beleuchtung«, erklärt Projektleiter Kevin Srokos. Dafür haben die Forschenden in Jena schon vor Jahren die GOBO-Technologie aus der Bühnentechnik für ihre Zwecke weiterentwickelt.
Bei der GOBO-Technik rotiert eine Scheibe mit einem unregelmäßigen Streifenmuster vor einer starken Lichtquelle. Das gibt ein nichtperiodisches Sinusmuster auf dem zu messenden Objekt. Damit lassen sich Punkte in den Bildern der Kameras, die unter verschiedenen Winkeln auf das Objekt schauen, eindeutig zuordnen. Aus der Position der Kameras und dem Versatz der Bildpunkte werden die 3D-Koordinaten für die Punkte der Aufnahmen berechnet.
Anwendung im Automobilbereich
Schon sehr früh haben die Jenaer ihr System in der Automobilindustrie getestet. »Damals konnte man mit dem System das Entfalten eines Airbags zeitaufgelöst verfolgen«, berichtet Srokos. »Bereits 2017 gab es aber auch die Idee, das System in das Innere des Fahrzeuges zu verlagern.« In einem gemeinsamen Projekt mit einem großen deutschen Automobilhersteller haben die Jenaer dafür einen Demonstrator aufgebaut, der seit 2023 für Tests beim Projektpartner eingesetzt wird.
Mit goCRASH3D lassen sich Vorgänge zum Beispiel im Fußraum beobachten, die vorher nicht oder nur sehr eingeschränkt zugänglich waren. Auch Bereiche, die der sich entfaltende Airbag verdeckt, können so verfolgt werden.
Die Technik im Detail
Beim Einsatz von goCRASH3D im Fahrzeug spielt die Beleuchtung einmal mehr die Hauptrolle: »Je kürzer die Belichtungszeit, desto stärker muss die Beleuchtung sein«, so Srokos. Im konkreten Fall wird eine Einzel-LED mit 15.000 Lux Leuchtstärke benutzt. Die beiden Kameras liefern jeweils 12.000 Bilder pro Sekunde mit 512 x 512 Pixeln. Daraus berechnet der Computer etwa 1.200 3D-Bilder pro Sekunde. Das Bildfeld in den Versuchen war 70 x 70 cm² in einem Meter Abstand. Diese Parameter können an die Versuche angepasst werden.
Das System mit zwei Kameras und der Beleuchtungseinheit ist in einem Rahmen montiert, in dem die Komponenten über Elastomerpuffer gegen die Beschleunigung geschützt sind. Dadurch kann das System Beschleunigungen bis zu 200g und Schocks bis 60g regelmäßig standhalten. Der Rahmen wird dafür im Fahrzeug fest montiert.
Hochgeschwindigkeitsaufnahmen heute und morgen
Aktuell wird das goCRASH3D-System beim Projektpartner genutzt und am Fraunhofer IOF weiterentwickelt. Am Institut in Jena wurden die Hochgeschwindigkeitsaufnahmen auch schon mit weiteren Kameras gekoppelt, so dass die 3D-Bilder mit zusätzlichen spektralen Informationen verbunden werden konnten.
Das goCRASH3D-System wurde für und mit der Automobilbranche entwickelt. »Wir können uns aber auch andere Anwendungen im Sicherheitsbereich oder auch in der Sportmedizin vorstellen«, erläutert Kevin Srokos. Mittelfristig passt die Technik für 3D-Hochgeschwindigkeitsaufnahmen hervorragend zu den wachsenden Sicherheitsansprüchen im Automobilbereich.
Präsentation auf der IZB und der VISION 2024
Das Team vom Fraunhofer IOF präsentiert das goCRASH3D-System vom 8. bis 10 Oktober auf der VISION in Stuttgart (Stand Nr. 10G92) und auf der IZB in Wolfsburg vom 22. bis 24. Oktober (Halle 2, Stand 2201).
Über das Fraunhofer IOF
Das Fraunhofer-Institut für Angewandte Optik und Feinmechanik IOF in Jena betreibt anwendungsorientierte Forschung auf dem Gebiet der Photonik und entwickelt innovative optische Systeme zur Kontrolle von Licht – von der Erzeugung und Manipulation bis hin zu dessen Anwendung. Das Leistungsangebot des Instituts umfasst die gesamte photonische Prozesskette vom opto-mechanischen und opto-elektronischen Systemdesign bis zur Herstellung von kundenspezifischen Lösungen und Prototypen. Am Fraunhofer IOF erarbeiten rund 500 Mitarbeitende das jährliche Forschungsvolumen von 40 Millionen Euro.
Weitere Informationen über das Fraunhofer IOF finden Sie unter: www.iof.fraunhofer.de
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Dr. Stefan Heist
Fraunhofer IOF
Abteilung Bildgebung und Sensorik | Gruppenleiter 3D-Messsysteme
Telefon: +49 (0) 3641 807 - 214
Mail: stefan.heist@iof.fraunhofer.de
Weitere Informationen:
https://www.iof.fraunhofer.de/de/presse-medien/pressemitteilungen/2024/goCRASH3D-2024.html