BIM als digitales Werkzeug in Handwerksbetrieben
Preiswürdiges Konzept: Bauingenieur-Studentin und Maler-Gesellin Jacqueline Kuhn mit BIM-Award 2024 ausgezeichnet
Auch im Handwerk ist das Werkzeug der Zukunft ein digitales: Building Information Modeling (BIM), zu Deutsch Bauwerksdatenmodellierung, ist eine Methode zur Digitalisierung von Bau- und Planungsprozessen. Jacqueline Kuhn, Bauingenieur-Studentin der Frankfurt University of Applied Sciences (Frankfurt UAS), hat im Rahmen ihrer Bachelor-Thesis ein Konzept zur Implementierung von BIM in Handwerksbetrieben entwickelt und dafür jetzt den BIM-Award 2024 in der Kategorie Forschung & Lehre erhalten.
Die 26-Jährige aus Karben erhielt die Auszeichnung im Rahmen des BIM-Symposiums 2024. Damit geht der Award zum vierten Mal an Studierende der Frankfurt UAS, die sich gegen Bewerber*innen anderer Hochschulen und renommierter Universitäten durchsetzen konnten.
Modernes BIM-Labor für praxisnahe Lehre
„Der Fachbereich ist sehr stolz darauf, in diesem zukunftsträchtigen Gebiet ein so großes Standing zu haben. Wir investieren auch an der Stelle in eine gute Infrastruktur, die Lehre und Forschung unterstützt. Die mehrfache Anerkennung durch den Award ehrt uns als Forschungs- und Bildungseinrichtung, aber vor allem freut es mich persönlich für die erfolgreichen Studierenden“, sagt Prof. Jean Heemskerk, Dekan des Fachbereichs Architektur, Bauingenieurwesen, Geomatik der Frankfurt UAS. Die Frankfurt UAS verfügt über ein BIM-Labor, in dem Hochleistungsrechner und die neuesten Brillen für Virtual und Augmented Reality zur Verfügung stehen. Dieses wird für die praxisnahe Lehre im Bereich des Digitalen Planens genutzt.
Befragung von 539 Malerbetrieben
Jacqueline Kuhn studiert den Studiengang in der dualen Variante und hat neben dem Bachelor-Abschluss auch den Gesellenbrief als Malerin/Lackiererin erworben. Für ihre Bachelor-Thesis „Building Information Modeling (BIM): Konzeptentwicklung zur Implementierung von BIM in Handwerksbetrieben“ hat Kuhn 539 Malerbetriebe zum aktuellen Status der Digitalisierung, im Speziellen zur Anwendung der BIM-Methode bei Projekten befragt. „Nach aktuellem Stand wird BIM vor allem in der Planung verwendet. Die ausführenden Gewerke ohne planerische Leistungen werden in der Regel jedoch nicht mit in die BIM-Methode integriert. Ziel meiner Arbeit war es, ein Konzept zur Implementierung von BIM in ebendiesen Betrieben zu entwickeln“, so Kuhn. „Ich habe untersucht, in welchen Teilen der Ausführung die BIM-Methode sinnvoll angewendet werden kann und anhand der Erkenntnisse aus der Umfrage einen Stufenplan zur Implementierung mit Zeitplan und Personenkreis entwickelt.“
Im Malerhandwerk findet BIM bislang nur selten Anwendung, 91,5 Prozent der Befragten hatten zum Zeitpunkt der Umfrage noch keinerlei Berührungspunkte mit BIM und standen der Methode skeptisch gegenüber. „Viele der befragten Betriebe befürchten, dass sich durch BIM vieles verkompliziert und die Bürokratie weiter zunehmen könnte“, so Kuhn. „Positiv anzumerken ist, dass sich trotzdem fast zwei Drittel vorstellen können, bei entsprechender Auftragslage in Zukunft BIM anzuwenden, auch wenn es bis zur erfolgreichen flächendeckenden Implementierung von BIM in allen Bauwerkslebenszyklusphasen noch ein weiter Weg ist.“
Essenziell für Handwerksbetriebe ist laut Kuhn die Schaffung von Akzeptanz unter den Mitarbeiter*innen. „Nur wenn sie von der BIM-Methode überzeugt sind, kann diese erfolgreich implementiert werden“, lautet ihr Fazit. Dazu bedürfe es u.a. adäquater Informationsquellen etwa in Fachzeitschriften, spezieller Angebote zur Weiterbildung seitens der Kammern und Innungen, der Anschaffung mobiler Endgeräte wie Smartphones und Tablets, damit die Mitarbeiter*innen auf der Baustelle auf alle relevanten digitalen Projektdaten zugreifen können und – nicht zuletzt – einer Software, die auch für Nicht-Technikaffine intuitiv gestaltet ist und an die jeweilige Betriebsstruktur angepasst werden kann.
Gelinge die Implementierung, habe ein Handwerksbetrieb mit BIM-Verständnis durchaus einen Wettbewerbsvorteil, so Kuhn. „Insbesondere in öffentlichen Bauvorhaben wird BIM in den nächsten Jahren vermehrt anzutreffen sein. Daher sollten sich auch Handwerksbetriebe in Zukunft damit vertraut machen.“
Thesis von hohem Nutzen für Handwerksbetriebe
„Bei der Thesis handelt es sich um eine sehr fundierte Arbeit mit aufschlussreichen Ergebnissen, die für Malerbetriebe im speziellen, aber auch für kleinere und mittlere Handwerksbetriebe von hohem Nutzen sein können“, lobt Kuhns Betreuer Prof. Dr.-Ing. Andreas Menner, Professor für Baubetrieb und Baubetriebswirtschaft. Er hat gemeinsam mit Prof. Dipl.-Ing. Gerd Langhammer im Rahmen des Ingenieurprojekts BIM 5D auch jene Studierenden der Frankfurt UAS betreut, die zuvor mit den BIM-Awards ausgezeichnet wurden.
Deutsche Meisterin im Malerhandwerk
Menner hebt neben den sehr guten studentischen auch die besonderen praktischen Leistungen seiner Studentin hervor. Der BIM-Award ist nicht Jacqueline Kuhns einzige Auszeichnung: Sie hat ihre praktische Ausbildung als Innungsbeste in Hessen und auf Bundebene abgeschlossen und war 2019 deutsche Meisterin im Malerhandwerk. Sie wurde daraufhin in das Maler-Nationalteam aufgenommen. Im Rahmen der Europameisterschaften der Berufe, den EuroSkills, konnte sich Kuhn 2021 mit den besten Maler*innen anderer europäischer Länder messen.
Ihr umfangreiches akademisches und praktisches Know-how setzt sie weiterhin in ihrem Ausbildungsbetrieb, den Malerwerkstätten Mensinger GmbH in Frankfurt, ein, wo sie inzwischen in der Projektleitung arbeitet.
Zur Building Information Modeling (BIM)-Methode
Building Information Modeling ist als kooperative Arbeitsmethode eine fortschrittliche Herangehensweise in der Bauplanung. Anstatt auf herkömmlichen Zeichnungen zu basieren, nutzt BIM eine digitale Plattform, um Gebäude und Konstruktionen detailliert zu visualisieren. Im digitalen Modell werden nicht nur die äußeren Dimensionen erfasst, sondern auch zusätzliche Informationen integriert. Dazu gehören Aspekte wie die genaue Positionierung von Elektroleitungen, Wasserrohren, Heizungsanlagen und anderen technischen Elementen. Die große Stärke von BIM liegt in der Möglichkeit, das gesamte Projekt vorab am Computer zu simulieren. Dies ermöglicht es Planer*innen, frühzeitig eventuelle Probleme oder Schwierigkeiten zu erkennen und anzugehen, bevor die eigentliche Bauarbeit beginnt. Des Weiteren können alle relevanten Informationen und Pläne über eine zentrale Kollaborationsplattform von den beteiligten Unternehmen abgerufen werden. In der Nutzungsphase eines Bauwerkes können die Modelle zur effizienteren Informationsbeschaffung herangezogen werden.
Die Methode hilft somit, Fehler zu minimieren, die Effizienz zu steigern und die Gesamtkosten eines Bauprojekts zu optimieren.
Zum BIM-Award
Der „BIM Award“ des BIM Cluster Hessen e. V. prämiert seit 2018 Projekte, die den Mehrwert und das Potenzial der BIM Methode im digital basierten Kooperieren und Handeln aufzeigen – ob in Unternehmenskooperationen oder wissenschaftlichen Netzwerken. 2022 wurde erstmals der BIM-Award von den drei Clustern Hessen, Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen ausgeschrieben. Die Auszeichnung steht unter der Schirmherrschaft von Dr. Volker Wissing, Bundesminister für Digitales und Verkehr.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Frankfurt University of Applied Sciences, Fachbereich 1: Architektur • Bauingenieurwesen • Geomatik, BIM-Labor, Prof. Dr.-Ing. Andreas Menner, Telefon: +49 69 1533-3824, E-Mail: andreas.menner@fb1.fra-uas.de || Prof. Dr.-Ing. Erik Boska, Professor für Baubetrieb und Building Information Modeling (BIM), Telefon: +49 69 1533-2387, E-Mail: erik.boska@fb1.fra-uas.de
Weitere Informationen:
https://www.frankfurt-university.de/bauingenieurwesen-dual
https://bim-cluster-hessen.com/