Depressionen: Bonner und Mainzer Forschende untersuchen körperliche Ursachen mit Förderung der VolkswagenStiftung
Depressionen gehören zu den häufigsten psychischen Erkrankungen in Deutschland. Wie sie entstehen, ist wissenschaftlich nicht ausreichend geklärt. Ein Forschungsteam bestehend aus Forschenden des Universitätsklinikums Bonn (UKB), der Universität Bonn und des Leibniz-Instituts für Resilienzforschung (LIR) Mainz untersucht deshalb in einem hochinnovativen Projekt die körperlichen Wurzeln von Depression. Unterstützt wird dieses Projekt im Rahmen der Initiative „Pioniervorhaben – Explorationen des unbekannten Unbekannten“ der VolkswagenStiftung mit rund 510.000 Euro.
Unter der Leitung von Dr. Nils Gassen, von der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie (Leitung: Prof. Alexandra Philipsen) des UKB, der ebenfalls an der Universität Bonn forscht, und Prof. Marianne Müller, vom Leibniz-Instituts für Resilienzforschung (LIR) Mainz, verfolgen die Forschenden die Hypothese, dass Depressionen nicht nur im Gehirn, sondern auch durch spezifische Veränderungen im Körper entstehen. Dabei gehen sie von einer wechselseitigen Beeinflussung zwischen mentalen und körperlichen Zuständen aus. „Chronischer Stress und systemische Reaktionen wie Entzündungen können das Gehirn beeinflussen und depressive Symptome verstärken. Gleichzeitig können Depressionen auch körperliche Beschwerden wie metabolische Beschwerden hervorrufen“, erklärt Dr. Gassen.
Bei Depressionen zeigen sich oft Veränderungen im peripheren Metabolom und Proteom des Plasmas, die Hinweise auf das komplexe Zusammenspiel von Stoffwechsel- und Proteinprozessen liefern können. Im Metabolom des Plasmas, dem gesamten Spektrum kleiner zirkulierender Moleküle, finden sich bei Stress oft Abweichungen bei Neurotransmittern, Aminosäuren, Stresshormonen, Energie-Metaboliten und Lipiden. Im Proteom des Plasmas, dem Spektrum zirkulierender Proteine, treten häufig erhöhte Spiegel von entzündungsfördernden Zytokinen und neurotrophen Faktoren auf. Auch Proteine, die mit der Stressantwort in Verbindung stehen, wie Heat Shock Proteins (HSPs), und Enzyme, die den Energiestoffwechsel regulieren, zeigen Veränderungen. Diese Veränderungen zeigen die komplexen biochemischen Netzwerke auf, die an der Entstehung von Depressionen beteiligt sein könnten. Ein besseres Verständnis dieser Prozesse könnte helfen, neue Diagnosemethoden und therapeutische Ansätze zu entwickeln.
Ein zentraler Bestandteil dabei ist die Untersuchung von Plasma als Transfermittel. Plasma enthält zahlreiche biologisch aktive Moleküle wie Proteine, Hormone und Wachstumsfaktoren, die verschiedene biologische Prozesse beeinflussen können. „Blutplasma kann leicht gewonnen und transfundiert werden, was es zu einem vielversprechenden Mittel für potenzielle klinische Anwendungen macht“, erklärt Prof. Müller. „Da Plasma bereits in verschiedenen medizinischen Kontexten verwendet wird, existieren etablierte Protokolle und Sicherheitsmaßnahmen, die die Implementierung neuer Therapien erleichtern.“
Das Forschungsteam hofft, durch die Studie neue Behandlungskonzepte zu entwickeln, die auf den Erkenntnissen über periphere biochemische und zelluläre Prozesse basieren. „Wir möchten innovative Therapieansätze durch Plasmatransfer entwickeln und neue Ansatzpunkte für therapeutische Interventionen identifizieren. Diese könnten zu spezifischeren, zielgerichteten Therapien führen und eine individuellere Behandlung von Depressionen ermöglichen“, so Dr. Gassen weiter.
Das Projekt, das mit rund 510.000 Euro von der VolkswagenStiftung gefördert wird, beginnt im Winter 2024. Erste Ergebnisse werden nach etwa einem Jahr erwartet. Mit der Förderlinie „Pioniervorhaben – Explorationen des unbekannten Unbekannten“ unterstützt die VW-Stiftung riskante und besonders innovative Forschungsideen mit hoher wissenschaftlicher Relevanz. In einem zweistufigen Auswahlverfahren konkurrieren hier Vorhaben aus dem Bereich der Grundlagenforschung, die sich ausdrücklich nicht dem bereits 'bekannten Unbekannten' widmen, sondern das 'unbekannte Unbekannte' explorieren sollen und das Potenzial zu großen wissenschaftlichen Durchbrüchen aufweisen.
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