Mit der Perspektive der Physik zur Medizin von Morgen: Max-Planck-Zentrum für Physik und Medizin feierlich eröffnet
Mit dem Festakt am 20. September 2024 fanden die dreitägigen Feierlichkeiten zur Eröffnung des neuen Max-Planck-Zentrums für Physik und Medizin, Erlangen unter den Augen von circa 120 geladenen Gästen ihren finalen Höhepunkt. Grußworte von Politikern sowie eine Schlüsselübergabe markierten die offizielle Übergabe des interdisziplinären Forschungszentrums an die Wissenschaftler*innen. Unter den Festredner*innen waren auch zwei Nobelpreisträger. Dem Festakt war ein zweitägiges wissenschaftliches Symposium vorangegangen, bei dem sich international renommierte Referent*innen über die neuesten Entwicklungen in der Spitzenforschung an der Schnittstelle von Physik und Medizin austauschten.
Mit Gründung des Max-Planck-Zentrums für Physik und Medizin (MPZPM) läuten die beteiligten Institute – das Max-Planck-Institut für die Physik des Lichts (MPL), die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) und das Universitätsklinikum Erlangen (UKER) – eine neue Ära der Forschungskultur ein. Die bisherigen Grenzen der Fachbereiche Physik und Medizin sollen weiter aufgebrochen werden und die Physik eine integrale Rolle zum Verständnis des Lebens in der kollaborativen Grundlagenforschung spielen.
So macht Prof. Jochen Guck, Sprecher des MPZPM und Direktor am MPL, in seiner Begrüßung deutlich, dass das Ziel der im MPZPM beheimateten Wissenschaftler*innen ist, Pionierforschung zu betreiben. Angetrieben durch die interdisziplinäre Physik, wollen sie neue Impulse für die Medizin geben. „Unser Schwerpunkt liegt nicht auf den molekularen Aspekten der Biologie und Medizin, wie dies derzeit an vielen anderen Orten der Fall ist. Unser Schwerpunkt liegt auch nicht auf der Medizinphysik – der Bereitstellung von immer ausgeklügelteren Instrumenten wie MRT oder PET zur Untersuchung von Krankheiten im Inneren von Patienten. Unser ausdrücklicher Schwerpunkt liegt auf der grundlegenden Rolle, die die physikalischen Eigenschaften von Zellen und Geweben und ihre physikalischen Wechselwirkungen bei den Prozessen von Leben und Krankheit spielen.“
Gemäß dem Grundsatz der Max-Planck-Gesellschaft (MPG) – dem Anwenden muss das Erkennen vorausgehen – hebt der Bayerische Ministerpräsident Dr. Markus Söder die Bedeutung der Grundlagenforschung für die Entwicklung des Freistaats Bayern hervor. „Auf rund 6.000 qm mit Platz für 180 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wird hier künftig Spitzenforschung betrieben. Ziel ist es unter anderem, Tumorerkrankungen wissenschaftlich zu erforschen und die Diagnostik und Therapie von Krankheiten zu verbessern. Als Freistaat sind wir davon überzeugt, dass diese Forschung dabei hilft, Mittel gegen Krebs oder andere schwere Krankheiten zu entwickeln. Daher haben wir dieses Leuchtturm-Projekt der Wissenschaft mit 60 Millionen Euro unterstützt. Denn Forschung und Innovation ist der Zukunftsschlüssel und ist auch Basis für eine erfolgreiche Wirtschaft.“
Das MPZPM liefert die besten Voraussetzungen für Grundlagenforschung auf internationalem Spitzenniveau. Der Standort des neuen Forschungszentrums ist sorgfältig gewählt und von großer Bedeutung. Das Gebäude wurde mitten auf dem Campus des UKER errichtet, in nächster Nachbarschaft zu dessen vier Translationalen Forschungszentren (TRZ). Der tägliche unmittelbare Austausch von Wissenschaftler*innen und Kliniker*innen sowie der direkte Zugang zu Patientenproben mit Anbindung an aktuelle klinische Fragestellungen sind weltweit einzigartig.
Hubert Aiwanger, Bayerischer Staatsminister für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie, unterstreicht: „Hier trifft wissenschaftliche Grundlagenforschung auf medizinische Praxis. Diese enge Verzahnung bedeutet gerade für die betroffenen Patienten einen unschätzbaren Vorteil. Ich freue mich sehr, dass wir mit unserer Unterstützung die Diagnostik und Therapie bei Tumorerkrankungen und Entzündungen verbessern können. Mein Dank gilt allen Forschern und Ärzten, die sich im neuen Max-Planck-Zentrum täglich für die Gesundheit ihrer Mitmenschen einsetzen." Er betont, dass Gesundheit das höchste Gut sei und er deshalb die 60 Millionen Euro starke Förderung des Bayerischen Wirtschaftsministeriums im neuen MPZPM bestens angelegt sehe.
Wissenschaftsminister Markus Blume: „Mit der Max-Planck-Gesellschaft, der FAU Erlangen-Nürnberg und dem Universitätsklinikum Erlangen kommen hier herausragende Wissenschafts-Schwergewichte zusammen. Drei Partner, zwei Disziplinen, ein Ziel: medizinische Spitzenforschung zum Wohl der Menschen. Mit rund 60 Millionen Euro vom Freistaat geht mit dem MPZPM ein einzigartiger Forschungscampus an der Schnittstelle von Physik und Medizin an den Start. Das ermöglicht völlig neue diagnostische und therapeutische Verfahren bei Krebs und anderen schweren Krankheiten.“ Er ergänzt: „Und weil es hier schon so gut läuft, würde ich mir ein zweites Max-Planck-Institut in Erlangen wünschen!“
Das Festprogramm
Der Festakt wird durch Prof. Jochen Guck eröffnet. Nach der Begrüßung zahlreicher prominenter Persönlichkeiten aus Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Kultur dankt er dem Ideengeber des MPZPM, Prof. Vahid Sandoghdar, für seine Vision, Führungsstärke, Initiative und Beharrlichkeit: „Ohne Sie wäre keiner von uns heute hier.“
Der erste Höhepunkt des Tages ist der Festvortrag des Nobelpreisträgers Prof. Randy Schekman, Berkeley, Kalifornien.
Im wissenschaftlichen Vormittagsprogramm stellen die fünf Leiter der permanenten Forschungsgruppen des MPZPM ihre Forschungsarbeit und ihre Visionen vor. Vier von ihnen sind Humboldt-Professoren.
In der anschließenden Podiumsdiskussion beleuchten externe Experten die Frage, ob die Physik konzeptionelle Ansätze für eine fortschrittliche Medizin beitragen kann. Sie diskutieren unter der Moderation von Prof. Kristian Franze, Direktor des Instituts für Medizinische Physik und Mikrogewebetechnik der Medizinische Fakultät der FAU, die Fragestellung, ob die Medizin die Physik braucht und unterziehen das Konzept des MPZPM einer Realitätsprüfung.
Der Expertenrunde wohnen bei: Prof. Anja Boßerhoff, Lehrstuhl für Biochemie und Molekulare Medizin an der medizinischen Fakultät der FAU und Mitglied der Wissenschaftlichen Kommission; Prof. Karin Jacobs, Lehrstuhl für Physik der weichen Materie an der Universität des Saarlandes und Vizepräsidentin der Deutschen Forschungsgemeinschaft; Prof. Joachim Hornegger, Präsident der FAU; Prof. Markus F. Neurath, Dekan der Medizinischen Fakultät der FAU; und Prof. Randy Schekman, University of California, Berkeley, Nobelpreisträger 2012 für Physiologie oder Medizin. Anja Boßerhoff meint dazu: „Wir brauchen alle Schnittstellen, die wir bekommen können, um die grundlegenden Fragen beantworten zu können. Wir benötigen mehr interdisziplinäre Forschung.” Karin Jacobs ergänzt: „Immer, wenn man Disziplinen überschreitet, können völlig neue Dinge geschehen.” „Personalisierte Medizin ist eine Kernfrage in der Klinik, da sich Krankheiten bei den Patienten unterschiedlich verhalten. Wir müssen somit in die Gewebe hineinsehen. Das ist der nächste Schritt nach vorne und hierbei wird uns das Zentrum helfen“, ist Markus Neurath überzeugt.
„In den letzten 100 Jahren hat sich die Wissenschaft in immer spezialisiertere Disziplinen aufgespalten. Nun wollen wir am MPZPM die Physik wieder enger mit der medizinischen Forschung verknüpfen – ein Vorhaben, das durchaus avantgardistisch anmutet!" Mit diesen Worten startet Prof. Vahid Sandoghdar, Geschäftsführender Direktor am MPL, in das Nachmittagsprogramm. Es folgen ein eigens für diesen Anlass komponiertes Musikstück von Žibuoklė Martinaitytė, dargeboten durch die Cellisten Oliver Herbert und LiLa der Kronberg Academy und Grußworte von Vertreter*innen aus der Politik, der Max-Planck-Gesellschaft und des Universitätsklinikums Erlangen: Dr. Markus Söder, Hubert Aiwanger, Markus Blume, Prof. Joachim Hornegger, Dr. Florian Janik (Oberbürgermeister der Stadt Erlangen), Prof. Claudia Felser (Vizepräsidentin der MPG) und Prof. Heinrich Iro (Ärztlicher Direktor des Universitätsklinikums Erlangen).
Mittels Videobotschaft mahnt der Präsident der MPG, Prof. Patrick Cramer, an die schwere Schuld während der NS-Zeit, die die Wissenschaft an diesem Ort, an dem das MPZPM steht, auf sich geladen hatte. Er dankt der FAU, dass die Verbrechen von damals in einem Forschungsprojekt umfassend aufgearbeitet werden.
Mit dem Festvortrag des zweiten Nobelpreisträgers, Prof. Stefan Hell, Max-Planck-Institut für Multidisziplinäre Naturwissenschaften, Göttingen endet die offizielle Eröffnung.
Über das MPZPM
Das MPZPM ist ein interdisziplinäres, gemeinsames Forschungszentrum des MPL, des UKER und der FAU. Die Forschung am MPZPM konzentriert sich auf grundsätzliche Fragestellungen in der Medizin aus einer völlig neuen physikalischen Perspektive. Ziel ist es, aus dieser Sichtweise neue Erkenntnisse zum Verständnis von lebenden Systemen, biologischen Prozessen und deren krankhaften Veränderungen beizutragen und neue diagnostische und therapeutische Anwendung zu etablieren.
Das MPZPM wurde im Jahr 2013 konzipiert und erhielt 2014 die Genehmigung durch die Gremien der Max-Planck-Gesellschaft. Dank einer Sonderfinanzierung des Freistaats Bayern in Höhe von 60 Millionen Euro konnte 2017 der Kooperationsvertrag geschlossen werden.
Der moderne Funktionsbau mitten auf dem Campus des Uniklinikums und mit direktem Anschluss an die Translationszentren mit fünf Vollgeschossen beherbergt flexible Laborkonzepte und Büros für etwa 180 Forscher*innen und Mitarbeitende im Wissenschaftsservice. Das MPZPM bietet zentrale technische Serviceeinrichtungen für In-vivo-Studien, Lab-on-Chip-Systeme sowie moderne Mikroskopietechniken.
Das betriebstechnische Anlagenkonzept ermöglicht in den optischen Laboren Experimente bei höchster Präzision der Umgebungsbedingungen sowohl hinsichtlich Temperaturkonstanz als auch Schwingungsstabilität. Über das eigens für das Institut reservierte Glasfaserkabel ist das MPZPM direkt mit dem MPL verbunden. Dies ermöglicht nicht nur extrem hohe Datenübertragungsraten, sondern erlaubt auch die direkte Nutzung des Glasfaserkabels für wissenschaftliche optische Experimente. Auf dem Dach des Zentrums sind 75 Solarmodule installiert, die eine Leistung von 52 Kilowatt Peak liefern. Mit der Nutzung von erneuerbaren Energien und der gleichzeitigen Reduktion des CO2-Ausstoßes durch ein ausgeklügeltes Konzept zur Energieeinsparung bei der Kälteerzeugung und Verteilung trägt das MPZPM konkret zum Streben der MPG nach einem klimaneutraleren Forschungsbetrieb bei.
Am MPZPM werden die Forschungsgruppen von den Professoren Kristian Franze (Neuronale Mechanik), Jochen Guck (Physik der Zelle), Benoît Ladoux (Gewebe-Biomechanik), Vahid Sandoghdar (Nano-Biophotonik) und Vasily Zaburdaev (Immunophysik) untergebracht sein.