Enge Zusammenarbeit zwischen Versorgungsforschung und Implementierungswissenschaft für ein resilientes Gesundheitssystem
Berlin, 30.09.2024: Freitagabend endete der 23. Deutsche Kongress für Versorgungsforschung (DKVF) in Potsdam. An drei Tagen präsentierten und diskutierten rund 800 Teilnehmende in mehr als 500 wissenschaftlichen Beiträgen, wie ein Transfer von Erkenntnissen aus der Versorgungsforschung in den Versorgungsalltag besser als bisher gelingen kann. Die Veranstaltung des Deutschen Netzwerks Versorgungsforschung (DNVF e.V.) stand in diesem Jahr unter dem Motto „Implementierungswissen schafft innovative Versorgung“.
Kongresspräsidentin Prof. Dr. Juliane Köberlein-Neu vom Lehrstuhl für Versorgungsforschung und Gesundheitsökonomische Evaluation an der Bergischen Universität Wuppertal zieht ein positives Resümee: „Ich schaue auf einen Kongress zurück, der deutlich aufzeigen konnte, welche Chancen eine enge Zusammenarbeit von Versorgungsforschung und Implementierungswissenschaft für die Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung eröffnet. Es war beeindruckend zu sehen, mit wieviel Engagement Patientinnen und Patienten, Wissenschaft und Versorgungspraxis an einer Verbesserung der Gesundheitsversorgung arbeiten. Damit aus wissenschaftlichen Erkenntnissen Versorgungspraxis werden kann, müssen Implementierungsprozesse aber nicht zuletzt auch politisch gestaltet werden.“
Prof. Dr. Karl Lauterbach, Bundesminister für Gesundheit betonte in seinem Video-Grußwort, dass das Zusammenwirken von Versorgungsforschung und Implementierungswissenschaften das Potential für eine fruchtbare Symbiose hat, aus der nutzenbringende Konzepte im Sinne der Patientinnen und Patienten erwachsen können. Er dankte den Versorgungsforscher:innen für ihre wichtige Arbeit und forderte sie zugleich dazu auf, sich mit ihren wissenschaftlichen Methoden an der Lösung der aktuellen großen Herausforderungen zu beteiligen. Eine wichtige Rolle übernimmt hierbei, so Lauterbach, der Innovationsfonds.
Prof. Dr. Wolfgang Hoffmann, MPH, Vorstandsvorsitzender des veranstaltenden DNVF und geschäftsführender Direktor des Instituts für Community Medicine der Universitätsmedizin Greifswald betonte in seinem Statement, dass die Versorgungsforschung sich diesen Herausforderungen gerne und gut vorbereitet stellt. „Unser Kerngeschäft sind die wissenschaftlichen Grundlagen für das Gesundheitswesen. Wir wollen aber auch ganz konkrete Lösungen für die aktuellen Probleme in der Versorgung liefern. Und dazu brauchen wir nicht nur die fachliche und methodische Kompetenz, sondern auch die Handlungskompetenz, dieses Wissen in die Praxis, also in den Versorgungsalltag, zu integrieren. Wir wissen, dass dabei Barrieren unterschiedlichster Art überwunden werden müssen. Dieser Kongress hat uns eindrücklich gezeigt, wie uns Versorgungsforschenden die Implementierungswissenschaft dabei helfen kann.“
Ein Beispiel dafür ist die Einbeziehung von Social Design, vorgestellt in der Keynote Lecture von Diana Cürlis, Münster School of Design. Sie hob hervor, wie gut geeignet Social Design gerade auch für vulnerable Gruppen ist und veranschaulichte dies anhand eines partizipativen Projekts mit Demenzkranken und deren pflegenden Angehörigen.
Breit gefächertes Programm
Neues zu etablieren ist zur Stärkung unseres Gesundheitssystems ebenso wichtig, wie Überversorgung und wenig nutzbringende Versorgung abzubauen. Mit dieser Thematik befassten sich zwei weitere Plenarvorträge. Prof. Dr. Thomas Kühlein, praktizierender Hausarzt und Direktor des Allgemeinmedizinischen Instituts am Uniklinikum Erlangen, hielt zahlreiche Beispiele für Überversorgung in Diagnostik und Therapie hierzulande bereit. Er kritisierte, dass es in Deutschland zu wenig De-Implementierung gäbe. Simone van Dulmen, PhD, von der Radboud Universität Nijmegen stellte vor, wie eine De-Implementation von wenig nutzbringender Versorgung (engl. „low-value care“) gelingen kann – anhand von konkreten Projekten aus den Niederlanden. Die Projekte einte, dass für eine erfolgreiche Umsetzung die enge Zusammenarbeit zwischen Ärzt:innen, Pflegefachkräften und den anderen medizinischen Professionen entscheidend ist.
Ein weiterer Kongressschwerpunkt lag auf der partizipativen Versorgungsforschung. Hierzu wurden zahlreiche auch durch den Innovationsfonds geförderte Projekte vorgestellt. In einem interaktiven Workshop am Patient:innentag wurde gemeinsam diskutiert, wie partizipative Forschung besser gelingen kann. Patient:innen und Wissenschaftler:innen sind sich einig: Erfolgreich evaluierte Projekte müssen schneller und verlässlicher in die Regelversorgung überführt werden. Dafür bedarf es klarer rechtlicher Regelungen und die Überwindung struktureller Barrieren.
Zahlreiche Auszeichnungen und Preise vergeben
In der Eröffnungsveranstaltung am 25. September 2024 wurde zum zehnten Mal der Wilfried-Lorenz-Versorgungsforschungspreis verliehen. Der Preis dient der Weiterentwicklung der Versorgungsforschung in Deutschland. Er wird in Erinnerung an das Ehrenmitglied des DNVF, Prof. Dr. Wilfried Lorenz (1939-2014), verliehen. In Anwesenheit von Margit Lorenz, der Ehefrau von Wilfried Lorenz und ihrer beiden Söhne ging die Auszeichnung dieses Jahr an Prof. Dr. Felix Miedaner, Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften, Fakultät Gesundheitswesen, Campus Wolfsburg, und sein Team für eine Studie zu den Auswirkungen zu vieler unmittelbar aufeinanderfolgender Arbeitstage auf die Versorgungsqualität in der neonatologischen Intensivpflege.
Beim vergnüglichen Science Slam präsentierten vier Teilnehmende ihre Forschungsarbeiten auf sehr unterhaltsame Weise und erhielten tosenden Applaus. Dessen Lautstärke – gemessen mit einem Applausometer – enschied: Gewinnerin des begehrten Preises wurde Sandra Lau aus Oldenburg. Darüber hinaus wurden Posterpreise verliehen und erstmalig – gemeinsam vom Deutschen Netzwerk Versorgungsforschung und der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin – der „Versorgungspreis Kinder und Jugendliche 2024“ vergeben. Den Preis erhielt das Projekt „Familien-SCOUT“, ein Modellprojekt für die Unterstützung krebskranker Eltern mit minderjährigen Kindern.
Ausblick auf den 24. Deutschen Kongress für Versorgungsforschung 2025
Die Resilienz und Zukunftsfähigkeit unseres Gesundheitssystems zu stärken, ist dem DNVF ein zentrales Anliegen. Die zeigt deutlich auch die Schwerpunktsetzung des nächsten DKVF. Der 24. DKVF steht unter dem Motto „Zukunftskompetenz für ein resilientes Gesundheitswesen“ und findet vom 24. bis 26. September 2025 in Potsdam statt. In der Abschlussveranstaltung erfolgte die Staffelübergabe der diesjährigen Kongresspräsidentin Köberlein-Neu an den Kongresspräsidenten des 24. DKVF, Prof. Dr. Horst Christian Vollmar, MPH, Leiter der Abteilung für Allgemeinmedizin an der Ruhr-Universität Bochum.
Weitere Informationen zum 23. Deutschen Kongress für Versorgungsforschung finden Sie unter: https://www.dkvf.de/de/
Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung
Der gemeinnützige Verein „Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e.V.“ (DNVF) wurde 2006 in Berlin gegründet. Das DNVF steht als interdisziplinäres Netzwerk allen Institutionen und Arbeitsgruppen offen, die mit der Sicherung der Gesundheits- und Krankenversorgung unter wissenschaftlichen, praktischen oder gesundheitspolitischen Gesichtspunkten befasst sind. Das DNVF hat es sich zum Ziel gesetzt, die an der Versorgungsforschung im Gesundheitswesen beteiligten Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen zu vernetzen, Wissenschaft und Versorgungspraxis zusammenzuführen sowie die Versorgungsforschung insgesamt zu unterstützen und voranzubringen. Darüber hinaus fördert das DNVF den wissenschaftlichen Nachwuchs, beispielsweise durch die Bildung interdisziplinärer Arbeitsgruppen zu fächerübergreifenden Themen der Versorgungsforschung. Mehr unter: http://www.dnvf.de/
Weitere Informationen:
http://Pressekontakt
http://Almut Gebhard
http://i.A. Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e.V.
http://Strategische Kommunikation
http://Tel. +49 (0)30 - 6120 1081
http://Mobil +49 (0)174 3017754
http://Email: ag@almutgebhard.de