Wissenschaftlicher Expertenbericht zum europäischen Flaggschiff Human Brain Project vorgestellt
Die Europäische Kommission hat den Expertenbericht zum Human Brain Project (HBP) veröffentlicht. Die EU-Flaggschiff-Initiative zur Erforschung des menschlichen Gehirns endete im Jahr 2023 nach zehn Jahren Laufzeit. Der Expertenbericht wurde von einem Gremium unabhängiger Wissenschaftler:innen verfasst. Sie kommen zu dem Schluss, dass das HBP wichtige Beiträge geleistet und die Hirnforschung nachhaltig beeinflusst hat. Positiv bewertet das Gremium auch, dass mit EBRAINS eine offene digitale Infrastruktur geschaffen wurde, die die neurowissenschaftliche Forschung weiter vorantreibt.
Das HBP habe erfolgreich die spezialisierten Felder innerhalb der Neurowissenschaften untereinander besser verknüpft, und die Verbindungen mit angrenzenden Feldern wie der Medizin, der Informatik und des Computings gestärkt. Letztendlich sei damit ein „neues Paradigma der „digitalen Neurowissenschaften“ sowie eine „neue interdisziplinäre Kultur der Zusammenarbeit“ entstanden, die fortwirke, heißt es in dem Expertenbericht.
Das Gutachten hebt wesentliche wissenschaftliche Errungenschaften des Projekts hervor, darunter digitale Hirnatlanten, neue, detaillierte Hirnmodelle und Simulationen, innovative Lösungen für die personalisierte Medizin, der Neurorobotik sowie in im Bereich der Künstlichen Intelligenz. Beim neuromorphen Computing seien bedeutende Fortschritte mithilfe der offenen Plattformen SpiNNaker und BrainScaleS erzielt worden, die den Weg für energieeffizientes Rechnen nach dem Vorbild des Gehirns geebnet haben.
Roberto Viola, Generaldirektor der DG Connect bei der Europäischen Kommission, betont in seinem Vorwort die „bemerkenswerten Fortschritte bei der Entwicklung neuer Ansätze zur Diagnose und Behandlung neurologischer Erkrankungen“, die mithilfe des Flaggschiff-Projekts erreicht werden konnten: „Dank seiner Algorithmen zur Simulation und Modellierung des Gehirns leistete das HBP Pionierarbeit bei der frühzeitigen und präzisen Diagnose von Erkrankungen des Gehirns und bei der Entwicklung personalisierter Therapiestrategien.“ Das gelte zum Beispiel für Epilepsie.
„Es war unsere Vision, im digitalen Zeitalter die neuen Möglichkeiten, über Grenzen hinweg zusammenzuarbeiten, komplexe Zusammenhänge zu analysieren und zu modellieren, für die Neurowissenschaften zu erschließen und damit die Forschung nachhaltig zu beeinflussen. Ich bin froh, dass das gelungen ist und von außen auch so gesehen wird“, sagt Katrin Amunts. Die Hirnforscherin war von 2016 bis 2023 wissenschaftliche Leiterin des Human Brain Project und ist heute Co-Geschäftsführerin von EBRAINS. „Der Erfolg des HBP war nur durch die Arbeit möglich, die so viele Kolleg:innen in ganz Europa im Laufe der Jahre geleistet haben.“
Mit EBRAINS in die Zukunft der Neurowissenschaften
Der digitalen Forschungsinfrastruktur EBRAINS bescheinigen die Gutachter:innen in ihrer Zusammenfassung eine „Schlüsselrolle“ in einer künftigen europäischen Partnerschaft im Bereich Brain Health und im neuen Feld der digitalen Hirnforschung. Hiervon zeuge auch das gemeinsame Positionspapier von über 100 Wissenschaftler:innen zur weiteren Entwicklung der digitalen Hirnforschung in den kommenden zehn Jahren, das im April veröffentlicht wurde.
Human Brain Project
Das Human Brain Project (HBP) war das größte Hirnforschungsprojekt in Europa und zählt zu den größten Forschungsprojekten, die jemals von der Europäischen Union finanziert wurden. Es war eines der drei FET-Flaggschiffprojekte der EU. An der Schnittstelle von Neurowissenschaften und Informationstechnologie untersuchte das HBP das Gehirn und seine Erkrankungen mithilfe hochentwickelter Methoden aus der Informatik, der Neuroinformatik und der künstlichen Intelligenz und trieb Innovationen in Bereichen wie gehirninspirierter Computing und Neurorobotik an. Als langfristigen Beitrag zur globalen Wissenschaftsgemeinschaft hat das HBP EBRAINS geschaffen, eine offene europäische Forschungsinfrastruktur, die es WissenschaftlerInnenn und TechnologieexpertInnen ermöglicht, effizient zusammenzuarbeiten und Fortschritte in den Bereichen Neurowissenschaften, Informatik und Medizin zu beschleunigen.
https://www.humanbrainproject.eu/en/
EBRAINS
EBRAINS (European Brain Research Infrastructures) ist eine einzigartige digitale Forschungsinfrastruktur, die von 2013 bis 2023 durch das Human Brain Project entwickelt wurde. EBRAINS erlaubt Wissenschaftler:innen, die Komplexität des Gehirns mit Werkzeugen der KI und des Supercomputings, hochaufgelösten 3D-Atlanten, verschiedenen Simulationsansätzen und „digitalen Zwillingen“ zu erforschen. Damit trägt die EBRAINS-Forschungsinfrastruktur europaweit zu einem tieferen Verständnis des Gehirns bei. Sie ermöglicht zahlreiche Projekte zur Entwicklung neuer Behandlungsformen und diagnostische Verfahren für Hirnerkrankungen ebenso wie neuro-inspirierte innovative Computertechnologien, Robotik und KI. EBRAINS ist seit 2021 Teil der Roadmap des renommierten ESFRI-Strategieforums für Europäische Infrastrukturen. Der deutsche Knotenpunkt von EBRAINS wird vom Forschungszentrum Jülich koordiniert.
https://www.ebrains.eu/
Pressekontakt:
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Unternehmenskommunikation
Leitung Externe Kommunikation
Forschungszentrum Jülich
Tel.: 02461/ 61 2388
a.stettien@fz-juelich.de
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Prof. Dr. med. Katrin Amunts
Director and Working Group Leader "Architecture and Brain Function"
Forschungszentrum Jülich
Tel.: 02461/ 61 4300
k.amunts@fz-juelich.de
Weitere Informationen:
http://Pressemitteilung online:
https://www.fz-juelich.de/de/aktuelles/news/meldungen/2024/erfolgreiche-pionierarbeit-wissenschaftlicher-expertenbericht-zum-europaeischen-flaggschiff-projekt-human-brain-project-vorgestellt